Die Kirchen und der Kampf um den Frieden

Immer mehr Rufe nach Waffeneinsätzen gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) im Irak werden laut - auch aus Kirchenkreisen. Doch nicht alle teilen diese Ansicht. Waffen alleine würden keinen Frieden bringen, so der evangelische Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner.

Vor kurzem hat das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Franziskus, den Einsatz von Waffen im Irak für unter Umständen „legitim“ erklärt, wenige Tage danach meldete sich der Präsident des internationalen Hilfswerks „Kirche in Not“, Johannes Freiherr Heereman, mit einem Aufruf an die Staatengemeinschaft, den Völkermord im Irak zu beenden - notfalls mit Waffen. Auch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) sprach sich dieser Tage für Waffenlieferungen Deutschlands an die irakischen Kurden aus, um die Terrorgruppe IS zu stoppen.

Wenn diplomatisch „gar nichts“ geht

Im Fall der schweren Menschenrechtsverletzungen und Ausrottung ganzer Bevölkerungsgruppen entsprächen Waffenlieferungen zur Verteidigung "...den Grundsätzen der katholischen Kirche über den gerechten Frieden", so die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) laut dpa am Montag. Der Direktor von „Kirche in Not“ in Österreich, Herbert Rechberger, sagte dazu auf Anfrage von religion.ORF.at, dass im Fall der IS diplomatisch „gar nichts“ gehe, es also Situationen gebe, in denen keine anderen Möglichkeiten mehr blieben, als Gewalt mit Gegengewalt zu begegnen. Zudem seien die kurdischen Peschmerga-Kämpfer mit ausgesprochen schlechten Waffen ausgerüstet, wo sich die Frage stelle, ob sie überhaupt funktionieren, so Rechberger.

Ein bewaffneter Mann vor einer Kirche in Mussul

Reuters/Khalid al-Mousuly

Manche Kirchenvertreter fordern ein UNO-Mandat, bevor militärische Aktionen gesetzt werden

Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat sich gegen Waffenlieferungen in den Irak ausgesprochen. Es sei der falsche Weg, meinte sie einem Bericht der dpa zufolge - mehr dazu in „Kirche in Not“ für Waffenlieferungen in den Irak. Zugleich räumte die Theologin ein, dass auch die Haltung gegen eine militärische Intervention mitschuldig machen könne. Käßmanns Vorgänger, Wolfgang Huber, widersprach ihr in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung „Die Welt"/Berlin: „Aus Gründen der christlichen Friedensethik ist es nach meiner festen Überzeugung ausgeschlossen, auf das Terrorregime der IS-Milizen im Irak mit Untätigkeit zu reagieren.“

Militärsuperintendent: Waffen allein nicht sinnvoll

Der evangelische Militärsuperintendent in Österreich, Karl-Reinhart Trauner, bezweifelt, dass Militäreinsätze den gewünschten Effekt haben können: "Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man mit militärischen Mitteln allein friedliche Zustände herstellen kann. Das hat noch nie funktioniert und wird auch nie funktionieren“. Das einzig Mögliche sei, mit militärischen Mitteln Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen dann mit zivilen „Konfliktbearbeitungsmechanismen“ ein friedlicher Zustand etabliert werden könne.

Der evangelische Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner

epdÖ/M.Uschmann

Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner

Trauner kann sich einen militärischen Einsatz nur dann vorstellen, wenn dadurch der Boden für eine nachfolgende Aufbauarbeit bereitet wird, auf dem mit Hilfe des Militärs - also auch Truppen in den Krisenregionen - etwa Kindergärten und Infrastruktur aufgebaut werden. Waffenlieferungen allein hält der Superintendent nicht für zielführend und vor allem nicht ausreichend. Die Erfahrungen der letzten Jahre habe gezeigt, dass die Gruppen, denen Waffen zur Verfügung gestellt worden waren, unvorhersehbare Wendungen genommen hätten, - etwa in Afghanistan.

Klar sei aber, dass Menschen, die Hilfe brauchen, auch Hilfe zukommen muss, die Aufgabe des Militärs könne aber nicht sein, zivile Versöhnungsarbeit zu leisten. In Deutschland gebe es daher Überlegungen, dass zugleich mit der Entsendung von bewaffneten Streitkräften auch NGO’s in die Planungen mit einbezieht. Denn Menschen in Kriegsgebieten, die dramatische Erfahrungen mit Uniformierten gemacht hätten, seien durch NGO-Mitarbeiter besser zu erreichen und zu betreuen, so Trauner.

Kurdische Peschmerga-Kämfer im Irak

Reuters/Youssef Boudlal

Kurdische Peschmerga-Kämpfer im Irak

Trauner: Mandat der UNO unverzichtbar

Österreich und kirchliche Institutionen leisten humanitäre Hilfe im Irak, in Deutschland wird die Entscheidung über mögliche Waffenlieferungen für nächste Woche erwartet. Die Frage ist, ob es in den derzeitigen Zuständen überhaupt möglich ist, humanitäre Hilfe zu leisten. Denn die Menschen leiden weiter unter der IS. Alle Kirchenvertreter betonen, dass die Entscheidung über bewaffnete Einsätze rein politisch ist und sein kann. Die Situation ist jedenfalls mehr als komplex. Es scheinen absurde Allianzen gegen die IS zu entstehen - wie offenbar zwischen den USA und Syriens Präsident Baschar al-Assad.

Grundsätzlich seien zivile Mittel militärischen vorzuziehen, nicht nur aus sicherheitspolitischen Gründen sondern auch aus ethischen, so Trauner. Allerdings zeigten die jüngsten Konflikte - auch in Syrien oder der Ukraine - dass die einzelnen Staaten an die Grenzen ihrer diplomatischen Möglichkeiten gelangen. Maßnahmen könnten daher nur im internationalen Verbund gesetzt werden. Was für Trauner jedenfalls unverzichtbar ist, ist ein Beschluss der UNO. Ohne diesen hält er militärische Aktionen im Irak für sehr bedenklich.

Auch das katholische Hilfswerk Misereor fordert ein UNO-Mandat, bevor es zu Handlungen einzelner Staaten kommt. Ein solcher Schritt „brächte eine deutlich größere Legitimation als ein Beschluss der (deutschen, Anm.) Bundesregierung“, sagte Misereor-Chef Pirmin Spiegel in einem Gespräch mit der „Aachener Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe).

Nina Goldmann, religion.ORF.at

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