Evangelische Kirche: Schwindendes Interesse an Religion

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sieht ihr Fundament durch ein schrumpfendes Interesse an Religion bedroht. Als Grund ortet man zu viele „Äquivalente für Religion“.

„Ein konstruktives Interesse an Religion findet sich immer weniger in der Gesellschaft“, sagte der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD in Hannover, Gerhard Wegner, der Nachrichtenagentur dpa. „Dass man bejaht, ja, wir brauchen Religion, das findet man immer seltener.“

Wegner: „Der Hauptpunkt ist, es gibt heute viele Äquivalente für Religion, die für Sinnstiftung und Zufriedenheit sorgen.“ Konsum, Unterhaltung und Sport seien in der Wohlstandsgesellschaft für viele an die Stelle von Religion getreten. „Man braucht nicht mehr Religion, um zufrieden und glücklich zu sein.“ Mit der gestiegenen Lebenserwartung und erweiterten Lebensmöglichkeiten sei die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, worauf die Kirche traditionell Bezug genommen habe, verblasst.

„Da geht es ans Eingemachte von Kirche“

Hauptproblem der Kirche seien nicht die Austritte, sondern die sinkende Zahl von Taufen. „Das Interesse an religiöser Erziehung wird weniger, bis hin zur Taufe“, sagte der Theologe. „Da geht es ans Eingemachte von Kirche.“ Gerade in Großstädten sänken auch die Anmeldungen zum Konfirmandenunterricht, den früher sämtliche getauften Kinder besucht hätten. „In der Öffentlichkeit hat man den Eindruck, dass Religion geradezu peinlich ist.“ Es gebe einen Rückzug der Religion aus der öffentlichen Debatte.

Dom Sankt Mauritius und Sankt Katharinen in Magdeburg

APA/dpa/Jens Wolf

Einen Rückzug der Religion aus der öffentlichen Debatte ortet die Evangelische Kirche in Deutschland

Trotzdem habe das Wort der Kirche weiterhin Gewicht. „Wenn Kirche sich kompetent äußert und nicht auf Moralismus macht, wird sie schon gehört“, sagte Wegner. Die gemeinsam mit der katholischen Kirche verfasste wirtschaftskritische Sozialinitiative vom Februar etwa sei auf breite Resonanz gestoßen. „Das Gefühl, dass Kirche in der Gesellschaft wahrgenommen wird, haben wir schon.“ Der Staat brauche Religion als Ressource für Wertedebatten. Zudem habe Religion eine positive Rolle, weil sie den Blick der Menschen auf das Allgemeinwohl richte.

Glaube braucht „gefühlsmäßige Vertrauensbasis“

Dem wachsenden Desinteresse der Religion entgegen stehe ein hohes Ansehen kirchlicher Kindertagesstätten und Schulen, sagte der Institutsdirektor. „Dort müssen wir stärker ansetzen.“ Denn das Interesse an Religion entstehe in der Regel in der frühen Kindheit. „Diese erste Berührung mit Religion ist entscheidend.“ Glaube brauche eine gefühlsmäßige Vertrauensbasis.

Das vor zehn Jahren aus Vorgängereinrichtungen geschaffene Institut der EKD untersucht unter anderem die Verankerung der Kirche in der Gesellschaft und die Bindung der Gläubigen zu ihrer Kirche. Auslöser waren die Umbrüche in der Gesellschaft durch die 68er-Bewegung und in Folge erstmals umfangreiche Kirchenaustritte. Außerdem befasst sich das Institut mit Armut und Gerechtigkeit sowie Grundfragen evangelischer Sozialethik.

religion.ORF.at/dpa

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