Osteuropa: Bekenntnis zu Religion „wieder en vogue“

25 Jahre nach der politischen Wende in Ost- und Ostmitteleuropa ist der Glaube gerade in orthodox geprägten Gesellschaften wieder im Aufwind, wie aus einer Studie über den religiösen Wandel in Osteuropa hervorgeht.

Das Bekenntnis zur Religion „scheint in nicht wenigen postkommunistischen Gesellschaften wieder en vogue zu sein“: Das lässt sich aus einer Studie mit dem Namen „Religiöser Wandel in Ostmittel- und Osteuropa. Ein vergleichender Abriss der Entwicklung seit 1989/90“ herauslesen, die der Münsteraner Religionssoziologe Olaf Müller in der aktuellen Ausgabe der „Theologisch-praktischen Quartalschrift“ der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz zusammenfasst.

„Religiöse Länder noch religiöser“

Eine seiner Erkenntnisse: „Es hat den Anschein, als ob die bereits zu Beginn der 1990er-Jahre stark religiös verfassten Länder noch religiöser geworden sind“. Die Gesellschaften hingegen, die in diesem Zeitraum keine starke Bindung zum Glauben aufwiesen, hätten ihre Haltung kaum verändert.

Frauen in einer orthodoxen Kirche in der Ukraine

Reuters/Gleb Garanich

In orthodox geprägten Ländern ist deklarierte Konfessionszugehörigkeit für die meisten selbstverständlich

Religion hat laut Müller gerade in jenen Ländern an Bedeutung gewonnen, in denen es bereits vor und auch nach der Wende soziale und wirtschaftliche Probleme gab. Wo jedoch die „ökonomische und politische Transformation verhältnismäßig erfolgreich gestaltet“ worden sei, blieb der religiöse Aufschwung aus - wie in Estland oder Slowenien - oder schritt die Säkularisierung voran.

Zerstörte Strukturen wirken nach

Besonders nachhaltig zerstört wurden demnach religiöse Strukturen dort, wo zusätzlich dazu Religion und religiöse Institutionen während des Kommunismus massiv unterdrückt wurden - wie in Ostdeutschland oder der heutigen Tschechischen Republik. Gerade im Gebiet der ehemaligen DDR scheinen sich, wie der deutsche Religionssoziologe anmerkt, „die letzten Reste einer religiösen Basis auch noch zu verflüchtigen“.

Eine starke Verschränkung von Kultur, Religion und nationaler Identität gibt es laut der Studie in Ländern wie Polen, Rumänien, Kroatien, Serbien, Moldawien und der Ukraine. In Ländern wie Slowenien, Ungarn und Lettland findet man diese Wechselwirkung nur in geringerem Ausmaß. In Polen und Kroatien gehöre es für „gute Bürger des Landes“ dazu, sich zur eigenen Kirche, in diesem Ländern meist die römisch-katholische, zu bekennen, schreibt Müller.

Deklaration selbstverständlich

Auch in den orthodox geprägten Ländern ist deklarierte Konfessionszugehörigkeit für die Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile selbstverständlich geworden: In Putins Russland zum Beispiel stieg dieser Wert zwischen 1990 und 2008 von 34 auf 64 Prozent, in Rumänien, Moldawien und Serbien bezeichnen sich jeweils fast alle Bürger als ihrer Kirche angehörig. In westeuropäischen Ländern spielt die Einheit von Religion und Nation hingegen kaum noch eine Rolle, so Müller.

Umfragen das Vertrauen in die Kirche betreffend ergeben ein inhomogenes Bild: In katholischen Polen sank dieser Wert gleich um 20 Prozent - ausgehend von einem sehr hohen Ausgangswert: 64 Prozent der Polen vertrauten der Kirche 2008, 84 waren es noch 1990.

Zugelegt hat dagegen die slowakische katholische Kirche in puncto Vertrauen; der Wert stieg im gleichen Zeitraum von 50 auf 62 Prozent. Rund die Hälfte der Bevölkerung in Kroatien (53 Prozent; 1990: 57 Prozent) und in Slowenien (49 Prozent; 1990: 39 Prozent) trauen der Kirche. Schlusslichter auch hier: Tschechien und Ostdeutschland mit nur je 21 Prozent, die Vertrauen in die dortige Mehrheitskirche setzen.

Glaube kein Minderheitenprogramm

Der Glaube an Gott ist in fast allen postkommunistischen Ländern keineswegs ein Minderheitenprogramm - im Gegenteil: Mehr als 90 Prozent der Polen, Kroaten, Rumänen und Moldawier bekannten sich 2008 zum Gottglauben, bei allen anderen Ländern außer Tschechien (39 Prozent) und Ostdeutschland (19) bilden die Gläubigen die Mehrheit.

Bei der Häufigkeit des monatlichen Kirchgangs dagegen erreichen nur die Polen (72 Prozent) und die Rumänen (50) Mehrheiten. Olaf Müller, Verfasser mehrerer Bücher zum Thema „Religion in Europa“, weist die katholischen Christen als eifrigste Kirchgänger aus, gefolgt von den Orthodoxen und - mit großem Abstand - den Protestanten.

Zur Gottgläubigkeit müsse freilich einschränkend gesagt werden: Der persönliche Glaube der Menschen und der Glaube der Kirche gingen oftmals nicht konform. Die Zustimmung zur Existenz „irgendeines höheren Wesens oder einer geistigen Macht“ sei in etlichen Ländern höher als zum persönlichen Gott der christlichen Glaubensbekenntnisse, so Müller. Mehrheitsfähig sei dieses Gottesbild dagegen in Polen, in der Ukraine und in Moldawien.

religion.ORF.at/KAP

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