IGGiÖ distanziert sich von Islamgesetz

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Fuat Sanac, hat Freitagabend verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Entwurf für das neue Islamgesetz geäußert und sich davon distanziert.

Für Sanac wird der Gleichheitsgrundsatz mehrfach verletzt, etwa durch das Verbot ausländischer Finanzierung im Zuge des Versuchs, „ausländische Imame aus dem Land draußen zu halten“. Bezüglich einer gemeinsamen Lösung wandte sich Sanac in seiner Rede bei der Balkankonferenz der IGGiÖ Freitagabend an Bundespräsident Heinz Fischer.

Fuat Sanac, Vorsitzender der Islamischen Glaubensgemeinschaft

APA/Herbert Neubauer

Fuat Sanac, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ)

„Die Zusammenarbeit zwischen der Islamischen Glaubensgemeinschaft und den Behörden - bis vor kurzer Zeit - war immer getragen vom Geist des Respektes, der Bemühung, aufeinander zuzugehen, miteinander Lösungen zu finden“, sagte Sanac über das Vorgehen der Regierung bei Gestaltung und Präsentation des neuen Islamgesetzes. Die letzten Irrungen in manchen muslimischen Ländern hätten leider auch in Österreich ihre Auswirkungen gezeigt und einige Menschen in Österreich verunsichert, meinte er.

„Nicht einverstanden“

Sanac appellierte in der Debatte an Vernunft und Besonnenheit. „Wir sind mit dem Entwurf des Islamgesetzes nicht einverstanden. Er wurde ohne eine Abstimmung mit der muslimischen Basis und mit neu aufgenommenen Verschärfungen präsentiert“, sagte der IGGiÖ-Präsident. Es müsse im gemeinsamen Interesse liegen, dass Prinzipien - wie der Gleichheitsgrundsatz und die Verhältnismäßigkeit - durchgehend berücksichtigt werden: „Denn nur so kann die positive Tradition der Anerkennung des Islam, die Österreich auch auswärts zum Modellland im Umgang mit dem Islam gemacht hat, fortgeführt werden.“

Sanac will zudem mehr Mitspracherechte für die IGGiÖ bei der Bestellung von Lehrpersonal an der Universität. Auch ein Schweigegebot - ähnlich dem Beichtgeheimnis - für Imame und Seelsorger parallel zu jenem der Priester, Pfarrer und Rabbiner sei nicht vorgesehen. „Derartiges findet sich bei keiner anderen anerkannten Religionsgesellschaft“, so Sanac, ein „Unterton von Misstrauen“ verletze viele Muslime.

Die IGGiÖ will nun in den kommenden Wochen die Gelegenheit nutzen, „diese auch verfassungsrechtlich bedenklichen Schieflagen des Entwurfes zu bereinigen“. „In der guten österreichischen Tradition des Dialogs und der Konsensorientiertheit soll uns das gemeinsam gelingen, damit wir nicht erleben müssen, wie das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten wird“, wandte sich Sanac an die Teilnehmer der Konferenz und explizit an Bundespräsident Fischer.

Regierung verteidigt Entwurf

Die Regierung hat nach der harten Kritik der IGGiÖ ihren Entwurf des Islamgesetzes verteidigt. Der Verfassungsdienst sehe keine Probleme, hieß es am Freitag gegenüber der APA aus dem Kultusministerium von Josef Ostermayer (SPÖ). Die IGGiÖ sei in den Prozess zudem immer voll eingebunden gewesen, sagte auch ein Sprecher von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP).

Sowohl mit Vertretern der IGGiÖ als auch der Aleviten (ALEVI) und der Schiitischen Glaubensgemeinschaft (SCHIA) habe man bei mehreren Terminen den Gesetzestext eingehend besprochen, betonte man in den beiden Ministerien. Und zwar auch bei einer abschließenden Besprechung Ende September, wo IGGiÖ-Präsident Sanac einen Vertreter entsandt hatte. Seien von ALEVI und SCHIA noch Einwände vorgebracht worden, welche die Organisationen im Begutachtungsprozess ausformulieren wollen, habe die IGGiÖ keine Kritik geäußert.

Auch den Vorwurf, der derzeit in Begutachtung stehende Entwurf zum neuen Islamgesetz verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, will man in den Büros von Ostermayer und Kurz nicht auf sich sitzen lassen. Das Gesetz sei „in enger Abstimmung mit dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt und weiteren Experten“ erfolgt. Verfassungsrechtliche Bedenken habe es keine gegeben.

Religionsrechtler Potz sieht viele Baustellen

Auch der Wiener Religionsrechtsexperte Richard Potz hatte sich kürzlich kritisch zum Islamgesetz geäußert. Im Interview mit der Wochenzeitung „Die Furche“ ortete er einige Baustellen in dem Begutachtungsentwurf. So sei etwa die Hereinnahme der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft problematisch.

Die Aleviten seien in vielen Bereichen durchaus anders als der sunnitische und schiitische Islam. So werde man etwa zwei unterschiedliche Formen des Religionsunterrichts anbieten müssen. Auch beim Lehrpersonal für die vorgesehene Islamische Theologie an der Universität Wien könne es Probleme geben, wenn man sich auf die Besetzung der Stellen einigen müsse. Seines Erachtens wäre ein eigenes Alevitengesetz sinnvoller gewesen, so Potz weiter.

Problematisch sei auch, dass das Gesetz darauf abziele, dass die Lehre einer potenziellen neuen Religionsgesellschaft nicht ident mit der einer bestehenden sein darf. „Diese Differenzierung ist heikel, weil zwangsläufig der Staat entscheiden muss, ob sich zwei Gruppierungen genügend voneinander unterscheiden“, so der Experte. Und das könne nicht Aufgabe des Staates sein. Wenn zwei Gruppierungen nicht miteinander arbeiten könnten, aber das Gleiche glaubten, könne der Staat nicht eine anerkennen und die andere nicht. Er halte diese Bestimmung daher für verfassungswidrig, so Potz.

Dilemma Fremdfinanzierung

In Bezug auf das Verbot der Finanzierung aus dem Ausland räumte Potz ein Dilemma ein. Einerseits gehöre die Vermögensverwaltung unbestritten zu den inneren Angelegenheiten von Kirchen und Religionsgesellschaften: „Und da darf sich der Staat nicht einmischen.“

Andererseits stelle aber das Ausmaß der Finanzierung einiger islamischer Einrichtungen in Österreich aus dem Ausland, insbesondere aus der Türkei und aus arabischen Staaten, „ein beachtliches Problem“ dar und erhalte bereits eine politische Dimension, „die für einen souveränen Staat nicht unbedenklich ist“. Dieses gebe es bei anderen Religionsgesellschaften einfach nicht. Er wisse freilich selbst auch keine Alternative, um diese Problematik in den Griff zu bekommen, gestand der Religionsrechtler ein.

religion.ORF.at/APA/KAP

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