Islamgesetz: Deutsche Muslime wollen gleiches Gesetz

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) würde sich ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild wünschen, um den Umgang mit Muslimen umfassend zu regeln.

„Wir brauchen so eine Richtung in Deutschland, um wieder Normalität und Selbstverständlichkeit in der muslimischen Community herzustellen“, sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek laut einer Kathpress-Meldung in einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix. Das gesamte Interview wird am Sonntag ausgestrahlt.

Ausbildung im Inland „legitim“

Mazyek nannte es legitim, dass sich Religionsgemeinschaften selbst finanzieren und Imame im Inland ausgebildet werden sollen. Zugleich forderte er, auf einen in der Debatte mitschwingenden „Misstrauensdiskurs“ zu verzichten. Ein Islamgesetz sei nicht dazu gedacht, die Muslime „an die Kandare“ zu nehmen, so der ZMD-Vorsitzende.

ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek

APA/EPA/dpa/Maurizio Gambarini

ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek

Der innenpolitische Sprecher der deutschen Grünen, Volker Beck, lehnte am Donnerstag ein eigenes Islamgesetz für Deutschland ab, auch wenn einzelne in den österreichischen Vorgaben enthaltene Forderungen wie ein universitärer Ausbau islamischer Theologie oder die Ausbildung von Imamen in Deutschland sinnvoll seien.

Auch im Vatikan Thema

Das am Mittwoch von den Koalitionsparteien in Wien beschlossene neue österreichische Islamgesetz ist auch ein vieldiskutiertes Thema im Vatikan und in Italien. Der österreichische Rechtsexperte und emeritierte Professor für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht Richard Potz hat am Freitag in Radio Vatikan Stellung zum neuen Gesetz bezogen. Auch die Vatikan-Zeitung „L’Osservatore Romano“ berichtete am Freitag breit, mit der Überschrift: „L’Austria adotta una legge per contrastare l’estremismo - Piu diritti e piu doveri per i musulmani“ („Österreich nahm ein Gesetz zur Verhinderung des Extremismus an - Mehr Recht und mehr Pflichten für die Muslime“).

Potz sagte, das Islamgesetz habe mit seiner „systematischen Zusammenfassung“ der gesammelten Rechte der österreichischen Muslime und auch der Einführung einer islamischen Theologie an der Universität eine „europaweite Vorbildwirkung“. Gleichzeitig sieht der Experte juristisch-technische Probleme, etwa bei der Auflösung islamischer Vereine, die der Vereinsfreiheit widersprechen und bei der Einbeziehung der Aleviten in das Gesetz.

Potz: „Zeitpunkt kontraproduktiv“

Völlig kontraproduktiv sei der Zeitpunkt des Gesetzes gewesen. „Es konnte dem Gesetz nichts Schlimmeres passieren, als dass es genau zu dem Zeitpunkt diskutiert wird, wo die Gräuel der Terrormiliz Islamischer Staat global bekannt wurden. Das hat dem Gesetz sicher nicht gut getan“, so Potz. Die parallel laufende Berichterstattung über das Gesetz und die IS-Gräuel habe die Leute „sicherlich bewegt“.

Sehitlik-Moschee in Berlin

APA/dpa/Rainer Jensen

Die Sehitlik-Moschee in Berlin

Problematisch sieht der Experte auch das Verbot der Auslandsfinanzierung, das sich vor allem auf die Türkei auswirken werde. Die türkischen Religionsbehörden haben das Gesetz bereits kritisiert und als Rückschritt bezeichnet. Rund 60 der 300 Imame in Österreich seien über einen Verein entsandt und müssten daher wieder das Land verlassen.

Potz: „Besonders spitzt sich das zu, wenn bei dieser Auslandsfinanzierung nicht nur Gelder kommen, sondern wenn ein ausländischer Staat - in dem Fall betrifft es den türkischen Staat - türkische Beamte entsandt werden, um hier seelsorgerische Aufgaben regelmäßig zu übernehmen, um hier Moscheegemeinden zu betreuen. Das ist etwas, was für viele Staaten ein Problem darstellt. Man hätte hier stärker differenzieren sollen zwischen Formen der Auslandsfinanzierung, die weltweit notwendig sind, und einer regelmäßigen Finanzierung durch die staatlichen Behörden eines anderes Staates.“

„Gesetz von 1912 schon 1970 überholt“

Das historische Gesetz von 1912 sei wegen der damaligen Annexion Bosniens an die Donaumonarchie notwendig geworden. Eine Regelung, was die spezifische institutionelle Situation einer islamischen Glaubensgemeinschaft betrifft, fehlte allerdings; nur die individuellen muslimischen Bürger seien mit den Anhängern einer anerkannten Kirche gleichgestellt worden.

In den 1970er-Jahren wurde die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich gegründet. „Ab diesem Zeitpunkt war das Islamgesetz mangelhaft“, erklärte Potz. Die Novelle sei also notwendig gewesen, doch kaum geboren, müsste sie streng genommen gleich nochmals überarbeitet werden, um Konflikte zu vermeiden.

„Das alte Gesetz wurde deshalb überwiegend gelobt, weil es das einzig vergleichbare Gesetz war. Es hat auch ein Parallelgesetz in Ungarn gegeben, im Rahmen der Donau-Monarchie. Aber diese Gesetze sind zur Zeit der kommunistischen Herrschaft aufgehoben worden. Es war ein Unikat europaweit und wurde daher, meiner Meinung nach zu Recht, gelobt. Das neue Gesetz ist schwer einzuordnen. Auf der einen Seite bringt es eine vernünftige Zusammenfassung der Rechte der Islamischen Glaubensgemeinschaft und anderer Religionsgemeinschaften. Das Gesetz hat aber eine Reihe von Bestimmungen, die, wie ich meine, zu Recht kritisiert werden“, sagte Potz Radio Vatikan gegenüber.

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Links: