Reformationsjubiläum: Katholische „Irritationen“

„Mehr und mehr Irritationen“ aus der katholischen Kirche im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 hat der in Wien lehrende reformierte Theologe Ulrich Körtner beklagt.

Es habe den „Anschein, als ob manche Vertreter der katholischen Theologie und der Amtskirche nach Vorwänden suchen, um sich der Herausforderung eines ökumenischen Reformationsjubiläums nicht länger stellen zu müssen“, schreibt Körtner in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“. Diese Herausforderung sieht der Ordinarius für Systematische Theologie an der Wiener Evangelisch-Theologischen Fakultät in der Frage, was die katholische Kirche der Reformation möglicherweise zu verdanken habe und was daher auch für sie 2017 ein Grund zum Feiern sein könnte.

„Ökumenische Bewährungsprobe“

Das bevorstehende Jubiläum werde somit eine „ökumenische Bewährungsprobe“ - auch für Papst Franziskus, meinte Körtner im Blick zum Beispiel auf kritische katholische Stimmen zu einem Grundlagentext, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im Juni veröffentlichte.

Ulrich Körtner

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Theologe Ulrich Körtner

„Positive Signale“ habe dagegen Kardinal Christoph Schönborn beim traditionellen ökumenischen Empfang im Jänner 2014 gesetzt: Die Kirchen mögen die Erinnerung an Luthers Thesenanschlag 1517 in Wittenberg gemeinsam begehen, zitierte Körtner den Wiener Erzbischof. Nach dessen Worten gelte es, „gemeinsam Zeugnis von Christus abzulegen vor einer Welt, die nicht versteht, warum die Kirchen noch immer getrennt sind“.

Gedenken statt Feiern?

Die protestantischen Kirchen bereiten sich weltweit auf das Jubiläum 2017 vor und laden auch die anderen Kirchen zu dessen ökumenischem Begehen ein - auch in Österreich, wie Körtner sagte. Ob es jedoch tatsächlich zu gemeinsamen Gedenkfeiern der getrennten Kirchen kommt, „ist keineswegs gesagt“, denn: „Nach wie vor besteht nämlich keine Einigkeit, ob es 2017 überhaupt etwas gemeinsam zu feiern gibt, oder ob nur ein gemeinsames Gedenken möglich ist.“

Die für den protestantischen Theologen zentrale Frage dabei: „Soll die reformatorische Neuentdeckung des Evangeliums von der Rechtfertigung des Menschen allein durch den Glauben ... im Vordergrund stehen - oder die Geschichte der Spaltung der abendländischen Christenheit?“

Streit um evangelischen Grundlagentext

Am EKD-Grundlagentext mit dem Titel „Rechtfertigung und Freiheit“ habe zuletzt der frühere vatikanische „Ökumene-Minister“ Kardinal Walter Kasper Kritik geübt. Dieser vermisst eine Würdigung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999, das Dokument sei daher ein ökumenischer Rückschritt. Wolfgang Thönissen, Leiter des Johann-Adam-Möhler-Instituts in Paderborn, wittere in dem Text gar „antikatholische Grundsätze“, so Körtner.

Und Johanna Rahner, Nachfolgerin von Hans Küng in Tübingen, habe der Evangelischen Kirche in einem „Zeit“-Interview eine „konfessionelle Profilneurose“ attestiert: Es sei „lächerlich“, Luther zum Erfinder der Demokratie, der Freiheit und der Toleranz zu stilisieren.

Körtner zu dieser katholischen Kritik: „Wer die selbstkritischen Texte liest, die von der EKD im Rahmen der Lutherdekade gerade zum Thema Toleranz veröffentlicht worden sind, kann sich über derartige Polemik nur wundern.“ Dort sei „unmissverständlich von den Grenzen des Toleranzgedankens im Reformationszeitalter“ die Rede.

Kässmann: Zweitrangig, ob Feier oder Gedenken

Die Frage, ob 2017 eine Feier oder ein Gedenken anstehe, ist nach den Worten der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Kässmann zweitrangig. Von Anfang an habe es „eine ausgestreckte Hand“ in Richtung katholischer Kirche gegeben, gemeinsam zu feiern, schreibt Kässmann in einem Beitrag für das Onlineportal katholisch.de. Auch Feiertage könnten „durchaus Ernsthaftigkeit mit sich bringen“, so die Beauftragte der EKD für die Veranstaltungen zur 500-Jahr-Feier.

Das Besondere an 2017 sei, „dass wir anders als vor 100 Jahren ökumenische Erfahrung haben“. Bestehende theologische Unterschiede zeigen nach Kässmanns Worten „die kreative Kraft der konfessionellen Differenz“. Im Verständnis von Kirche, Amt sowie Abendmahl und Eucharistie blieben aber sicher auch künftig Unterschiede.

Aus Kässmanns Sicht wünschen sich die Gemeinden an der Basis ökumenische Signale. Deshalb gelte es, „das Jubiläumsjahr mit einer Haltung der Versöhnung zu beginnen“. Gezeigt werden könne, dass die Reformation alle verändert und die Rückbesinnung auf Jesus Christus als Zentrum die Kirchen erneuert habe. Es gehe um eine „Zukunft, die Unterschiede kennen wird, aber sie als versöhnte Verschiedenheit erlebt“. Eine solche Haltung könne helfen, Reibungspunkte und Empfindsamkeiten auszuhalten.

Kardinal Koch: Reformation scheiterte

Vonseiten der katholischen Kirche wird offiziell lieber von einem Reformations-Gedenken gesprochen. Der Nachfolger Kardinal Kaspers als vatikanischer Ökumene-Verantwortliche, Kardinal Kurt Koch, erklärte im Vorjahr in einem Grundsatzreferat bei der Vollversammlung des Päpstlichen Einheitsrates, die von Luther angestoßene Reformation des 16. Jahrhunderts habe ihre eigenen Ziele verfehlt und müsse erst „zu ihrer Vollendung geführt“ werden.

Das bedeute die Wiederherstellung der christlichen Einheit, so der Schweizer Kurienkardinal. Die Entstehung protestantischer und reformierter Landeskirchen zeige „nicht den Erfolg, sondern das Scheitern der Reformation“. Aus dem Thesenanschlag von 1517 sei „vor allem Spaltung“ entstanden, die der Überzeugungskraft der christlichen Verkündigung „einen entscheidenden Schlag versetzt“ habe, so Koch.

religion.ORF.at/KAP

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