Wir sind Kirche: „Ja“ zu exkommunizierter Vorsitzender

Die Plattform „Wir sind Kirche“ hat am Samstag bei einer außerordentlichen Vollversammlung entschieden, ihre exkommunizierte Vorsitzende, Martha Heizer, im Amt zu belassen. Vorausgegangen waren heftige Diskussionen.

„Soll eine von der röm.-kath. Kirchenleitung für exkommuniziert erklärte Person den Vorsitz der Plattform ‚Wir sind Kirche‘ führen können?“ Diese Frage stellten sich rund 60 ordentliche Mitglieder der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ am Samstag in Salzburg. Nach sechs Stunden Diskussion wurde mit 78 Prozent der abgegebenen Stimmen mit „Ja“ entschieden. Bei der Abstimmung waren einige Stimmberechtigte auch mit einer Stimmübertragung eines nicht anwesenden Mitglieds ausgestattet.

Vollversammlung "Wir sind Kirche" in Salzburg

ORF / Marcus Marschalek

Erleichterung war „Wir-sind-Kirche“-Vorsitzender Martha Heizer nach der Abstimmung ins Gesicht geschrieben

Die Vorgeschichte zur Exkommunikation und in Folge auch für die Abstimmung über Martha Heizer beginnt mit einem ORF-Report vor rund drei Jahren. Damals wurde über eine „priesterlose Eucharistiefeier“ berichtet, bei der eine Laiengruppe, zu der auch Martha Heizer und ihr Mann Gert gehörten, gemeinsam die Wandlungsworte gesprochen hat. Das ist in der katholischen Kirche nur geweihten Priestern erlaubt. Ein Missbrauch zieht die Strafe der Exkommunikation nach sich.

Selbstgesetzte Exkommunikation

Nach monatelangen Untersuchungen im Auftrag des Innsbrucker Bischofs Manfred Scheuer wurde dem Ehepaar Heizer schließlich im Mai dieses Jahres ein Dekret zugestellt, das bei Nichtwiderrufung die selbstgesetzte Exkommunikation feststellt - mehr dazu in: Exkommunikation: Heizer hofft auf Gespräch mit Bischof (religion.ORF.at; 30.05.2014)

Inzwischen war aber Martha Heizer zur Vorsitzenden von „Wir sind Kirche“ bestimmt worden. Trotz der Exkommunikation sprach sich der Vorstand des Vereins im Juni für einen Verbleib der pensionierten Religionspädagogin als Vorsitzende von „Wir sind Kirche“ aus - mehr dazu in: Heizer bleibt „Wir sind Kirche“-Vorsitzende (religion.ORF.at; 11.06.2014)

Vollversammlung "Wir sind Kirche" in Salzburg

ORF / Marcus Marschalek

Eine deutliche Mehrheit entschied sich für den Verbleib von Martha Heizer als Vorsitzende von „Wir sind Kirche“

Pro und Kontra

Doch es gab innerhalb der Reformbewegung auch heftige Gegenstimmen, etwa von Heizers Vorgänger Hans Peter Hurka. Er stützte seine Rücktrittsforderungen auch auf eine per E-Mail gestartete Umfrage, an der sich 420 Personen beteiligten und eine große Mehrheit für einen Vorstandswechsel eintrat. Allerdings wurde rund die Hälfte der Stimmen dieser Umfrage von Nichtmitgliedern der Reformbewegung abgegeben.

Heizers Gegner befürchteten, dass durch den Verbleib des Ehepaars Heizer die Gesprächsbasis der Plattform mit der Kirchenleitung der katholischen Kirche zunichte gemacht würde. Eine zweite Umfrage wurde gestartet, diesmal exklusiv unter den 1502 Mitgliedern der Reformbewegung. Von den 300 Antworten waren 70 Prozent für einen Verbleib von Martha Heizer.

Mut zum Ungehorsam

In den Begründungen, die viele Umfrageteilnehmer mitschickten, werden Beispiele aus der Kirchengeschichte zitiert. So habe gerade der Mut zum Ungehorsam Einzelner immer wieder Veränderungen der Strukturen bewirkt, schrieben einige Mitglieder von „Wir sind Kirche“. „Es geht nicht an, sich in den Reformforderungen an der Kirchenleitung zu orientieren und daran, dass diese mit den Handlungen der Bewegung einverstanden sein müsse“, war zu lesen.

Vollversammlung "Wir sind Kirche" in Salzburg

ORF / Marcus Marschalek

Über E-mails und Karten wurden die Meinungen der Mitglieder von „Wir sind Kirche“ für den Diskussionsprozess gesammelt und ausgewertet

Zur Vollversammlung nach Salzburg kam auch Thomas Plankensteiner, der Gründer und Ehrenvorsitzende der Reformbewegung. Er appellierte an die rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Argumente gut abzuwägen und besonnen zu entscheiden. Anwesend waren auch Hubert Feichtlbauer und Hans Peter Hurka, die Vorgänger von Martha Heizer.

Forderung nach Eucharistiefeiern ohne Priester

Mit einem deutlichen „Ja“, wurde auch eine zweite Frage entschieden: "Soll die Plattform ‚Wir sind Kirche‘ Eucharistiefeiern im privaten Rahmen ohne Priester (aber mit Beauftragung durch den Ortsbischof) in ihr Reformprogramm aufnehmen?“

In diesem Zusammenhang erzählten viele Mitglieder, dass es kaum noch möglich sei, einen der „wenigen, vollkommen überlasteten Priester für eine Eucharistiefeier, etwa im Rahmen einer Hausmesse, zu bekommen." Vielerorts müssten Hausgemeinschaften und kleine Gruppen Gottesdienst schon seit Jahren ohne Priester feiern. Im Rahmen des Kirchenrechts ist das nur als Wortgottesdienst möglich. Hier soll eine Beauftragung durch den Bischof Eucharistiefeiern ermöglichen können, so die neue Reformforderung von " Wir sind Kirche“.

Vollversammlung "Wir sind Kirche" in Salzburg

ORF / Marcus Marschalek

Gemeinsam wurde am Ende der Vollversammlung eine Resolution an die österreichischen Bischöfe formuliert

Zum Abschluss der Veranstaltung wurde eine Resolution verabschiedet, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die österreichischen Bischöfe auffordern, „sich in der Bischofskonferenz klar hinter die Reformbestrebungen von Papst Franziskus zu stellen. Es muss endlich öffentlich klargestellt werden, dass die göttliche Barmherzigkeit, welche uns in der Heiligen Schrift zugesagt ist, absoluten Vorrang vor dem von Menschenhand geschaffenen Kirchenrecht hat“, heißt es dort.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

Mehr dazu:

Link: