Bischofssynode: Weichenstellung im Vatikan

Am kommenden Sonntag beginnt im Vatikan die außerordentliche Weltbischofssynode zum Thema Ehe- und Familienseelsorge. Vielen gilt sie als eine Art Weichenstellung im Pontifikat von Papst Franziskus.

Schon bei seinem allerersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms unmittelbar nach seiner Wahl hat Papst Franziskus angedeutet, dass sein Pontifikat im Zeichen der Kollegialität stehen würde. Er stellte sich den Massen auf dem Petersplatz nicht als Papst vor, sondern als „Bischof von Rom“. In den eineinhalb Jahren, die seither vergangenen sind, hat er viele Schritte gesetzt, die diesen ersten unterstützten. Die Sonderbischofssynode von 5. bis 19. Oktober kann als ein Höhepunkt in dieser Entwicklung angesehen werden.

Franziskus hat mehrmals - auch öffentlich - geäußert, dass er die Synode aufwerten wolle. Für die Ausübung seines Amtes sei es „mehr denn je nötig, die engen Verbindungen mit den Hirten der Kirche weiter zu beleben“, schrieb er etwa im vergangenen April in einem Brief an den Generalsekretär der Bischofssynode, Kardinal Lorenzo Baldisseri.

Geschaffen wurde die Bischofssynode zwar schon 1965 auf Anregung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Bisher gab es aus den 13 ordentlichen und zwei außerordentlichen Generalversammlungen kaum nennenswerte Ergebnisse. Die Idee, die ursprünglich hinter der Synode stand, ist es einerseits, den Papst zu beraten, und andererseits, die Beziehung zwischen dem Vatikan und den Ortskirchen zu intensivieren. Franziskus fühlt sich offenbar dieser Idee verpflichtet. Und deshalb ist diesmal einiges anders als bei den bisherigen Generalversammlungen.

Papst Franziskus vor Bischöfen

Reuters/Max Rossi

Papst Franziskus will der Bischofssynode mehr Gewicht verleihen

Gläubige erstmals mit einbezogen

Die größte Neuerung war die Umfrage, die im November 2013 zur Vorbereitung der Synode unter Katholikinnen und Katholiken in aller Welt durchgeführt wurde. Der Vatikan verschickte einen ausführlichen Fragebogen an alle nationalen Bischofskonferenzen - wie auch bei früheren Synoden. Neu war, dass der Fragebogen vom Vatikan im Internet veröffentlicht und daraufhin von vielen Bischofskonferenzen an die kirchliche Basis und Laienorganisationen weitergegeben wurde. Ob das vom Vatikan so gewollt war, oder aus einer Eigendynamik entstanden ist, ist bis heute unklar.

Jedenfalls ergab sich durch die Verbreitung des Fragebogens eine große Bandbreite an Antworten, die von einer einfachen Beantwortung durch die jeweilige Bischofskonferenz eines Landes bis zur Beteiligung einzelner Gläubiger via Internet reichte. Im Endeffekt nahmen somit Hunderttausende Menschen auf allen Kontinenten an der Befragung teil.

Kluft zwischen Lehre und Leben

Die Antworten waren eindeutig: Zwischen der Alltagsrealität der Menschen und der Morallehre der Kirche offenbarten sich grobe Differenzen. Auch zwischen den Antworten aus verschiedenen Regionen der Welt kamen höchst unterschiedliche Rückmeldungen. In Österreich gab es über 30.000 Antworten auf die Umfrage - mehr dazu in Vatikan-Umfrage: Lehre und Leben driften auseinander. Diese Diskrepanz floss auch massiv in das Arbeitsdokument zur Synode, das so genannte „instrumentum laboris“ ein, das im Juni veröffentlicht wurde.

Das 85-seitige Dokument soll als inhaltlicher Leitfaden für die zweiwöchigen Bischofsberatungen dienen. Es stellt fest, dass die Kenntnis der kirchlichen Positionen zur Familie „allgemein eher spärlich“ ist, und dass selbst jene Katholiken, die damit vertraut seien, Schwierigkeiten damit hätten, sie „ganz anzunehmen“.

Als Konsequenz plädierten viele der Bischöfe, die dem Vatikan die gesammelten Antworten auf die Befragung übermittelten, für „behutsame Aktualisierungen“ oder Änderungen der kirchlichen Praxis. Gleichzeitig aber sieht das „instrumentum laboris“ vor, dass die tradierte Lehre künftig besser vermittelt werden soll.

„Bessere Kommunikation“ statt echter Reform?

Auf diesen Punkt bezieht sich auch die Kritik an dem Dokument, die mancherorts geäußert wurde. Der deutsche Moraltheologe Konrad Hilpert etwa attestierte dem Arbeitspapier im Juli in einem Kommentar für das „Münsteraner Forum Theologie und Kirche“ ein hohes Maß an „Ambivalenz und Heterogenität“. Die „durchaus modernen pastoralen Zielsetzungen“ des Dokuments würden abgeschwächt, indem die von vielen Gläubigen wahrgenommene Kluft zwischen Lehre und Praxis allein auf mangelhafte Vermittlung zurückgeführt werde, so der Theologe.

Video-on-Demand

Das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ berichtete am Sonntag, 28.9., über die bevorstehende Synode.

Link zur Sendung

Die Herausforderungen in der heutigen Familienseelsorge seien zu komplex, um ihnen mit jenen Erklärungsmustern zu begegnen, die in dem Arbeitsdokument herangezogen würden, meint Hilpert. Dort werden zum Beispiel die neuen Technologien, der Einfluss der Massenmedien, eine „hedonistische Kultur“, Relativismus, Materialismus und Säkularismus für den „Relevanzverlust“ der Kirche in der Öffentlichkeit verantwortlich gemacht - mehr dazu in Kritik an Arbeitsdokument zur Familiensynode.

Sitzungssaal mit vielen Bischöfen

Reuters/Osservatore Romano

Die bisher letzte Generalversammlung der Bischofssynode fand 2012 - noch unter Benedikt XVI. - statt

Freie und offene Debatte

Neben der Umfrage gibt es noch einen weiteren Punkt, in dem sich diese Bischofssynode von den bisherigen unterscheiden wird. Der Papst hat die Teilnehmer nämlich gebeten, offen zu sprechen anstatt wie bisher vorgefertigte Statements zu verlesen. Franziskus wünsche sich eine freie und offene Diskussion, erklärte Synodensekretär Lorenzo Baldisseri Ende September.

Thematisch geht es bei der Synode durchaus um „heiße Eisen“. Darunter sind Fragen wie der kirchliche Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, Patchwork-Familien, homosexuellen Partnerschaften, die Sexualmoral, die Gefahren für die Stabilität von Familien - etwa materielle Armut und Migration -, die Situation älterer und verwitweter Menschen. Aber es geht auch um die Weitergabe des Glaubens in einem immer stärker säkularisierten Umfeld.

Vor allem zur seit langem diskutierten Frage des Sakramentenempfangs für wiederverheiratete Geschiedene bringen sich bereits seit einigen Wochen zwei klare Fronten in Stellung. Laut der offiziellen Lehre der katholischen Kirche ist dies nämlich bis heute verboten. Es gibt Hardliner, die dies uneingeschränkt beibehalten wollen, aber auch viele Bischöfe, die laut über eine Aufweichung nachdenken.

Kasper gegen Müller

Franziskus selbst hat sich zu dem heiklen Thema bisher nicht eindeutig positioniert. Allerdings beauftragte er bei einem Konsistorium im Februar im Vatikan den deutschen emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper mit einem Grundsatzreferat zu Ehe- und Familienseelsorge. Kasper, der seit Jahren immer wieder Offenheit in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen signalisiert hatte, plädierte in diesem Referat für Barmherzigkeit im Umgang mit konkreten Situationen und für eine Möglichkeit zu Buße und Umkehr.

Im krassen Gegensatz dazu steht ein Buch unter dem Titel „Das Verbleiben in der Wahrheit Christi: Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche“ von fünf Kardinälen - darunter der ebenfalls aus Deutschland stammende Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller. Die Veröffentlichung wurde für 1. Oktober - also unmittelbar vor der Synode - angekündigt.

In dem Buch betont Müller, dass die katholische Lehre keinen Spielraum für Änderungen im kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen lasse. Eine Zulassung dieser Personengruppe zur Kommunion sei nicht möglich, weil sie dem Dogma von der absoluten Unauflöslichkeit der Ehe widerspreche - mehr dazu in Geschiedene: Hardliner-Protest gegen Papst-Kurs.

Theologischer Krieg?

Kasper wiederum kritisierte die Veröffentlichung als theologische Kriegserklärung. "In der nächsten Synode wollen einige einen theologischen Krieg auslösen. Die Kirchendoktrin ist offen, aber einige wollen eine ‚eingefrorene‘ Wahrheit. Ziel der Polemik bin nicht ich, sondern der Papst“, sagte er in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Il Mattino“.

Zuletzt versuchte Kasper allerdings, die Wogen etwas zu glätten. Im Interview mit dem ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ bezeichnete er Medienberichte über einen „Krieg unter Kardinälen“ als „Unsinn“. „Da gibt es momentan unterschiedliche Meinungen, darüber muss man in aller Ruhe diskutieren.“

Generell sprach sich der Kardinal gegenüber der „Orientierung“ für regionale Lösungen aus: „Wenn es um die konkreten Anwendungen geht, kann man vielleicht allgemeine Kriterien aufstellen, aber die konkreten Lösungen müssen dann von Land zu Land oder von Kontinent zu Kontinent von den Bischofskonferenzen gefunden werden.“ Derartige regionale Zugeständnisse gibt es bereits - auch in Österreich, wo die Bischöfe schon 1980 feststellten, dass im Einzelfall kreative Lösungen nach einem Gespräch mit einem erfahrenen Seelsorger möglich seien.

Keine konkreten Entscheidungen zu erwarten

Konkrete Entscheidungen sind von der außerordentlichen Bischofssynode trotz allem nicht zu erwarten, ist sie doch nur als Vorbereitung auf die ordentliche Generalversammlung im Oktober 2015 gedacht. Das diesjährige Treffen soll die Fragestellungen konkreter machen, damit diese dann ein Jahr lang in den einzelnen Diözesen und Bischofskonferenzen diskutiert werden können.

Dennoch wird die Synode Rückschlüsse auf die Zukunft der katholischen Kirche zulassen - zwar nicht auf inhaltlicher, aber auf struktureller Ebene. Vor allem in Bezug auf das Verhältnis des Papstes zu den Bischöfen können die Beratungen durchaus als Weichenstellung angesehen werden. Papst Franziskus hat seine Vision einer kollegial geführten Kirche bereits mehrmals deutlich gemacht. Die Synode wird zeigen, ob sie sich auch umsetzen lässt.

religion.ORF.at/KAP

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