Kopten: Spielball der Mächte in Ägypten

Mit der Ermordung von 21 aus Ägypten stammenden koptischen Christen durch die Terrormiliz IS in Libyen haben sich die Dschihadisten zum ersten Mal gezielt gegen Christen gerichtet. Die koptischen Christen rücken ins Blickfeld der bestürzten internationalen Gemeinschaft.

Ägypten reagierte rasch auf die auf Film festgehaltenen Enthauptungen und bombardierte erstmals Stellungen des Islamischen Staates (IS) in Libyen. Kampfflugzeuge hätten Stützpunkte und Waffendepots der Extremisten bombardiert, teilte die ägyptische Armee am Montag mit. Das Land tut einiges, um seine große christliche Minderheit zu schützen, wie es scheint.

Trauernder koptischer Vater eines Opfers der IS

APA/EPA/Alaa Elkamhawi/Almasry Alyoum Egypt Out

Trauer bei den Angehörigen der getöteten Kopten

Die jungen koptischen Männer, die als Gastarbeiter in Ägypten waren, seien lediglich aus dem einem Grund getötet worden, dass sie Christen waren, sagte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Franziskus. Das sieht auch der Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche, Anba Gabriel, so. Der Terror richte sich vor allem gegen die Christen, sagte er zu religion.ORF.at. Dabei seien die Kopten in Ägypten wie überall auf der Welt gut integriert, so der Bischof. Lobend erwähnte er die TV-Ansprache des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und die Luftschläge auf den IS. Für die Kopten sei unter Sisis Regierung vieles besser geworden.

Anlass für Militär, Stärke zu demonstrieren

Die Filmemacherin Alexandra Schneider, die für ihren kürzlich angelaufenen Dokumentarfilm „Private Revolutions“ zwei Jahr in Ägypten lebte, schilderte im Gespräch mit dem ORF die Lage der Kopten in dem Land aus ihrer Sicht: Dem Militär komme momentan jeder Anlass gelegen, um zu zeigen, „dass sie stark sind im Kampf gegen den Terrorismus“. Gleichzeitig dienten solche Vorfälle als Rechtfertigung des harten und radikalen Kurses gegenüber den Muslimbrüdern. Es sei für das Regime „herrlich, wenn die Muslimbrüder oder der IS die großen Sündenböcke sind“, denn dann sei ja klar, wer an allen Problemen schuld sei, so Schneider.

Kopten „sehr bedroht“

Die koptische Minderheit in Ägypten nennt sie „sehr bedroht“, doch auch die Kopten selbst „sind sehr radikal“, sagte Schneider. Gleichzeitig sei es „faszinierend zu erleben, dass da ein Christentum gelebt wird, das wir aus Europa überhaupt nicht kennen“. Die Filmemacherin skizziert eine harte, paternalistische Gesellschaft: „Wenn eine Koptin einen Muslim heiraten will, wird sie gerne von der eigenen Community massiv daran gehindert oder auch getötet“, so Schneider.

Der koptische Bischof Gabriel bestätigte gegenüber religion.ORF.at zwar, dass es Kopten „verboten“ sei, außerhalb der Religionsgemeinschaft zu heiraten, er sieht die Gemeinschaft aber nicht als besonders streng an - es gebe unter Kopten seltener Scheidungen, weil die Familien eben stabiler seien.

Sendungshinweis

Filmemacherin Alexandra Schneider in „Religion aktuell“ vom 16. Februar 2015 zum Nachhören

Sie habe wenig Unterschied erlebt in der Ausübung ihres Glauben zwischen den Muslimen und den Kopten, so Regisseurin Schneider. Eigentlich funktioniere das Zusammenleben „meistens sehr, sehr gut unter den Leuten selbst“. Traurig sei, dass der Konflikt zwischen Christen und Muslimen von den Machthabern häufig benutzt werde - und zwar vom alten Regime ebenso wie vom derzeitigen, um die starke Militärpräsenz zu rechtfertigen und überhaupt ein starkes staatliches Eingreifen.

Koptinnen beim Gebet in der Kirche in Kairo

Reuters/Asmaa Waguih

Gläubige beim Gebet in der Kirche in Kairo

„Es kam immer wieder heraus, dass im Hintergrund von Momenten, wo dann Kirchen angezündet wurden, staatlich angeheuerte Spitzel dahinterstanden, die die Konflikte bewusst geschürt haben, damit man sagen kann: ‚Seht’s, das habt ihr davon, wenn es keinen starken Staatsapparat gibt, der da eingreift und die Minderheiten schützt.‘“

Ängste „bewusst genutzt“

Ängste in der koptischen Bevölkerung seien sehr bewusst genutzt worden, „damit die sich immer möglichst hinter Mubarak oder jetzt hinter das Militär stellen“, so Schneider. „Es war eine Revolution in der Revolution, als im Oktober 2011 eine Gruppe junger Kopten gegen den Widerstand ihrer koptischen Anführer auf die Straße gegangen sind und Hand in Hand mit Muslimen gegen das Regime demonstriert haben“, schildert sie weiter. Diese jungen Leuten seien dann auch getötet worden.

Alexandra Schneider

Daniela Praher Filmproduktion

Regisseurin Alexandra Schneider

Als eine ganze eigene Welt beschreibt Schneider das koptische Viertel im Norden von Kairo, wo Kopten auf „dem Müllhaufen der Stadt“ leben und von Recycling des Mülls leben. Es sei, als gehe man „über eine unsichtbare Schwelle“: Lauter unverschleierte Frauen seien plötzlich in dem großen Koptenviertel zu sehen. Dieses Nebeneinander sei faszinierend gewesen, so die Filmemacherin.

Die Kopten

Die koptisch-orthodoxe Kirche in Ägypten zählt zu den bedeutendsten und ältesten christlichen Kirchen in der islamischen Welt, sie gehört zu den altorientalischen Kirchen. Der Anteil der Kopten an der 85 Millionen zählenden ägyptischen Bevölkerung beträgt zwischen sechs und zehn Prozent. Verlässliche Statistiken gibt es nicht.

Die koptische Kirche betrachtet sich als die erste Kirche in Afrika und führt ihre Entstehung auf das Wirken des Apostels Markus zurück, der im ersten Jahrhundert den Sitz des Patriarchen von Alexandrien begründet haben soll. Die koptisch-orthodoxe Kirche umfasst weltweit mindestens 14 Millionen Gläubige in 41 Diözesen. Der Sitz des Patriarchats ist Kairo. Es gibt auch eine kleine, mit Rom unierte koptisch-katholische Kirche.

Etwa 10.000 Kopten in Österreich

In Österreich ist die koptisch-orthodoxe Kirche seit 1976 präsent, sie verfügt über zwölf Kirchen und ein Kloster. Sie zählt laut APA mehr als 5.000 Mitglieder, Bischof Gabriel zufolge, der ihr seit 2004 vorsteht, gibt es hierzulande derzeit etwa 10.000 Kopten. 2003 wurde die Kirche staatlich anerkannt. Die koptisch-orthodoxe Kathedrale im 22. Wiener Gemeindebezirk wurde 2004 vom damaligen Kopten-Papst Schenuda III. feierlich geweiht.

Dem Bischof zufolge leben die Kopten „intensiver als die anderen Christen hier“ nach der Bibel, das Verhältnis zu anderen Religionsgemeinschaften, insbesondere zu den Katholiken, sei aber „wunderbar“. Die Kopten sind dem Geistlichen zufolge sehr gläubig, ihre Kirchen seien gefüllt. Für die Angehörigen der vom IS ermordeten Männer werde in Österreich gesammelt, so der Bischof.

religion.ORF.at

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