Solidaritätsmarsch für verfolgte Christen in Wien

Mit Fackeln und Transparenten haben rund 3.000 Menschen bei einem Marsch von der Wiener Oper zum Stephansdom ihre Solidarität mit rund 100 Millionen unterdrückten und verfolgten Christen weltweit gezeigt.

Am internationalen Tag der Menschenrechte schlossen sich am Mittwoch Abend in Wien zwanzig Organisationen wie Open Doors, Pro Oriente und Christian Solidarity International (CSI) zur ökumenischen Plattform Solidarität mit verfolgten Christen zusammen, um auf die Benachteiligung und Verfolgung von Christen aufmerksam zu machen.

Verteilt wurden Sticker mit dem arabischen Buchstabe „N“. Er stehe für Nazarener, die Bezeichnung für Christen im Koran. Seit 2014 kennzeichne die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit diesem „N“ die Häuser der Christen in den von ihnen eroberten Gebieten. Das sei der Freibrief für die Kämpfer, die Häuser zu zerstören und alle Bewohner zu vertreiben oder gleich umzubringen, sagte Elmar Kuhn, Generalsekretär von CSI, via Lautsprecher beim Marsch durch die Wiener Kärntnerstraße zum Stephansdom. „Mit dem Button zeigen wir als Christen unsere Solidarität mit den Verfolgten. Es ist ein Bekenntnis zu unserem Glauben in aller Öffentlichkeit.“

Der Dialog mit dem Islam dürfe keine Einbahnstraße sein, „wir erhoffen uns eine noch klarere Distanzierung der Muslime von jeglicher Unterdrückung und Gewalt gegen Andersgläubige“, so Kuhn im Gespräch mit religion.ORF.at. Er wolle aber auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich stärker in die Pflicht nehmen und wünsche sich hier eine noch klarere Positionierung und Abgrenzung zu Muslimen, die aus dem Koran eine Rechtfertigung für Gewalt und Verfolgung, etwa gegen Christen, herauslesen. Er beobachte aber auch, dass Muslime, die hinterfragen und kritisieren, in Gefahr geraten. Auch in Österreich gebe es „Todesdrohungen gegen dialog- und kritikbereite Muslime“.

Solidaritätsmarsch für verfolgte Christen in Wien. 10. Dezember 2014

ORF/Marcus Marschalek

Zwanzig christliche Organisationen haben sich zur ökumenischen Plattform Solidarität mit verfolgen Christen zusammengeschlossen

Grund zur Sorge?

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Plattform Solidarität mit verfolgen Christen forderte Kuhn daher dringend eine zeitgemäße Interpretation der zentralen Schriften des Islam. Dazu war auch der islamische Religionspädagoge Ednan Aslan von der Universität Wien eingeladen. Man könne nicht alles, was im Koran steht, „eins zu eins als Wort Gottes verkaufen“. Der Islam müsse sich in einer pluralistischen Welt der Herausforderung der „Gleichheit der Religionen“ stellen, forderte Aslan.

Er ortet eine „Rückwärtsentwicklung in der islamischen Welt“. Es mangle in den islamischen Ländern an der „Freiheit des Denkens“, sagte Aslan. Freiheit werde von religiösen und politischen Führern als Gefahr wahrgenommen. Somit fehle es in diesen Staaten auch an Demokratiefähigkeit. Viele Muslime „konsumieren Demokratie anderswo“, so der Religionspädagoge. Diesbezüglich gebe es auch in der Türkei Probleme. Die Reduzierung philosophischer Fächer an den islamisch-theologischen Fakultäten sei Zeichen der „Rückwärtsentwicklung“ und Grund zur Sorge, sagte Aslan in seinem Statement.

Der Präsident der Stiftung Pro Oriente, Johann Marte, zeigte sich bei der Veranstaltung für verfolgte Christen schockiert über die Verbrechen „im Namen der Religion“. Nach Statistiken der christlichen NGO Open Doors richten sich 75 Prozent der Aktionen religiöser Intoleranz weltweit gegen Christen. Die Gründe dafür seien vielfältig, auch wirtschaftlicher und kultureller Natur. Hauptfaktor der Verfolgung sei aber der „islamische Radikalismus“, sagte Kurt Igler von Open Doors Österreich.

Radikalisierung

Was Radikalisierungstendenzen in der islamischen Welt betrifft, sagte Aslan, gehe es um „eine innerislamische Angelegenheit“. Denn die islamische Theologie diskriminiere Christen und Juden, statt sich mit der Definition in der Schrift auseinanderzusetzen, befand Aslan. An den Golf-Universitäten würden „die alten Werte gelehrt“, die auch Hinweise auf Enthauptungen beinhalten würden.

Zugrunde liege der islamischen Theologie eine Interpretation der heiligen Schriften, die auf der Gesellschaftsstruktur des 7. Jahrhunderts beruhe. Enthauptungen, Steinigungen oder die Geringschätzung Andersgläubiger seien damals gesellschaftlich akzeptiert gewesen. Ähnliches gelte aber auch für das Alte Testament der Bibel, sagte Aslan. Knackpunkt sei deshalb nicht die „Verteufelung“ der Schriften, sondern ihre zeitgemäße Interpretation, die der Lebensrealität des 21. Jahrhunderts entsprechen müsse.

Herbert Rechberger von der Hilfsorganisation Kirche in Not sprach sich für die Teilnahme an Solidaritätsaktionen und konkreten Hilfsprojekten aus, wie etwa die Finanzierung von Schulen im Nordirak, Lebensmittelpakete und Unterkünfte für Vertriebene sowie Existenzhilfe für geflohene irakische Priester der chaldäischen und der syrisch-katholischen Kirche.

Betroffene marschieren in Wien

In den Reihen der Teilnehmer am Solidaritätsmarsch in Wien sind auch syrisch-orthodoxe Christen. Viele von ihnen haben den Terror am eigenen Leib erlebt. Aktuell zu Gast ist ihr Kirchenoberhaupt Mar Ignatius Aphrem II.. Im Interview mit dem ORF Religionsmagazin Orientierung (Sonntag 14.12., 12.30 Uhr ORF2)erzählt der Patriarch von den aktuellen Gräueltaten.

Die IS-Terrormiliz habe „vor allem dem Islam selbst geschadet. Das Image des Islam wird dadurch negativ und gewaltsam“, sagte der Patriarch. Weiters sehe er die „Notwendigkeit“ einer säkularen syrischen Regierung. „Was auch immer passiert, Christen können nur überleben, wenn die Regierungen säkular bleiben. Eine islamische Regierung ist schlecht für Christen, aber – nicht nur für Christen – auch für andere“. Ein Teil der Syrer habe die Ideologie des wahabitischen Islam übernommen, das habe Feindschaft gesät zwischen den Religionen, aber auch unter den Muslimen, so Patriarch Aphrem II..

religion.ORF.at/APA/KAP

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