Islam: Zivilgesellschaftlicher Aufruf zu Besonnenheit

„Die UnterzeichnerInnen dieses Briefes rufen zu Besonnenheit und Sachlichkeit in einer Atmosphäre der Panikmache auf“, heißt es in einem von Universitätsprofessoren und Politikern signierten Aufruf.

„Anders als bei vielen anderen Islam-Debatten, die von islamfeindlichen Argumentationen durchzogen sind, ist derzeit eine Besonderheit festzustellen. Nicht nur populistische Politik wird auf dem Rücken hier lebender MuslimInnen gemacht, auch politische Behörden scheinen das Gleichgewicht zu verlieren“, so das Schreiben. Zu den Unterstützern des Aufrufs zählen unter anderem der emeritierte Professor für katholische Religionspädagogik an der Universität Wien, Martin Jäggle, der Geschäftsführer des Flüchtlingsdienstes der Diakonie, Christoph Riedl, und die Theologin und Assistenzprofessorin an der Uni Wien Regina Polak.

"Die UnterstützerInnen wehren sich auch gegen Vorstöße Verantwortlicher in der Bildungspolitik, die die österreichische LehrerInnenschaft dazu aufgerufen haben, Verdachtsfälle zu „melden" und damit unbescholtene Jugendliche zu kriminalisieren. Damit geraten junge MuslimInnen unter gesellschaftlichen Generalverdacht“, heißt es weiter. Weiters kritisiert wird die „damit einhergehende Einschränkung der Religionsfreiheit sowie die Versuche, das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche aufzuheben, wenn der Staat in autonome Angelegenheiten einer Religionsgesellschaft eingreift, indem etwa ein sogenannter Einheitskoran verlangt wird“.

Gegen „Ausgrenzung von Musliminnen“

Die mediale und politische Auseinandersetzung habe eine breite gesellschaftliche Resonanz gefunden und fördert die „Ausgrenzung von MuslimInnen, ja sogar von vermeintlichen AnhängerInnen des Islams, die fälschlicherweise mit dem Terror des IS identifiziert werden“, so das vom Innsbrucker Uni-Professor Peter Stöger und der früheren Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung (BJV) Dudu Kücükgöl initiierte Schreiben.

„So klar wir uns von allen Gewaltideologien distanzieren, die im Namen Gottes, einer Religion oder auch des Islams zu Gewalttaten aufrufen, so sehr lehnen wir auch die pauschale Verdächtigung oder Aburteilung von MuslimInnen ab“, so der „Aufruf zu Besonnenheit und Sachlichkeit“ weiter.

„Wir rufen JournalistInnen, PolitikerInnen und LehrerInnen auf, in ihrer täglichen Arbeit zu Sachlichkeit und Besonnenheit beizutragen“, schreiben die Unterzeichnenden abschließend. Die Petition kann auf der Website www.mehrbesonnenheit.at unterstützt werden. Unter den insgesamt 75 als „ErstunterzeichnerInnen“ auftretenden Mitwirkenden an dem Schreiben befinden sich weiters Universitätsdozent und Journalismusforscher Fritz Hausjell, die Nationalratsabgeordneten Eva Mückstein (Grüne) und Nurten Yilmaz (SPÖ) und der evangelische Landessuperintendent Thomas Hennefeld.

Schönborn: „Verbale Deeskalation“

Zu einer „verbalen Deeskalation“ in der gegenwärtigen Asyl-Debatte hat auch Kardinal Christoph Schönborn aufgerufen. Das Thema sei „sehr emotional“, weshalb es nötig sei, in der gemeinsamen Suche nach Lösungen „möglichst offen und ehrlich“ die Realität anzusehen, „welche noch viel schwieriger werden wird als sie jetzt ist“, so der Wiener Erzbischof am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien.

Derzeit sei eine „Völkerwanderung“ im Gange, die sich Europa durch seine „demografischen Defizit einerseits und seinen immensen Wohlstand andererseits“ selbst zuzuschreiben habe, betonte Schönborn. Künftig würden noch mehr Menschen als bisher auf der Suche nach Sicherheit, Wohlstand und Lebensmöglichkeit „durch alle Poren nach Europa hereindringen - und wir werden damit leben müssen“. Ohnehin sei Migration jedoch längst Teil der europäischen Realität. Mehr noch: Die europäischen Sozialsysteme würden ohne Migration zusammenbrechen.

„Zusammenstehen“ in Flüchtlingsfrage

Schönborn rief angesichts derzeitiger Flüchtlingsnöte zu einem „Zusammenstehen“ aller Beteiligten auf. Österreich habe schon in der Vergangenheit sehr viel schwierigere Situationen bewältigt, so der Erzbischof mit Verweis auf die Ungarnkrise - „alles war voll mit Flüchtlingen, Turnsäle und Pfarrhöfe“ - sowie die Bosnienkrise - „in jeder zweiten Pfarre waren in den Pfarrsälen Flüchtlinge untergebracht“. Derart dramatisch sei die Situation derzeit nicht, „doch es wird nicht weniger werden“.

Mit Blick auf die Reaktion der katholischen Kirche verwies Schönborn auf seinen gemeinsam mit Caritas-Präsident Michael Landau verfassten Brief an alle 492 niederösterreichischen Pfarren der Erzdiözese Wien mit der dringenden Bitte um Aufnahme um Flüchtlinge, wo das möglich sei. Schon bisher geschehe in den Pfarren hinsichtlich der Unterbringung und Hilfe für Flüchtlinge schon viel, „auch wenn dies politisch nicht immer wahrgenommen wird“, so der Erzbischof.

religion.ORF.at/KAP

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