Schiitische Aschura-Feiern erreichen Höhepunkt
Die größten Feiern, die am Dienstag den Höhepunkt erreichen, finden im Iran, Irak, Libanon und in Pakistan statt. Auch in diesem Jahr ist Aschura wieder von blutigen Anschlägen überschattet. Bei einem Bombenschlag auf eine Aschura-Feier in Nigeria sind mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen. Die in der Region aktive sunnitische Terrorbewegung Boko Haram sieht die Schiiten nicht als „rechtgläubig“ an.
Anschläge auf Schiiten durch Dschihadisten
Auch im Irak finden die Feierlichkeiten in diesem Jahr unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 25.000 Polizisten und Soldaten waren im Irak an der etwa 110 Kilometer langen Pilgerroute von der Hauptstadt Bagdad nach Kerbala und in der Stadt selbst im Einsatz. Bei Serie von Bombenanschlägen wurden 37 Menschen getötet. Das Fest ist auch eine erste Bewährungsprobe für die neue irakische Regierung.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Anschläge auf schiitische Pilger in Kerbela. Nach der Offensive der radikalsunnitischen Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), die seit Juni weite Teile des Iraks kontrolliert, ist die Gefahr zusätzlich gestiegen. Die Jihadisten attackieren regelmäßig Angehörige der schiitischen Mehrheit, die sie als Ketzer betrachten.
Reuters/Thaier Al Sudani
Die Aschura-Feierlichkeiten im „Trauermonat“ Muharram bilden ein zentrales Element der Glaubensrichtung des schiitischen Islam. Dabei gedenken sie der Schlacht um Kerbala, die nach christlicher Zeitrechnung im Jahr 680 stattfand. Bei diesem Gefecht am zehnten Tag des (nach dem Mondkalender berechneten) Muharram sollen der Imam Hussein, ein Enkel des Propheten Mohammed, und 72 seiner Anhänger, darunter fast alle seine männlichen Verwandten, von der überlegenen Streitmacht des sunnitischen Kalifen Jasid niedergemetzelt worden sein.
Blutige Selbstgeißelungen
Die Aschura-Rituale finden in den ersten zehn (Arabisch: Aschara, „zehn“) Tagen des Muharram statt, wobei täglich ein anderes Ereignis im Mittelpunkt steht. Höhepunkt und Abschluss der Trauerzeremonien ist der zehnte Tag. Die Trauerriten umfassen Erzählungen, Prozessionen und die kultische Inszenierung des Martyriums Husseins. Tausende Gläubige ziehen durch die Straßen und empfinden die Leiden Husseins nach, bis hin zu blutigen Selbstgeißelungen.
Reuters/Omar Sobhani
Wie sein Vater, der ermordete Kalif Ali, hatte Hussein Anspruch auf die wahre Nachfolge Mohammeds erhoben. Ali war ein Cousin des Propheten und heiratete dessen Tochter Fatima. 656 wurde er nach der Ermordung des Kalifen Othman zu dessen Nachfolger ausgerufen. 661 wurde er in Kufa im heutigen Irak von einem Attentäter erstochen. Muawija, der Begründer der Omajaden-Dynastie, ergriff die Macht. Alis Sohn Hussein starb im Kampf gegen Jasid, den Sohn des Muawija, in Kerbala. Nach schiitischer Geschichtsschreibung befindet sich Imam Husseins Grab in Kerbala, das ein beliebter Wallfahrtsort ist.
Schiiten folgen Ali
Aus der Anhängerschaft Alis entwickelte sich die „Schiat Ali“ („Partei Alis“). Die Schiiten erkennen nur Ali und dessen Nachkommen als Nachfolger des Propheten an. Die größte Gruppe, die sogenannten Zwölferschiiten, verehrt zwölf Imame (Arabisch „Vorsteher“), beginnend mit Ali sowie dessen Söhnen Hassan und Hussein aus der Ehe mit der Prophetentochter Fatima. Der Zwölfte Imam soll 941 n. Chr. von der Erde entrückt worden sein. Er wird erst, so der schiitische Glaube, als Mahdi („Erlöser“) kurz vor dem Ende der Welt wieder in Erscheinung treten.
Reuters/Anindito Mukherjee
Die wichtigsten Aschura-Feiern finden in Nadschaf und Kerbala im Irak statt, den heiligsten Städten der Schiiten. Im rund 120 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Nadschaf steht die Grabmoschee Alis. Hussein ist im zentralirakischen Kerbala bestattet.
religion.ORF.at/APA/dpa
Mehr dazu:
- Eintrag zu Aschura im Lexikon der Religionen (religion.ORF.at)