Jüdischer Verband warnt vor Exodus der Juden

Angesichts der Bedrohung durch Dschihadisten in Europa hat der Europäische Jüdische Kongress (EJC) vor einem neuen Exodus der Juden gewarnt und den Dschihadismus mit dem Nationalsozialismus verglichen.

„Der Dschihadismus ist dem Nationalsozialismus sehr nahe. Man könnte sogar sagen, dass sie zwei Seiten desselben Bösen sind“, sagte EJC-Präsident Moshe Kantor am Montag im Rahmen eines Forums zum Holocaust in der tschechischen Hauptstadt Prag. An der Konferenz nahmen Parlamentsvertreter aus mehr als 30 Ländern teil. Die jüdische Gemeinde stehe vor einem neuen Exodus aus Europa, warnte Kantor und forderte Maßnahmen gegen den zunehmenden Antisemitismus.

Sondergesandter für Antisemitismus gefordert

„Wir müssen in Europa einen Sondergesandten für Antisemitismus einrichten, weil die jüdische Minderheit, die älteste in Europa, die einzige ist, die in der Gefahr steht, getötet und vertrieben zu werden“, sagte Kantor. Er verwies auf den Angriff auf einen jüdischen Supermarkt in Paris, bei dem ein radikaler Islamist Anfang Jänner vier Juden getötet hatte. Er erwähnte zudem den Angriff auf eine jüdische Schule im südfranzösischen Toulouse im März 2012, bei dem ein Islamist drei Schüler und einen Lehrer erschossen hatte.

Auch der israelische Parlamentspräsident Juli-Joel Edelstein warnte vor wachsendem Antisemitismus in Europa und kritisierte am Montag ebenfalls beim Holocaust-Forum in Prag Europas Politiker. Die Reaktion der europäischen Politiker auf die jüngsten Übergriffe auf Juden in Europa beurteilte Edelstein kritisch. „Ich bin sehr glücklich darüber, dass viele Politiker die Terroranschläge in Paris so scharf verurteilt haben, die praktische Umsetzung muss sich aber noch zeigen“, sagte er.

„Holocaust hat auch nicht mit Auschwitz begonnen“

„Der Holocaust hat auch nicht mit Auschwitz begonnen, sondern mit genau den gleichen Dingen, über die jetzt berichtet werden, wie Angriffe auf Rabbis oder Hakenkreuz-Schmierereien“, so Edelstein.

Viele der rund 600.000 Juden in Frankreich erwägen Umfragen zufolge angesichts einer Zunahme judenfeindlicher Angriffe inzwischen, das Land zu verlassen. Die Zahl antisemitischer Taten in Frankreich hat sich dem jüdischen Dachverband CRIF zufolge im vergangenen Jahr verdoppelt. Bei gewaltsamen Angriffen habe es zwischen 2013 und 2014 sogar einen Zuwachs von 130 Prozent gegeben, erklärte CRIF am Dienstag in Paris.

Eklatanter Anstieg antisemitischer Taten

Insgesamt gab es demnach im vergangenen Jahr 851 antisemitische Taten gegenüber 423 im Jahr 2013. Dazu gehörten neben Gewalttaten auch Beleidigungen, Drohungen, Schmierereien oder antisemitische Schriften. Es war die höchste Zahl antisemitischer Taten in Frankreich seit 2004. „Diese antisemitischen Taten stellen 51 Prozent aller rassistischen Vorfälle in Frankreich dar, dabei machen Juden weniger als ein Prozent der französischen Bevölkerung aus“, so die Organisation.

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie in Großbritannien, wo die Zahl der antisemitischen Straftaten laut Polizei deutlich gestiegen ist, fürchtet auch fast die Hälfte der britischen Juden, in Europa keine Zukunft mehr zu haben. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte vergangene Woche, Europa stehe vor der „riesigen Herausforderung“, Juden wieder das Gefühl von Sicherheit zu geben.

religion.ORF.at/AFP/APA

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