Vatikan: Beratungen über Lage in Nahost

Auf Einladung von Papst Franziskus sind am Montag die in Rom anwesenden Kardinäle und Patriarchen zu einem Konsistorium zusammengetreten, in dessen Mittelpunkt die aktuelle Lage im Nahen Osten stand.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin informierte bei dem Konsistorium die Kardinäle über ein Treffen, zu dem Anfang Oktober die Vatikanbotschafter aus den Nahoststaaten in Rom zusammengekommen waren. Mit der Erweiterung des Konsistoriums um dieses Krisenthema wolle der Vatikan die Dringlichkeit des Anliegens unterstreichen und es zu einem wichtigen Thema für die gesamte Weltkirche machen, hieß es in Rom. In einer Abschlusserklärung hatten die Nuntien am 3. Oktober die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu stoppen.

Erstmals in der Kirchengeschichte waren zum Konsistorium auch die Patriarchen der mit Rom unierten Nahost-Kirchen eingeladen. Sie erwarteten sich von dem Treffen einen Weckruf für die Tragödie der Christen in der Region. Man arbeite an einer „panchristlichen Erklärung“, auch ein Treffen mit islamischen Religionsführern sei angedacht, sagte der melkitische Patriarch Gregorios III. Laham aus Damaskus am Sonntag in Wien vor seiner Abreise nach Rom.

Papst fordert „angemessene Antwort“ auf Terror

Papst Franziskus zeigte sich am Montagvormittag bei dem Treffen äußert besorgt über die Lage der Christen im Nahen Osten, vor allem im Irak und Syrien. „Wir erleben einen Terrorismus von einer zuvor unverstellbaren Dimension“, sagte er. Viele Christen würden verfolgt und seien auf brutale Weise vertrieben worden. Das dürfe niemanden gleichgültig lassen. Die internationale Gemeinschaft müsse auf diese Herausforderung eine „angemessene Antwort“ geben.

Ein Naher Osten ohne Christen sei unvorstellbar, betonte der Papst. Einer solchen Perspektive dürfe man nicht nachgeben. Daher müsse die Kirche alles Mögliche tun, um die christliche Gemeinschaft bei ihrem Verbleiben in der Region zu unterstützen. „Mir scheint, dass das Bewusstsein um den Wert des menschlichen Lebens verloren gegangen ist“, so Franziskus. „Es scheint, dass die Person nichts zählt und dass man sie anderen Interessen opfern darf.“

Appell an UNO: Weitere Völkermorde verhindern

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin appellierte indes direkt an die UNO, weitere Völkermorde zu verhindern. Die Konflikte im Nahen Osten stellen sich „immer deutlicher als eine der ernsthaftesten Bedrohungen internationaler Stabilität“ heraus, so Parolin.

„Massenhinrichtungen, Enthauptungen von Andersdenkenden, Verkauf von Frauen auf dem Markt, Kindersoldaten, Zerstörung von Kultorten - das alles hat Hunderttausende zur Flucht gezwungen. Wir verurteilen nicht nur diese Verletzungen des humanitären Völkerrechts, sondern der grundlegendsten Rechte überhaupt, und fordern ein Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr und auf ein Leben in Würde und Sicherheit im eigenen Land und in der eigenen Nachbarschaft. Das ist ein Recht, das von der internationalen Gemeinschaft wie von den Staaten garantiert werden muss“, betonte Parolin.

„Umfassende regionale Lösung“ nötig

Friede lasse sich im Nahen Osten allerdings nicht „unilateral“ herstellen, sondern nur mit einer „umfassenden regionalen Lösung“. Für eine „Stabilisierung der ganzen Region“ wäre eigentlich ein Ende des israelisch-palästinensischen Konflikts „dringend nötig“; entsprechende „diplomatische Bemühungen“ müssten jetzt forciert werden.

Auch der Iran sollte an einer Lösung für die Probleme im Nahen Osten beteiligt werden, so der Kardinalstaatssekretär. Mit den US-Luftschlägen auf Stellungen des „Islamischen Staats“ zeigte er sich nicht ganz zufrieden - und zwar, weil US-Präsident Barack Obama sich nicht um ein Mandat der Vereinten Nationen bemüht habe.

Auch großes Interesse an Versöhnung in Sri Lanka

Neben den Beratungen über den Nahen Osten hatte das Konsistorium auch die Aufgabe, zwei Heiligsprechungen abzusegnen. Es handelt sich dabei um den indischen Oratorianer-Missionar Joseph Vaz (1651-1711) und die neapolitanische Ordensgründerin Maria Cristina Brando (1856-1906). Märtyrerbischof Vaz (1651-1711) war der „Apostel von Nakara und Sri Lanka“. Die Seligsprechung des Bischofs hatte Papst Johannes Paul II. bei seinem Sri-Lanka-Besuch 1995 vorgenommen.

Die Seligsprechung von Vaz könnte im Tamilengebiet von Sri Lanka erfolgen. Franziskus ist der zweite Papst, der das Land besucht, aber er wird der erste sein, der seinen Fuß in das tamilisch besiedelte Nordterritorium setzen wird, das jahrzehntelang vom Bürgerkrieg schwer betroffen war. Das meldete vor kurzem das römische Webportal „Vatican Insider“ unter Berufung auf die Besuchsorganisatoren. Johannes Paul II. hatte im Zuge seiner Asienreise 1995 nur die singhalesisch bevölkerte Hauptstadt Colombo besucht.

religion.ORF.at/KAP/APA