Papst: Kein Pauschalverdacht gegen Muslime

Papst Franziskus hat die Zeit des Rückflugs von seiner dreitägigen Türkei-Reise zu einem ausführlichen Gespräch mit Journalisten genutzt. Dabei nahm er unter anderem Muslime vor pauschalen Verdächtigungen in Schutz.

„Ich glaube aufrichtig, dass man nicht sagen kann, dass alle Muslime Terroristen sind“, sagte er während des Fluges von Istanbul nach Rom. Dies sei ebenso falsch wie die Aussage, dass alle Christen Fundamentalisten seien. In allen Religionen gebe es terroristische Gruppen. Viele Muslime distanzierten sich von den Anschlägen islamistischer Terroristen.

Zugleich forderte der Papst eine „weltweite Verurteilung“ islamistischen Terrors. Er habe dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Freitag gesagt, dass alle religiösen, politischen und intellektuellen Spitzenvertreter des Islam solche Akte einhellig verdammen müssten, weil „das der großen Mehrheit der Bevölkerung hilft“.

„Habe in Moschee für Türkei und Frieden gebetet“

Zugleich antwortete Franziskus auf Spekulationen rund um das Gebet in der Istanbuler Blauen Moschee: Er habe dort „für die Türkei und den Frieden gebetet“, so Franziskus. „Als ich in die Moschee ging, konnte ich nicht sagen, ich sei ein Tourist.“ Schließlich sei er aus einem religiösen Motiv, dem Besuch des Andreas-Festes der griechisch-orthodoxen Kirche, nach Istanbul gereist.

Er sei von der Schönheit der Moschee und den Erklärungen des Großmufti beeindruckt gewesen. „In diesem Moment habe ich das Bedürfnis verspürt zu beten“, so Franziskus. Weiter sagte er: „Ich habe für die Türkei gebetet für den Frieden, den Mufti, für alle und für mich“. Vor allem habe er jedoch für Frieden gebetet.

Papst Franziskus auf dem Rückflug von Istanbul

APA/ANSA/EPA/Filippo Monteforte

Papst Franziskus auf dem Rückflug von Istanbul

Papst Franziskus hatte am Samstag während seiner Türkei-Reise erstmals seit seinem Amtsantritt eine Moschee besucht. Vor der Gebetsnische hatte er neben dem Großmufti die Hände gefaltet, die Augen geschlossen und den Kopf gesenkt. Vatikansprecher Federico Lombardi hatte dies als „stille Anbetung“ bezeichnet. Franziskus hatte am Sonntag seine dreitätige Türkei-Reise beendet, bei der er neben Präsident Erdogan auch Vertreter der Orthodoxie und des Islam getroffen hatte.

Wunsch nach Öffnung der armenisch-türkischen Grenze

Schließlich äußerte sich Franziskus auch zur politischen Frage rund um die geopolitische Problematik des türkisch-armenischen Verhältnisses. So wünsche er sich persönlich eine Öffnung der Grenze zwischen beiden Ländern. Dies liege ihm „sehr am Herzen“, auch wenn er um die bestehenden Probleme und Hindernisse wisse. Die Türkei hatte die Grenze 1993 als Reaktion auf den Konflikt zwischen Armeniern und Aserbaidschan über die Region Bergkarabach geschlossen.

Zugleich würdigte der Papst, dass die Regierung in Ankara im Streit über die Vertreibung der Armenier während des Ersten Weltkriegs zuletzt die „Hand ausgestreckt“ habe. Er verwies auf einen Brief des damaligen Ministerpräsidenten Erdogan vom April dieses Jahres, in dem dieser den Armeniern zum Gedenktag an diese Gräuel sein Beileid erklärte. Erdogan hatte damit als erster Regierungschef in der türkischen Geschichte offiziell der Massenmorde an den armenischen und syrisch-orthodoxen Christen gedacht. Eine Entschuldigung im Namen der Türkei war damit nicht verbunden.

Einige hätten diese Erklärung als „schwach“ angesehen, so Franziskus. Er selbst wisse nicht, ob sie „stark oder schwach“ sei. In jedem Fall bedeute sie jedoch eine „ausgestreckte Hand“ der türkischen Regierung - „und das ist immer positiv“. Der Papst antwortete damit auf die Frage einer italienischen Journalistin, warum er die Vertreibung, die die Türkei nicht als „Völkermord“ anerkennt, nicht angesprochen habe. 2015 wird der 100. Jahrestag der Vertreibung begangen.

Türkischer Protest gegen Genozid-Äußerung

Im Juni 2013 hatte Franziskus die Vertreibung der Armenier in einer privaten Äußerung am Rande einer Audienz für den armenisch-katholischen Patriarchen Nerses Bedros XIX. Tarmouni als den „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Die Türkei hatte dagegen offiziell Protest eingelegt.

Am 24. April 1915 begann die Vertreibung der Armenier im Osmanischen Reich, dem Rechtsvorgänger der heutigen Türkischen Republik. Nach Überzeugung der Armenier und eines Großteils der internationalen Forschung handelte es sich bei den Massakern und Todesmärschen bis 1917 um einen Genozid mit dem Ziel, die Armenier als Volk auszulöschen. Bis zu 1,5 Millionen Menschen sollen damals umgekommen sein. Ankara weist den Genozid-Vorwurf zurück, spricht von einer kriegsbedingten Tragödie und setzt die Zahl der Opfer wesentlich niedriger an.

Auf dem Weg zum Flughafen von Istanbul hatte Franziskus am Sonntag kurzfristig den Patriarchen der Armenisch-Apostolischen Kirche in Konstantinopel, Mesrob II. (58), am Krankenbett besucht. Er ist aufgrund fortschreitender Krankheit amtsunfähig und wird in seinen Amtspflichten von einem Ko-Patriarchen vertreten.

religion.ORF.at/KAP/KNA