Islamgesetz: Laut Vatikan-Mitarbeiter „Meilenstein“

„Das neue österreichische Islamgesetz stellt einen weiteren Meilenstein im gesetzlichen Schutz von Religionsgemeinschaften dar“, schreibt Michael Weninger in der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“.

Der ehemalige österreichische Spitzendiplomat Weninger ist Priester der Erzdiözese Wien und arbeitet seit zwei Jahren im „Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog“, wo er für den Dialog mit dem Islam in Europa und Zentralasien zuständig ist.

Weninger verweist darauf, dass das seit 1912 geltende Islamgesetz „erneuerungsbedürftigt“ sei und hält fest, dass die „damalige Vorreiterrolle“ in der Regelung der Beziehungen zwischen Staat und Islam mit dem neuen Gesetz „erfolgreich weitergeführt“ werde. „Kritik wird es wohl geben“, schreibt der vatikanische Islam-Experte, aber sie schärfe den Blick für die Sache und sei hilfreich für die Ausformulierung wichtiger Details.

Michael Weninger vom "Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog“

Rupprecht@kathbild.at

Michael Weninger vom "Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog“

Lehre und Einrichtungen unter gesetzlichem Schutz

Mit den Regelungen im vorliegenden Islamgesetz seien Lehre und Einrichtungen der Muslime unter gesetzlichen Schutz gestellt, hält Weninger fest und sieht darin auch eine erleichterte Eingliederung von Angehörigen einer religiösen Minderheit in die Mehrheitsgesellschaft.

„Solcherart wird eine rechtlich gesicherte und von autonomer Freiheit bestimmte Entwicklung garantiert, die eine (selbst)ausgrenzende Parallelvergesellschaftung verhindern wird können“, resümiert der Kurienbedienstete.

Pro Oriente: IGGiÖ soll Glaubensgrundlage darlegen

Unterstützung für das in Begutachtung stehende Islamgesetz kommt auch von der kirchlichen Stiftung „Pro Oriente“. Konkret begrüßt deren Präsident Johann Marte die geplante gesetzliche Verpflichtung, wonach in Paragraf 6 eine „Darstellung der Lehre, einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran) in deutscher Sprache“ durch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) gefordert ist.

„Die Tatsache, dass der Islam mehr sein will als eine Religion - nämlich eine religiöse und politische Ordnung in Einem, mit einem kultischen, politischen und sozialen Regelwerk - unterstreicht noch einmal das Erfordernis der verbindlichen Offenlegung der Glaubensgrundlagen“, hält er in einer schriftlichen Stellungnahme am Freitag gegenüber „Kathpress“ fest.

Marte mahnt ein, dass der Islam in Österreich seine Stellung „zum Grundproblem Gewalt“, zum Dschihad, zum Ehe- und Familienrecht und zur Religionsfreiheit klar und verbindlich gegenüber der Republik darlegen soll. Die Stellung zur Religionsfreiheit sei wichtig. Denn „das islamische Recht (Sharia) sieht bekanntlich für die Konversion aus dem Islam die Todesstrafe vor“, so Marte.

Widerspruch zu Theologen

Der „Pro-Oriente“-Präsident widerspricht damit jenen österreichischen Theologen und Juristen, die in dieser Woche Kritik an zentralen Punkten des geplanten neuen Islamgesetzes geübt haben, unter anderem an der Bestimmung über die geforderte Darstellung der Glaubenslehre. Marte wendet demgegenüber ein, dass diese Kritik „an der Ratio eines Religionsgesetzes vorbeigeht“ und in der Begründung „nicht stichhältig“ sei.

Weil das in den Paragrafen 2 und 4 von der Lehre und den Gebräuchen des Islam die Rede, die mit dem staatlichen Recht nicht im Widerspruch stehen dürfen, brauche es zum Vollzug des geplanten Gesetzes eine verbindliche Darlegung ebendieser, folgert Marte.

Übersetzung des Koran sei zu wenig

Die Kenntnis der Glaubensgrundlagen der anzuerkennenden islamischen Religionsgesellschaft in Österreich erscheine umso dringlicher, wenn man bedenke, dass der Islam als religiöse und politische Ordnung mehr sein wolle als nur eine Religion. Für Marte erscheint auch eine Übersetzung des Korans allein „zu wenig“.

Wörtlich meint der Ökumene- und Religionsexperte: „Übersetzungen des Koran gibt es viele. Aber kein Kenner des Koran und der islamischen Literatur wird überzeugend verneinen können, dass gewisse Koran-Übersetzungen und Kommentare, z.B. der vielbändige Kommentar von Sayyid Khutb ‚Fizilal al-Koran‘ (Im Schatten des Koran), eine Auslegung bestimmter Verse des Koran bieten, die in ihrem Gehalt unseren rechtsstaatlich-demokratischen Vorstellungen widersprechen bzw. sie unterminieren oder implizit angreifen.“

Während die authentische christliche Lehre in Katechismen und Synodalbeschlüssen jedermann zugänglich sei, fehle - besonders im sunnitischen Islam - eine vergleichbare lehramtliche Institution. Marte macht darauf aufmerksam, dass der geforderte Verzicht auf die Darlegung der Lehre und der wesentlichen Glaubensgrundlagen „den ernsthaften interreligiösen Dialog (zu dem es ja keine Alternative gibt) vehement erschweren, wenn nicht überhaupt unmöglich machen“ würde.

IS wird verurteilt, aber nicht Prinzip des Dschihad

„Fast wichtiger“ als die Vorlage von Übersetzungen des Koran und der Hadithen erscheint für Marte die Darlegung der Glaubensgrundlagen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) zu einzelnen Themen. Konkret nennt der „Pro Oriente“-Präsident das Grundproblem Gewalt.

Es sei akut geworden durch die Losung „Der Islam ist die Lösung!“, die eine Rückkehr zu den Ursprüngen impliziere. Bei dieser „Rückkehr“ werde man allerdings mit einem kriegerisch-expansiven Islam konfrontiert, der (im Koran) „zum Töten zur Ehre Allahs nicht nur legitimiert, sondern dies vorschreibt, wenn Interessen des Islam, die mit denen Gottes gleichgesetzt werden, durchgesetzt werden sollen“. In diesem Zusammenhang müsse man bedenken, dass die Heiligen Schriften des Islam „keinen generellen Gewaltverzicht“ kennen.

Bekenntnis zum Dschihad

Deutlich sollte sich die IGGiÖ auch zum Dschihad erklären, weil er eine Pflicht jedes Muslim sei, „selbst für den, der dazu abgeneigt ist (laut Sure 2:193 und 9:5)“. Marte weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass jene muslimischen Organisationen, die den IS verurteilten, das Prinzip des militärischen Dschihad („Kampf und Töten auf dem Wege Gottes“) nicht verurteilt hätten.

Zudem sollte die Darlegung der Glaubensgrundlagen auch die Haltung zum Ehe- und Familienrecht und zur Religionsfreiheit enthalten. „Das islamische Recht (Sharia) sieht bekanntlich für die Konversion aus dem Islam die Todesstrafe vor“, hält Marte fest.

Über „Pro Oriente“

Mit „Pro Oriente“ hat sich erstmals eine Institution der Katholischen Kirche zum Islamgesetz zu Wort gemeldet. Die international renommierte Stiftung wurde vor 50 Jahren vom Wiener Erzbischof Kardinal Franz König gegründet.

Sie arbeitet seither vor allem auf wissenschaftlicher Ebene an der Überwindung der Spaltung zwischen Römisch-Katholischer Kirche und Orthodoxen bzw. Orientalisch-Orthodoxen Kirchen. Durch den damit verbundenen geografischen Schwerpunkt beschäftigt sich „Pro Oriente“ u.a. regelmäßig mit der Situation von Christen in islamisch dominierten Ländern.

religion.ORF.at/KAP

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