Türkei: Wird Hagia Sophia wieder Moschee?

Aus der Türkei mehren sich die Zeichen, dass die Hagia Sophia in eine Moschee umgewandelt werden könnte. Vergangenen Freitag fand dort, was bisher verboten war, eine Koranlesung statt. Das wirft alte Fragen auf.

Zum ersten Mal seit Erklärung der einst größten Kirche des Christentums zum areligiösen Museum 1934 durch den türkischen Reformer-Präsidenten Kemal Atatürk wurde in dem in Istanbul gelegenen Kuppelbau am 10. April wieder ein muslimisches Gebet abgehalten.

Laut Scharia: Moschee eingeweiht

Der über die Türkei hinaus in der islamischen Welt berühmte Koran-Rezitator Ali Tel aus Ankara rezitierte in dem Museum Koranverse. Offizieller Anlass war die Eröffnung einer Ausstellung mit Kalligraphien zu Ehren des Propheten Mohammed an dessen Geburtstag. Den offiziellen Charakter dieser Koranlesung in der Hagia Sophia unterstrich die Teilnahme von Mehmet Görmez. Er ist Direktor des staatlichen Religionsamtes Diyanet.

Nach dem Religionsrecht der Scharia ist schon damit die säkularisierte Reichsmoschee der Osmanen wieder als solche eingeweiht, ohne dass noch ein besonderer Umwandlungsbeschluss dazu notwendig ist. Dabei geht es dann nur noch um Durchführungsbestimmungen. Solche werden, laut der Nachrichtenagentur Kathpress, für den Jahrestag der Eroberung von Konstantinopel am 29. Mai 1453 erwartet.

Die Hagia Sofia beim Sonnenaufgang

EPA/Tolga Bozoglu

Hagia Sophia in Istanbul. Einst Kirche, einst Moschee, jetzt Museum.

Alte Debatte

Bisher waren religiöse Handlungen in der Hagia Sophia verboten. Daran mussten sich auch drei Päpste bei ihren Besuchen in der Hagia Sophia halten; Paul VI. aber kniete 1967 zu einem stillen Gebet nieder.

Die von Christen geäußerte Befürchtung die Hagia Sophia könnte wieder zu einer Moschee werden, ist allerdings nicht neu. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. hatte sich vergangenes Jahr gegen eine Umwandlung zur Moschee ausgesprochen. Tausende Muslime hatten aber in der türkischen Metropole Istanbul mit einem symbolischen Morgengebet vor der Hagia Sophia die Rückumwandlung des Museums in eine Moschee gefordert.

Islamisch-christliche Koexistenz

Die Tatsache, dass das Gebet bzw. die „Rückweihung“ der Hagia Sophia zur Moschee ausgerechnet am ostkirchlichen Karfreitag stattfand, wird in christlichen Kreisen Istanbuls als besondere Herausforderung betrachtet. Allerdings hat bisher niemand öffentlich dagegen protestiert.

Es wurde allerdings verlautet, dass bei einer religiösen Revitalisierung des Museums zumindest ein Teil nicht wieder Moschee, sondern wie einst Kirche werden solle. Für die Existenz solcher islamisch-christlicher Doppelgotteshäuser gibt es in der islamischen und osmanischen Geschichte eine Reihe wichtiger Beweise, so in Damaskus oder dem türkischen Diyarbakir.

religion.ORF.at/KAP

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