Koran-Einheitsübersetzung: Zustimmung und Skepsis

Integrations- und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) stößt mit seiner Forderung nach einer einheitlichen deutschen Koranübersetzung sowohl auf Verständnis als auch auf Skepsis.

Minister Kurz hatte sich am Samstag in einem ORF-Radiointerview für eine einheitlich geltende, offizielle Koran-Übersetzung ausgesprochen. Es gäbe „unzählige Übersetzungen, unzählige Interpretationen“, sagte der Minister. Der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) komme die Aufgabe zu, eine offizielle deutsche Fassung der Außenwelt zu präsentieren. Notwendig sei dies, so Kurz, zum einen „weil die Mehrheitsbevölkerung verdient hat zu wissen, was ist der Glaubensinhalt“. Zum anderen leide die Glaubensgemeinschaft selbst darunter, dass von Terroristen Fehlinterpretationen verwendet würden. Kommende Woche soll das neue Islamgesetz in Begutachtung gehen.

Baghajati: „Richtige“ Koranübersetzung kaum möglich

In einer Reaktion gegenüber der „Austria Presse Agentur“ (APA) wies auch IGGiÖ-Sprecherin Carla Amina Baghajati auf das „gemeinsame Interesse“ hin, „dass man Extremismus auch dadurch verhindert, dass man dem Missbrauch von islamischen Wörtern, von religiösen Grundsätzen, entgegentritt“. Gleichzeitig gab sie zu bedenken, dass es kaum möglich sei, die eine, „richtige“ Koran-Übersetzung zu finden. Wichtig sei es daher, sowohl die Auslegung der Schriften, als auch den Kontext miteinzubeziehen. Ähnlich verhalte es sich ja auch mit der Bibel, so die IGGiÖ-Sprecherin.

Ein Koran

APA/EPA/Bilawal Arbab

Eine Einheitsübersetzung des Koran scheint aufgrund der vielen Sprachen nicht einfach zu sein

Man wolle das Thema dennoch beim nächsten Treffen mit dem Integrationsminister erörtern. Dies auch deshalb, weil man des Ministers Wunsch, „mehr Transparenz zu schaffen“, für „nachvollziehbar“ halte, so Baghajati zur APA. Es handle sich aber um ein „sehr komplexes Thema“, das auch innerhalb der Glaubensgemeinschaft besprochen werden müsse. Vorstellbar sei seitens der IGGiÖ die Einigung auf eine Übersetzung, die Schulen empfohlen werden kann, ergänzte Baghajati für das Ö1-Abendjournal.

Kritische Stimme auch von muslimischem Funktionär

Der SPÖ-Politiker und Beirat der IGGiÖ, Omar Al-Rawi unterstreicht: „Nicht die Übersetzung des Koran ist ausschlaggebend, sondern die Exegese und die Interpretation“. Statt „entbehrliche Zwischenrufe“ zu tätigen, empfiehlt Al-Rawi dem Außenminister, sich mit dem Buch „Die Kultur der Ambiguität“ von Thomas Bauer auseinanderzusetzen.

Die Muslimische Gemeinde in Österreich sei multi-ethisch geprägt, erinnert die SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz. Eine deutschsprachige Standard-Übersetzung zu fordern, während der Koran auch in zahlreichen anderen Sprachen gelesen wird, sei „reine Augenauswischerei“.a

AKV begrüßt Vorstoß

Die Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände (AKV) unterstützt die Forderung nach einer einheitlichen deutschsprachigen Koranfassung. Man begrüße die „mutige Bereitschaft“ des Integrationsministers, eine solche Forderung im neuen Islamgesetz zu verankern, teilte AKV-Präsident Helmut Kukacka am Sonntag in einer Aussendung mit. Es gäbe ein „gemeinsames Interesse, eine falsche Interpretation des Islam zu verhindern“, so Kukacka.

Kukacka begrüßte die Aussagen Baghajatis und zeigte auch Verständnis für deren Hinweise auf die Komplexität der Frage. Dennoch müsse hier mehr Transparenz und Klarheit geschaffen werden, „sonst könne das latente Misstrauen in der österreichischen Gesellschaft über den authentischen Inhalt des Koran und der Verdacht der islamischen Selbstimmunisierung nicht beseitigt werden“.

Die AKV anerkenne, dass die IGGIÖ und die große Mehrheit der österreichischen Muslime sich von allen terroristischen Aktivitäten der Dschihadisten distanziert haben und sie entschieden ablehnen, betonte Kukacka, aber: „Für einen fairen und vorurteilslosen Dialog mit den Muslimen über ihr unmissverständliches Bekenntnis zu Rechtsstaat und Religionsfreiheit und ihre Integrationsbereitschaft in die österreichische Gesellschaft sei es notwendig zu wissen, was der konkrete Glaubensinhalt des Islam sei und wie er in der Gegenwart zu interpretieren ist.“

Kukacka: „Unterscheidung der Geister“ möglich machen

Weil es im Islam keine klare Trennung von Staat und Religion gäbe, begrüße man den in der Islamgesetz-Novelle vorgesehenen Anwendungsvorrang des staatlichen österreichischen Rechts, teilte der AKV-Präsident weiter mit. In diesem Sinne solle das Gesetz auch die Möglichkeit schaffen, die Integration jener Muslime zu festigen, die sich mit der kulturellen, gesellschaftlichen und rechtsstaatlichen Ordnung in Österreich identifizieren.

Gleichzeitig gehe es um die Schaffung eines Rechtsinstruments, forderte Kukacka, „das eine ‚Unterscheidung der Geister‘ möglich macht und eine Isolation jener radikalen Kräfte ermöglicht, die eine mögliche Gefahr für die Gesellschaft und den Rechtsstaat darstellen“.

Kultusministerium: Einheitsübersetzung nicht möglich

Aus dem Kultusministerium hieß es dazu gegenüber religion.ORF.at, eine Einheitsübersetzung sei aufgrund der verschiedenen Strömungen nicht möglich. Sunniten, Schiiten und Aleviten hätten eigene Koranübersetzungen. Die IGGiÖ, die sunnitische dominiert ist, solle sich auf eine deutsche Übersetzung jeder Koran-Sure einigen, so der Sprecher des Kultur- und Kultusministers Josef Ostermayer (SPÖ). Jede in Österreich anerkannte Religionsgemeinschaft sei verpflichtet, ihre Glaubensinhalte darzustellen, die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft (ALEVI) habe das bereits getan, so Ostermayers Sprecher.

Die Glaubensinhalte darzustellen, sei im Entwurf zum Islamgesetz bereits verankert hieß es weiter aus Ostermayers Büro. Dies sei bei der Erstfassung von 1912 noch nicht der Fall gewesen. Im Entwurf des neuen Islamgesetzes, der der APA vorliegt, wird die „Darstellung der Lehre einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen, der den Inhalt in deutscher Sprache wiedergibt (...)“ als Voraussetzung angeführt. Auch im Bekenntnisgemeinschaftsgesetz, welches den Islam überhaupt erst als Glaubensgemeinschaft in Österreich anerkennt, wird ein solcher grundlegender Text angeführt, ebenso wie in den Statuten der IGGiÖ.

religion.ORF.at/KAP/APA

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