Austrittszahlen: Kirche soll sich „nichts vormachen“

Angesichts der aktuellen Statistiken zu den Katholikenzahlen in Österreich haben sich Kirchenvertreter vorsichtig positiv gezeigt - man dürfe sich aber „nichts vormachen“, so der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics.

Kein einheitliches Bild zum Trend bei den Kirchenaustritten ergibt die aktuelle Kirchenstatistik 2014. So konnten einige Diözesen (Linz, Innsbruck, Feldkirch) Rückgänge verzeichnen, andere wiederum musste leichte Anstiege hinnehmen. In der Erzdiözese Wien, die zahlenmäßig Österreichs größte Diözese ist, stagnierten die Austritte auf dem Niveau des Jahres 2013.

Diözesanvertreter verwiesen in ihren Reaktionen am Dienstag auf das anhaltende Interesse an Kirche und Glaube sowie auf das besondere Bemühen der Kirche, sich der „Fernstehenden“ und Ausgetretenen anzunehmen. Andererseits dürfe man sich auch „nichts vormachen“, wie es Bischof Ägidius Zsifkovics formulierte. Der gesellschaftliche Trend zur Kirche sei trotz der „frischen Dynamik“ von Papst Franziskus in ganz Österreich insgesamt rückläufig, sagte der Eisenstädter Diözesanbischof, warnte aber gleichzeitig vor einer Reduzierung der Betrachtung kirchlichen Lebens auf statistische Daten.

Im Westen am wenigsten Austritte

Prozentuell am stärksten fiel der Rückgang bei den Kirchenaustritten in den westlichen Diözesen aus. In Vorarlberg sank die Zahl um vier Prozent (2.613 im Jahr 2013 auf 2.508 im Jahr 2014). In der Diözese Innsbruck verließen 2014 mit 3.060 Menschen um 278 Personen weniger als im Vorjahr die katholische Kirche - ein Rückgang um 8,33 Prozent.

Die Innsbrucker Diözesanleitung führte das am Dienstag u. a. auf die kirchlichen Angebote im vergangenen Jubiläumsjahr zum 50-jährigen Bestehen der Diözese - mit der Mitarbeit vieler Engagierter in pfarrlichen und sozialen Initiativen, kulturellen Akzentsetzungen sowie Bildungsaktivitäten - und das besondere Bemühen um Ausgetretene zurück. Die Verringerung der Zahl an Austritten sei „ein erfreuliches Signal, das wir mit Freude wahrnehmen und aufnehmen“, sagte Generalvikar Jakob Bürgler. „Dennoch lässt uns jeder Mensch, der die Kirche verlässt, darüber nachdenken, wie wir neue Brücken des Vertrauens und der Beheimatung bauen können.“

Im Jubiläumsjahr habe die Diözese starke Akzente setzen könne, die von vielen Menschen „positiv und dankbar“ aufgenommen worden seien. Den eingeschlagenen Weg wolle man „auch weiterhin mit Entschiedenheit gehen“, unterstrich Bürgler. Der Generalvikar verwies zudem auf den anhaltenden Trend zu Wiedereintritten. Diese Zahlen machten deutlich, „dass Menschen - oft auch nach Gesprächen - merken, etwas zu verlieren, wenn sie die Kirche verlassen“. „Kirche bietet Heimat und den Suchenden einen Platz“, so Bürgler unter Verweis auf die Aktivitäten der Kirche für Menschen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben.

Rückzug „tut weh“

Ein Minus von 2,6 Prozent bei der Zahl der Austritte (8.946) verzeichnete auch die katholische Kirche in Oberösterreich. Die Diözese Linz schrieb in einer Aussendung, dass die katholische Kirche in Oberösterreich weiterhin knapp eine Million Mitglieder habe und weiterhin ihrem Anspruch nachkommen wolle, „nah bei den Menschen und wirksam in der Gesellschaft“ zu sein.

„Auch wenn die Austritte im Vergleich zum Vorjahr geringfügig weniger wurden, tut es dennoch weh, wenn sich Menschen aus unserer Gemeinschaft zurückziehen“, sagte der Linzer Pastoralamtsdirektor Bischofsvikar Wilhelm Vieböck. Umso mehr danke er den vielen Katholikinnen und Katholiken, „die unsere tägliche seelsorgliche Arbeit schätzen und engagiert mittragen“. Er werte das „als positives Lebenszeichen für unsere vielfältigen Tätigkeiten und Angebote“. Das Interesse an Glaube und Kirche sei nach wie vor sehr hoch, so Vieböck.

Austritte eingependelt

Insgesamt zeigt sich der Mehrjahresvergleich der Daten aus den einzelnen Diözesen, dass die signifikante Austrittswelle des Jahres 2010, bedingt durch das Bekanntwerden kirchlicher Missbrauchsfälle, verebbt ist und sich die Kirchenaustritte auf dem Niveau vor 2010 eingependelt haben.

Dieser Befund gilt - trotz eines leichten Anstiegs (3,5 Prozent) bei den Austritten im Jahr 2014 - auch für die Diözese Eisenstadt. Bischof Zsifkovics sprach in d"Er wirkt sich bereits an der gesellschaftlichen Wurzel durch weniger werdende Taufen in einer kinderarmen Gesellschaft aus, die stark von Migration auch aus nicht-christlichen Ländern geprägt ist", erinnerte der Bischof.

Gleichzeitig warnte Zsifkovics aber vor dem „Würgegriff der Statistik“, der zu einer verengten Sichtweise führen könne. „Das eine sind die nüchternen Zahlen kirchlicher Verwaltung. Das andere ist das vielfältige Wirken und Leben von Kirche über alle definierten Ränder hinaus.“ Man könne die Partikel eines Lichtstrahls ebenso wenig zählen wie die Salzkörner in einem Teller Suppe, so der Eisenstädter Bischof. Dass die Kirche berufen sei, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, sei in Zeiten stärker werdender sozialer Kälte und gesellschaftlicher Unsicherheit von besonders starker Bedeutung. „Wo die Suppe dünner wird, gewinnt das Salz an Bedeutung“, zeigte sich Zsifkovics überzeugt.

Graz: Traditionell viele Wiedereintritte

Traditionell relativ hoch ist die Zahl der Wiedereintritte in der Steiermark. 1.371 Menschen haben sich 2014 entschlossen, wieder in die Kirche einzutreten. (2013: 1.295). Die Steiermark liegt damit seit Jahren an der Spitze bei den Wiedereintritten. In der Zahl von 1.371 Personen sind auch 167 „Widerrufe“ enthalten. Damit sind Katholiken gemeint, die zunächst ihren Austritt erklärt hatten, nach einem Kontakt mit kirchlichen Verantwortlichen aber wieder innerhalb der Frist von drei Monaten Abstand von diesem Schritt nahmen.

Die relativ hohen Zahlen, sowohl bei Austritten als auch bei den Wiedereintritten, seien wohl auf eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung zu loseren Bindungen zurückzuführen, hielt die Diözese fest. Nach wie vor sei auch für viele die Post vom Kirchenbeitrag ein Auslöser die Mitgliedschaft zu überdenken. Dazu erinnerte die Grazer Diözese, dass bei der Berechnung des Kirchenbeitrags auf die jeweils individuelle finanzielle Situation Rücksicht genommen werden. Ein formloses Gespräch mit der Kirchenbeitragsstelle könne sehr rasch und unkompliziert helfen.

Die Diözese Graz-Seckau will auch weiterhin verstärkt aufzeigen, welche Leistungen der Kirche für das persönliche Leben und für das Leben der Gesellschaft angeboten werden. Im Rahmen des „Diözesanen Wegs 2012-2018“ in Richtung des 800-jährigen Diözesanjubiläums 2018 wolle man als Kirche die Freude am Glauben stärken, die Seelsorge neu ausrichten und als Kirche die Gesellschaft mitgestalten. Im Jahr 2015 würden dazu Herzensanliegen der Menschen aufgegriffen. In Gesprächen auf Landes- und Gemeindeebene versuche man verstärkt, „brennende Fragen der Menschen aufzugreifen und Allianzen für eine gerechtere Gesellschaft zu bilden“, teilte die Diözese mit.

Lackner: Mehr Rückkehrer

Einen leichten Anstieg an Kirchenaustritten musste die Erzdiözese Salzburg verzeichnen: 4.739 Personen haben 2014 die Kirche verlassen, 2013 waren es 4.590. Es sei eine hohe Zahl, „und jeder einzelne Austritt schmerzt uns“, so Erzbischof Franz Lackner in einer ersten Stellungnahme. Allerdings sei die Zahl der Rückkehrer in die Katholische Kirche von 353 (2013) auf 447 (2014) stark angestiegen. Das gebe immerhin Anlass zu Hoffnung, sagte Lackner.

Immer mehr Menschen kämen ganz gut ohne Gott und ohne Kirche aus, stellte der Erzbischof fest. Die Wiedergewinnung der „Lebensdienlichkeit“ oder Alltagstauglichkeit des Glaubens sei ihm daher ein persönliches Anliegen. Bei verschiedenen Anlässen wolle er das in Ansprachen, Predigten und anderen Formen zum Ausdruck bringen, so Lackner.

religion.ORF.at/KAP

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