200 Jahre jüdische Bibliothek in Wien

Die jüdische Bibliothek in Wien hat eine bewegte Geschichte: von der ersten Schenkung, der Übernahme durch die Nationalsozialisten bis hin zum Neustart in den 90er Jahren. Eine Ausstellung zeichnet diese Geschichte nun nach.

Es begann vor 200 Jahren mit einer Schenkung 133 hebräischer Bände an die jüdische Gemeinde Wien. Der Drucker Anton Schmid legte damit den Grundstein für die jüdische Bibliothek. 1814 war längst nicht absehbar, dass einmal eine Sammlung von 45.000 Bänden entstehen würde. Hebräische Bücher waren selten und teuer, denn für Juden herrschte in der Habsburgermonarchie Druckverbot, auch hebräisch durfte nicht gesetzt werden. Erst Joseph II. lockerte 1789 diese Bestimmungen und erlaubte christlichen Druckern, künftig auch jüdische Korrektoren und Setzer zu beschäftigen und hebräische Werke zu vervielfältigen. Anton Schmid war einer dieser Drucker.

Nicht bloß Raritäten-Parade

In der Ausstellung „200 und 20 - Die Bibliothek des Jüdischen Museums“ wird der langen Geschichte der Sammlung im Extrazimmer des Jüdischen Museums nachgespürt. Die Ausstellung sei nicht bloß eine Parade von Raritäten, sagte Kurator Domagoj Akrap bei der Presseführung am vergangenen Dienstag. Vielmehr wolle man die Geschichte der Bibliothek beleuchten und wichtige Persönlichkeiten, die eng mit der Sammlung verbunden waren, vorstellen. Trotzdem werden die erwähnten Raritäten nicht fehlen. So ist etwa die erste Rabbinerbibel, die Daniel Bomberg 1517 in Venedig druckte, Teil der Ausstellung.

Ausstellungshinweis

„200 und 20 - Die Bibliothek des Jüdischen Museums“ zu sehen von 26. November bis 7. April 2015 im Jüdischen Museum Wien, Extrazimmer, Dorotheergasse 11, 1010 Wien.

Nach der Schenkung des Druckers Anton Schmid wuchs die Sammlung beständig weiter. Vor allem aufgrund Verknüpfung mit der ersten jüdischen Religionsschule, die sich in der Ausstellung in Form eines Schulzeugnis von Sigmund Freud wiederfindet. Durch Schenkungen, Nachlässe und Ankäufe konnte die Bibliothek Anfang des 20. Jahrhunderts bereits mehr als 10.000 Bücher vorweisen.

Unter der Kontrolle der Nationalsozialisten

Über die Schulbibliothek war man zu diesem Zeitpunkt schon weit hinausgewachsen: Unter dem Historiker Bernhard Wachstein wurde die Sammlung zur großen Jüdischen Wissenschafts- und Volksbibliothek der Wiener Gemeinde. In Schaukästen, die an aufgeschlagene Bücher erinnern, sind diese unterschiedlichen Epochen repräsentiert - etwa durch eine jiddische Ausgabe von Rudyard Kiplings Erzählungen „Elefandl“ oder dem Hauptwerk Wachsteins, in dem er sich mit den Inschriften am Jüdischen Friedhof in der Seegasse beschäftigt.

Buchrücken von Büchern aus der jüdischen Bibliothek. Die Bücher sind mit goldenen hebräischen Schriftzeichen beschriftet.

ORF

Nach 1938 verblieb nur ein kleiner Teil der Bücher in Wien

Nach dem „Anschluss“ 1938 übernahmen die Nationalsozialisten die Kontrolle über die jüdische Bibliothek. Der Zutritt war nur noch einem Bibliothekar und das ausschließlich mit expliziter Genehmigung erlaubt. Etwa zwei Jahre später wurden die Bestände nach Berlin gebracht, wobei ein Teil der Bücher während der Luftangriffe einem Brand zum Opfer fiel. Der Rest wurde nach Schlesien, Böhmen und Mähren transportiert - Teile davon finden sich dort noch heute. In Wien verblieb nur eine kleine „Bibliothek des Ältestenrats der Juden in Wien“, mit der „ein Schein von Normalität aufrechterhalten wurde“, sagte Kurator Akrap.

Reise nach Israel

Nach Kriegsende hatte die verbliebene jüdische Gemeinde wenig Hoffnung auf eine Zukunft: Ein Großteil der zurückgegebenen oder noch vorhandenen Bestände wurde an die Nationalbibliothek des neu gegründeten Staates Israel verschickt. In der Ausstellung wird das durch eine Reisetruhe symbolisiert.

Erst im Jahr 1994 entschied man sich für einen Neubeginn. Die Israelitische Kultusgemeinde übergab ihre inzwischen wieder rund 30.000 Bände umfassende Sammlung an das Jüdische Museum und die Bibliothek in der Seitenstettengasse wurde eingerichtet. Die Eröffnung fand am 24. November 1994 statt. Heuer wird mit der Ausstellung, die bis 7. April 2015 zu sehen sein wird, das 20-jährige Bestehen gefeiert.

religion.ORF.at/APA

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