Möglicherweise kein nächster Dalai Lama mehr

Der Dalai Lama rät seinen Glaubensbrüdern davon ab, nach seinem Tod einen Nachfolger für ihn zu bestimmen. Den Journalisten Heinz Nußbaumer, der den Dalai Lama seit vielen Jahren gut kennt, erstaunt diese Aussage nicht.

Seit 2011 sei er komplett pensioniert, sagte der Dalai Lama der Zeitung „Welt am Sonntag“ mit Blick auf seinen Rückzug aus der Exilregierung. Mit diesem Rückzug sei auch keine politische Macht mehr gegeben. „Damit enden auch fast fünf Jahrhunderte der Dalai-Lama-Tradition - und das geschieht freiwillig. Politisch denkende Menschen müssen daher einsehen, dass die rund 450 Jahre währende Institution des Dalai Lama ausgedient haben sollte.“

Kein Bedarf für Nachfolger

Auch Bedarf für einen spirituellen Nachfolger sieht das geistliche Oberhaupt der Tibeter offenbar nicht. „Der tibetische Buddhismus ist nicht abhängig von einem Individuum“, sagte der im Exil lebende Mönch. „Wir haben eine sehr gute Organisation mit hervorragend ausgebildeten Mönchen und Gelehrten.“

Was die Medienlandschaft in Aufregung versetzt nimmt Heinz Nußbaumer, Journalist und persönlicher Kenner des Dalai Lama völlig gelassen. Im Gespräch mit religion.ORF.at, sagt er, dass diese Aussage dem entspreche, was der Dalai Lama bereits seit 30 Jahren immer wieder andeute. Damals habe er ihm bereits gesagt, wenn das tibetische Volk keinen Dalai Lama mehr brauche, werde es keinen mehr geben - vielleicht sei also er der letzte. Zwischendurch habe es auch geheißen, der nächste Dalai Lama werde vielleicht eine Frau, so Nußbaumer.

Nußbaumer mutmaßt, dass er wohl auch mit Blick sowohl auf China als auch auf den Westen auf entsprechende Fragen geantwortet habe. Er wolle wahrscheinlich denen den Wind aus den Segeln nehmen, die schon jetzt über einen möglichen Nachfolger nachdenken würden, so Nußbaumer.

Der Dalai Lama mit erhobenen Händen

Reuters/Ralph Orlowski

Der buddhistische Mönch Tendzin Gyatsho - der 14. Dalai Lama

In Träumen 113 Jahre alt

2011 verzichtete der Dalai Lama auf seine politischen Funktionen. Zugleich habe Nußbaumer zufolge der Dalai Lama festgelegt, mit 90 Jahren bezüglich seiner Nachfolge zu Beratungen mit anderen Lamas zusammen zu kommen. „Laut den Ärzten, die meine physische Kondition geprüft haben, werde ich hundert Jahre alt“, sagte der Dalai Lama gegenüber der Zeitung „Welt am Sonntag“. Seinen Träumen zufolge werde er sogar 113 Jahre alt. „Aber hundert sind, denke ich, sicher“, betonte der Friedensnobelpreisträger.

Derzeit gebe es also keine Notwendigkeit, die Frage der Nachfolge zu entscheiden. Letztlich liege sie aber tatsächlich bei ihm, sagt Nußbaumer gegenüber religion.ORF.at und weist darauf hin, dass der derzeitige Dalai Lama schon immer ein großer Stratege gewesen sei. Außerdem habe er immer eine nüchterne, aus westlicher Sicht „überrealistische“, Sicht auf die Institution des Dalai Lama gehabt.

Lob für China

Mit der kommunistischen Staatsführung Chinas liegen er und die Tibeter zwar seit Jahrzehnten im Streit, doch habe unter dem neuen Präsidenten Xi Jinping „eine neue Ära begonnen“. Der chinesische Staatschef wolle „eine harmonischere Gesellschaft schaffen als jene, die es unter seinem Vorgänger Hu Jintao gab“, sagte der Dalai Lama anerkennend. Xi kämpfe entschlossen gegen Korruption, sei mutig und habe sich viele Feinde unter den alten Parteikadern geschaffen. „Außerdem hat er bei seinem Besuch in Paris im März dieses Jahres den Buddhismus als einen wichtigen Teil der chinesischen Kultur bezeichnet.“

religion.ORF.at/AFP

Link: