Gewalteskalation in Jerusalem: Tempelberg geschlossen

In Jerusalem sind die Spannungen um den Tempelberg eskaliert. Nach dem Attentat auf einen jüdischen Ultranationalisten erschoss die Polizei Donnerstagfrüh einen verdächtigen Palästinenser. Das für Juden und Muslime heilige Felsplateau wurde abgeriegelt.

Weitere Polizeikräfte wurden mobilisiert. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas sprach von einer „Kriegserklärung“. Das Attentatsopfer Jehuda Glick schwebte am Donnerstag weiter in Lebensgefahr. Der religiöse Ultranationalist und Rabbi wurde am Mittwochabend vor dem Begin-Center niedergeschossen. Er hatte zuvor an einer Konferenz über die jüdischen Ansprüche auf das Plateau teilgenommen, auf dem sich die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom, ein islamischer Schrein, befinden.

Betreten für Juden verboten

Der Tempelberg ist ein Hügel mitten in der Altstadt von Jerusalem. Der Ort ist Juden und Muslimen heilig, doch nur Muslimen ist das Gebet dort erlaubt. Die muslimischen Stätten auf dem Plateau werden von einer dem jordanischen Königshaus unterstellten muslimischen Stiftung verwaltet. Bis zur Zerstörung durch die römische Armee im Jahr 70 war dort der Zweite Jüdische Tempel, das Zentralheiligtum des Judentums, gestanden.

Polizei am Tempelberg in Jerusalem

APA/EPA/Mahfouz Abu Turk

Polizei am Tempelberg in Jerusalem

Erneute Bestrebungen ultranationalistischer Juden, am Tempelberg Gebetsrituale zu verrichten und Vorbereitungen für den Bau eines neuen jüdischen Tempels zu treffen, hatten in den vergangenen Wochen zu Krawallen geführt. Das israelische Oberrabbinat untersagt es Juden allerdings eigentlich „wegen der Heiligkeit des Ortes“, den Tempelberg zu betreten.

Heiligtum zweier Religionen

Den teils künstlich aufgeschütteten Hügel in der Südostecke der Jerusalemer Altstadt nennen die Juden Tempelberg und die Muslime „Das edle Heiligtum“ (Haram al-Scharif). Dort befanden sich die Haupttempel der Könige Salomon und Herodes. Heute stehen auf der rechteckigen Hochfläche die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom, der Prophet Mohammed soll von dort seine Himmelfahrt angetreten haben. Für den Islam ist dies nach Mekka und Medina die drittheiligste Stätte.

Nachbarn des erschossenen Palästinensers berichteten, es handle sich um den 32-jährigen Muatas Hidschasi. Die radikale Palästinenser-Organisation Islamischer Dschihad" teilte mit, er sei Mitglied ihrer Organisation: „Der Islamische Dschihad betrauert seinen Märtyrer Muatas Hidschasi, der bei einem Gefecht mit Besatzungskräften getötet wurde“, hieß es in einem Schreiben der Gruppierung in Gaza-Stadt.

Protestmärsche in Richtung Klagemauer

In der gesamten Jerusalemer Innenstadt wurden Sicherheitskräfte mobilisiert, um Unruhen zu unterbinden. Rechtsradikale jüdische Gruppen mobilisierten am Vormittag ihre Mitglieder zu Protestmärschen in Richtung Klagemauer, die den Tempelberg westlich abschließt, und zur Al-Aksa-Moschee. Daraufhin wurde das Felsplateau komplett von der Polizei abgeriegelt.

Rabbi Jehuda Glick blickt auf den Tempelberg in Jerusalem, Jänner 2010

APA/EPA/Miri Tsachi

Rabbi Jehuda Glick

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte, er habe Maßnahmen angeordnet, um die Sicherheit in Jerusalem und den Status quo der heiligen Stätten aufrecht zu erhalten. Zunächst sei es nötig „die Flammen zu löschen“, sagte Netanyahu. „Keine Seite sollte das Recht selbst in die Hand nehmen.“

Der palästinensische Präsident Abbas machte die israelische Regierung für die Gewalteskalation der vergangenen Monate in Ost-Jerusalem verantwortlich. Die komplette Schließung des Al-Aksa-Geländes auch für muslimische Gläubige ist nach Angaben muslimischer Geistlicher noch nie vorgekommen. „Die Fortsetzung dieser Angriffe und der gefährlichen israelischen Eskalation bedeuten eine Kriegserklärung an das palästinensische Volk, an seine heiligen Stätten sowie an die arabische und muslimische Nation“, ließ Abbas über seinen Sprecher Nabil Abu Rudeina erklären.

religion.ORF.at/APA/dpa

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