Wiener Imam: Urteil gegen Blogger ist „Katastrophe“

Der Wiener Imam Ramazan Demir hat sich vom Urteil gegen den Blogger Raif Badawi in Saudi-Arabien distanziert. „Das Urteil ist eine Katastrophe. Er soll freikommen, .... das ist unsere Position ohne Wenn und Aber.“

Der Wiener Imam gab der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ (Ausgabe vom 25. Jänner) laut Kathpress ein Interview, in dem er sich vom Urteil in Saudi Arabien distanzierte.

Leben wie vor 1.400 Jahren

Die verhängten Auspeitschungen seien „eine Katastrophe“ und würden von der Islamischen Glaubensgemeinschaft sehr bedauert. Nach der Einschätzung des in Deutschland geborenen muslimischen Geistlichen türkischer Herkunft ist Saudi-Arabien in mehrfacher Hinsicht rückständig:

Dass zum Beispiel Frauen nicht Auto fahren dürften, habe „auch mit dem Islam nichts zu tun“. Wer so denke, sei „in der Zeit stehen geblieben“ und lebe „wie vor 1400 Jahren“.

Verzeihen besser als Bestrafen

Imam Demir wurde durch eine gemeinsame Reise mit dem Wiener Rabbi Schlomo Hofmeister nach Jerusalem Ende 2014 und seine wertschätzende Haltung gegenüber Juden und Christen weit über seine Gemeinde hinaus bekannt.

Demir verurteilt „Idioten, die Religion missbrauchen“, sieht keinerlei Beleg für Ehrenmorde im Koran und bezeichnet Verzeihen auch bei beleidigenden Karikaturen als „besser als Bestrafen“.

Auch über die islamistischen Terrorattacken in Paris äußerte sich der Imam unmissverständlich. Der „feige Angriff“ auf „Charlie Hebdo“ sei auch einer „auf Muslime, auf den Islam, auf die Lehre des Propheten“ gewesen. Die große Mehrheit der Muslime wende sich gegen den Missbrauch ihrer Religion, „aber manche Muslime müssen ihre Religion erst richtig lernen“.

„Perspektivenlos, frustriert und voller Hass“

Von den 160 aus Österreich nach Syrien aufgebrochenen Dschihadisten stammten viele aus Tschetschenien, sie seien „perspektivenlos, frustriert, voller Hass“ gewesen. Diese Zahl verdeutliche andererseits auch die geringe Resonanz des Dschihad-Aufrufs in Österreich:

„Jeder einzelne ist zu viel, aber das sind nur 0,02 Prozent der 600.000 Muslime in Österreich“, wies Demir hin. Auch die Schüler, denen er islamischen Religionsunterricht erteilt, seien „Gott sei Dank zu 100 Prozent der Ansicht, dass das, was in Paris passiert ist, zu verurteilen ist“.

Persönlicher Umgang mit Mohammed-Karikaturen

Auf die Frage, wie er persönlich mit Karikaturen über den Propheten Mohammed umgeht, antwortete der Imam: „Das ist ja nicht der Prophet Mohammed.“ Zugleich betonte Demir: „Es ist nicht okay, jemanden zu verletzen. Der Karikaturist weiß es oft nicht, dass er mit seiner Zeichnung verletzt. Aber wir müssen es ignorieren, cool bleiben wie der Prophet Mohammed. Auch in seiner Zeit hat man ihn beleidigt und er hat nichts dagegen getan.“ Im Koran stehe in Sure 41 die Aufforderung „Wehret das Böse mit dem Guten, und aus Feindschaft wird Freundschaft.“

Basis für den interreligiösen Dialog

Gegenüber Juden und Christen fordere der Koran zu Barmherzigkeit und zum Absehen von „Streitgesprächen“ auf. Von Mohammed selbst seien Zeugnisse des Respekts vor den anderen Schriftreligionen überliefert. „Das ist meine Basis für den interreligiösen Dialog“, so Demir.

Die Thora, das Evangelium und der Koran seien „Bücher der Liebe, nicht des Hasses“. Auch die Reise mit Rabbi Hofmeister nach Jerusalem, für die die Islamische Glaubensgemeinschaft „volle Rückendeckung“ gegeben habe, habe letztlich demonstriert: „Schaut her, wir Religionen können miteinander!“

religion.ORF.at/APA