Kasper: Das Evangelium ist kein Strafgesetzbuch

„Das Evangelium ist kein Strafgesetzbuch“, sagte der deutsche Kardinal Walter Kasper der deutschen Wochenzeitung „Zeit“ im Vorfeld der am Sonntag in Rom beginnenden Familien-Synode.

Der Papst-Vertraute Kasper fordert vor der Familiensynode in Rom eine Erneuerung der katholischen Ehe- und Sexualmoral. Er fordert seine Kirche auf, den Menschen „hilfreich zur Seite zu stehen, auch in Konflikten“. Mit Blick auf die erneuerungsfeindlichen Kräfte im Vatikan sagte Kasper in einer Vorabmeldung der „Zeit“ am Donnerstag: „Kirche kann nur Kirche sein für die Menschen – nicht gegen sie. Das Evangelium ist kein Strafgesetzbuch.“ Kasper: „Gott ist treu, auch wenn wir untreu sind“, und weiter: „Die christliche Ehe ist keine Doktrin, sondern ein Angebot.“

Damit sprach sich Kasper klar für einen Kurs der Öffnung in der katholischen Ehe- und Sexualmoral aus, wie ihn auch Papst Franziskus favorisiert. Der Papst, der die außerordentliche Synode anberaumt hat, berief den emeritierten Kurienkardinal Kasper zum Teilnehmer.

Verbotsmoral revidieren

Kasper sagte zum Prozedere: „Ich halte es für einen Fortschritt, dass wir überhaupt offen streiten.“ Er forderte seine Kirche auf, ihre Verbotsmoral zu revidieren: „Sexualität ist nichts Negatives, sondern ein Geschenk Gottes.“ Die Kirche dürfe die Worte Jesu „nicht fundamentalistisch auf heute anwenden. Wir müssen sie auf unsere Situation übertragen und dabei mehr als bisher auf die Laien hören.“

Damit wendet sich Kasper gegen die Bevormundung des Kirchenvolkes durch die Kirchenführung: „Wir müssen neu lernen, dass nicht jede Antwort von oben kommt.“ Der Papst wolle eine dialogische Kirche. Das heiße: „Lieber eine streitende Kirche, als eine schlafende.“ Streit gehöre zur pluralistischen Gesellschaft. „Wir dürfen das, was wir für die Wahrheit halten, niemandem auferlegen. Wir können es nur zu bedenken geben.“

Vergleich mit Orthodoxie

In einem anderen Interview machte Kardinal Kaspar jedoch deutlich, dass das Modell der Orthodoxie mit der katholischen Kirche inkompatibel sei. Von der Praxis einiger orthodoxer Kirchen könne man zwar „etwas lernen“, sagte Kasper in einem Interview der italienischen Tageszeitung „Avvenire“ (Donnerstag-Ausgabe).

Er glaube jedoch nicht, dass dieses Modell als solches auf die katholische Kirche übertragbar sei. Dagegen spreche auch, dass einige Elemente der orthodoxen Praxis nicht aus der Bibel abgeleitet seien, sondern aus dem kaiserlichen byzantinischen Recht.

Zweite Beziehung auf Tagesordnung der Synode

Der Vorschlag, eine zweite Beziehung nach dem Scheitern einer Ehe gemäß orthodoxem Vorbild kirchlich zu segnen, hatte zur Überraschung vieler Beobachter auch Eingang in das Arbeitspapier der Weltbischofssynode gefunden, die am Sonntag im Vatikan beginnt.

Zugleich werden hier jedoch auch Vorbehalte und ablehnende Stellungnahmen hierzu referiert. Grundlage für das Arbeitspapier bildeten die Rückmeldungen auf die vatikanische Umfrage zu Familie, Ehe und Sexualität. Die Außerordentliche Synode über die Familie tagt vom 5. bis 19. Oktober im Vatikan.

religion.ORF.at/KAP

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