Papst vor Kurzbesuch in Albanien

Papst Franziskus reist am Sonntag nach Albanien, wo Treffen mit Politikern und Religionsführern auf dem Programm stehen. Es ist die erste Europa-Reise des Papstes außerhalb Italiens.

Während seiner eintägigen Visite in Tirana absolviert das Oberhaupt der katholischen Kirche ein dichtes Programm. Es beinhaltet Begegnungen mit der albanischen Staatsspitze, Religionsführern, Behinderten sowie eine Botschaft an die Jugend. Franziskus hatte Mitte Mai seinen Entschluss bekannt gegeben, als erstes europäisches Land Albanien zu besuchen. Mit der Visite in dem ehemals kommunistischen Land wolle er an die Leiden der Vergangenheit erinnern und zugleich die heutige religiöse Vielfalt Albaniens würdigen, so Franziskus bei der Generalaudienz.

Liveübertragung in ORF III:
Papst-Gottesdienst aus Tirana

ORF III überträgt am 21.09 ab 10.50 Uhr den Gottesdienst am Mutter-Teresa-Platz in der Hauptstadt Tirana.

Mehr dazu: Papst-Gottesdienst aus Tirana

„Ich habe entschieden, dieses Land zu besuchen, weil es aufgrund eines schrecklichen atheistischen Regimes sehr gelitten hat und sich heute durch ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen religiösen Gruppen auszeichnet. Mit Zuneigung grüße ich das albanische Volk und danke für die Vorbereitung dieser Reise“, sagte Franziskus.

Albanien nach dem Atheismus

Einen Höhepunkt des Papst-Aufenthaltes wird die Open-Air-Messe bilden, die auf dem Hauptplatz von Tirana, heute nach der mazedonisch-albanischen Nonne Mutter Teresa benannt, zelebriert wird. Auch tausende Albaner aus dem Ausland werden zu dem Gottesdienst erwartet. Es ist ein besonderer Moment für viele Albaner, denn das Land litt 25 Jahre (bis 1991) unter einer drakonischen Diktatur. Enver Hoxha, von 1944 bis 1985 Diktator der Sozialistischen Volksrepublik Albanien, erhob 1967 den Atheismus zur Staatsdoktrin. Jegliches Zeichen von Religionsausübung wurde mit schweren Strafen bis zum Tod geahndet.

Papst Franziskus mit Albaniens Prämierminister Rama und dessen Frau Linda

Ruters/Alessandra Tarantino

Am 24. April 2014 empfing Papst Franziskus Albaniens Ministerpräsident Edi Rama und dessen Frau Linda

Nach der Begrüßung durch eine Abordnung der Regierung und des Episkopats ist die Unterredung mit Staatspräsident Bujar Nishani angesetzt, anschließend eine Begegnung mit Politikern der Regierung und der anderen Parteien.

Darauf folgt die Messe unter freiem Himmel im Zentrum Tiranas, wo Tausende Menschen auf dem aus Mussolini-Zeiten stammenden Boulevard erwartet werden. Einige Sektoren im Zuschauerbereich werden für behinderte Menschen reserviert. Zum Abschluss des Gottesdienstes will sich der Pontifex beim Angelus-Gebet insbesondere an die albanische Jugend wenden. Das Mittagessen nimmt Franziskus in der Nuntiatur ein; diese Villa war einst die Residenz des kubanischen Botschafters.

Religionen in Albanien

Heute ist Albanien mehrheitlich muslimisch. 57 Prozent sind sunnitische Muslime. Christen (Katholiken und Orthodoxe) machen nach der umstrittenen Volkszählung von 2011 insgesamt 17 Prozent aus, nach deren eigenen Angaben allerdings 31 Prozent. Der Zensus wird vor allem von Orthodoxen kritisiert.

Ethnisch hat das gut drei Millionen Menschen zählende Land eine relativ homogene Bevölkerung - mehr als 95 Prozent sind Albaner. Die restliche Bevölkerung setzt sich aus griechischen und slawischen Minderheiten sowie Roma zusammen.

Interreligiöses Treffen

Am Nachmittag steht in der Katholischen Universität eine Begegnung mit Oberhäuptern anderer Religionen auf dem Programm. Der Franziskaner-Bischof Massafra von Shkodra wird die Begrüßung vornehmen. An dem Treffen mit dem Pontifex nehmen die höchsten Würdenträger der autokephalen orthodoxen Kirche, der sunnitischen Muslime und der Bektaschi teil.

Von allen Seiten wird der gute Kontakt zwischen den Religionsgemeinschaften gelobt. Albanien hat in der Region eine gewisse Vorbildrolle, wie aus einem Bericht der APA-Journalistin Hermine Schreiberhuber hervorgeht. Denn die albanische Regierung hat einen Kooperationsrat ins Leben gerufen, in dem Sunniten, Bektaschi, Orthodoxe, Katholiken und auch Evangelikale zusammenkommen. „Wir diskutieren Themen, bevor Krisen ausbrechen. Wir kommen gut miteinander aus und besprechen die Probleme“, zitiert Schreiberhuber den Erzbischof von Tirana, Rok Kola Mirdita.

Der interreligiöse Kooperationsrat hat auch Stellungnahmen zu den Konflikten in der Ukraine sowie im Irak und Syrien verfasst, die von allen Religionsführern unterschrieben wurden. In Bezug auf die Terrormiliz IS (Islamischer Staat) bemerke man in Albanien keine spürbare Radikalisierung von Jugendlichen. Im benachbarten Kosovo sei das anders, schreibt Schreiberhuber.

Gläubige auf dem Petersplatz schwenken eine albanische Fahne

Reuters/mAx Rossi

Gläubige schwenken die albanische Flagge am Petersplatz in Rom

Auf den interreligiösen Austausch des Papstes mit Religionsvertretern folgt eine Vesper mit Priestern, Ordensleuten und Laienbewegungen in der Kathedrale. Franziskus richtet aber sein Augenmerk auch auf die Benachteiligten der Gesellschaft. Im Bethanien-Zentrum, einer karitativen Einrichtung der Kirche in Tirana, die Waisenkinder betreut, trifft er mit Behinderten zusammen. Menschen aus allen fünf Diözesen werden die Gelegenheit haben, mit Franziskus zu sprechen.

Lange katholische Tradition

Die katholische Kirche hat eine lange Tradition in Albanien. So ist der Franziskaner-Orden seit 800 Jahren in Albanien präsent. Derzeit stellen die Franziskaner zwei Bischöfe. Die Zahl der Katholiken beträgt nach eigenen Angaben 450.000 bis 500.000. Die meisten leben in der Diözese Shkodra im Norden - rund 150.000 Gläubige in 40 Pfarren. Es gibt fünf Diözesen und eine Apostolische Nuntiatur. 34 von 200 Priestern sind Albaner, viele stammen aus Italien.

Franziskus wird auch ein Zeichen für die albanische „Märtyrerkirche“ setzen. Drei Priester, die die Hoxha-Ära überstanden haben, leben noch. Der heute 88-jährige Don Ernesto wird vom Papst als „Bekenner des Glaubens“ geehrt. Eine Nonne, die ebenfalls die Verfolgung erlebte, wird ihren Leidensweg schildern. Heute werden Priester aus Albanien, dem Kosovo und Montenegro im Priesterseminar von Shkodra ausgebildet, das Papst Johannes Paul II. nach dem Sturz der Kommunisten von Jesuiten aufbauen ließ.

Die albanisch-orthodoxe Kirche ist seit 1937 autokephal (eigenständig). Der Heilige Synod wurde 1998 wieder errichtet, der erste albanische Metropolit installiert. Es gibt acht Bischöfe, vier Diözesen und 400 Pfarren. 150 Albaner wurden seit der „Wende“ zu Priestern geweiht. Von rund 640 Gütern im Besitz der orthodoxen Kirche wurden nach der Diktatur nur rund 200 zurückerstattet.

religion.ORF.at/APA