„Engel und Himmelsboten“ in alten Handschriften

Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) zeigt in der Ausstellung „Engel. Himmlische Boten in alten Handschriften“ kostbare Darstellungen von Engeln aus verschiedenen Epochen und drei Religionen.

Die über 60 zum Teil erstmals gezeigten Werke stammen alle aus Beständen der Nationalbibliothek, die meisten entstanden zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert. Das mit goldenen Miniaturen geschmückte Liutold-Evangeliar mit der Verkündigung an Maria durch den Erzengel Gabriel aus dem 12. Jahrhundert zählt wie auch Albrecht Dürers Holzschnitt mit Posaunenengeln (1498) und eine weitere Darstellung der Verkündigung an Maria in einem Stundenbuch aus dem 16. Jahrhundert zu den Höhepunkten der Ausstellung.

Engel „lebendiges Motiv in der Kunst“

Der Zeitpunkt für die Ausstellung sei nicht zufällig gewählt, sagte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger bei der Presseführung am Mittwoch. Die Zeit vor Weihnachten biete sich dazu an, über Engel nachzudenken. Man finde Engel bis heute als „lebendiges Motiv in der Kunst“, etwa bei Paul Klee, in Gedichten beispielsweise von Rainer Maria Rilke und auch in Filmen wie Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“, so Rachinger.

"Die Verteilung der Posaunen an die sieben Engel" von Albrecht Dürer, Nürnberg, 1498

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„Die Verteilung der Posaunen an die sieben Engel“ von Albrecht Dürer, 1498

Bindeglied zwischen den Sphären

Die Kunsthistorikerin und Kuratorin der Ausstellung, Maria Theisen, skizzierte die Veränderungen, denen die Vorstellung von Engeln über die Jahrhunderte hinweg unterworfen waren, sowohl in ihrer Darstellung als auch ihrer Bedeutung für das alltägliche Leben der Menschen, etwa als Schutzengel. Engel dienten als Verbindungsglied zwischen der himmlischen und der irdischen Sphäre, ihr Erscheinen kündigte stets einen Eingriff Gottes in die Welt der Menschen an. Dem liegt unter anderem die Vorstellung der Israeliten zugrunde, dass ein Mensch die direkte Gegenwart Gottes nicht unbeschadet überleben kann - ein Mittler also notwendig ist.

Ausstellungshinweis

„Engel. Himmlische Boten in alten Handschriften“ im Prunksaal der Nationalbibliothek, Josefplatz 1, 1010 Wien, 19. November bis 1. Februar 2015

Engel werden in den gezeigten Handschriften oft in ihrer Eigenschaft als Boten (das hebräische Wort für „Bote“ wurde zum griechischen „Angelos“ und ist die Grundlage für das Wort „Engel“) dargestellt, aber auch als wild-strenge Racheengel, Kämpfer in Schlachten und Vorboten der Apokalypse. Nicht zuletzt waren Luzifer und sein höllisches Gefolge ebenfalls einmal Engel. Die Ausstellung begibt sich auch auf Spurensuche nach den Wurzeln der Engelsdarstellungen aus der Zeit der Entstehung der hebräischen Bibel vor rund 3.500 Jahren und aus babylonischer Zeit.

Himmelsreise des Propheten Mohammed. Romantisches Epos, Schiraz (?), um 1570-80, Ausschnitt

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Himmelsreise des Propheten Mohammed. Romantisches Epos, Schiras (?), um 1570 bis 1580, Ausschnitt

Beispiele aus Judentum und Islam

Die meisten der wunderschön restaurierten und zum Teil verblüffend gut erhaltenen Werke haben Engel christlicher Provenienz zum Thema, doch es werden in der Schau auch Interpretationen von Himmelsboten aus dem Islam und dem Judentum gezeigt. Eine hebräische Bibel aus dem 14. Jahrhundert, in der von Engeln die Rede ist, illustriert die Ursprünge des christlichen Verständnisses von Engeln aus dem Judentum. Im Judentum gab und gibt es wegen des Bilderverbots nur wenige bildliche Engelsdarstellungen, doch die Vorstellung des Wesens himmlischer Boten übertrug sich durch biblische Geschichten auf das Christentum.

Eine persische Handschrift aus dem 16. Jahrhundert zeigt die von sieben Engeln begleitete Himmelsreise Mohammeds. Ein Engel war es auch, der Mohammed den Koran offenbarte - derselbe Gabriel, der in so vielen Bildern der Jungfrau Maria die Verkündigung überbrachte. Engelsdarstellungen in islamischen Werken sind häufig, doch eher im privaten Bereich zu finden.

Verkündigung an Maria, Liutold-Evangeliar, Mondsee, um 1170

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Verkündigung an Maria, Liutold-Evangeliar, Mondsee, um 1170, Ausschnitt

Schließlich stellt sich die Ausstellung der Frage: Sind Engel männlich oder weiblich? Die Antwort: Beides ist möglich, auch die Darstellung von Engeln als Kinder, wie sie in der Neuzeit so überaus populär wurde und ihre Ausdrucksform unter anderem in den fülligen Putten fand, ist in den Dokumenten zu sehen, die die Nationalbibliothek ausstellt. „Engel. Himmlische Boten in alten Handschriften“ bietet neben Führungen auch ein Kinderprogramm und läuft bis Anfang Februar.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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