Türkei will Beziehungen zum Vatikan nicht beenden

Die Türkei will ihre diplomatischen Beziehungen zum Vatikan trotz des scharfen Protests gegen die Bezeichnung der Armenier-Massaker im Osmanischen Reich als „Völkermord“ durch den Papst aufrechterhalten.

„Wir wollen unsere Botschaft nicht schließen“, sagte der türkische Botschafter im Vatikan, Aydin Adnan Sezgin, der italienischen Tageszeitung „Il Messaggero“ laut Kathpress. Es sei klar, dass die Aussage des Papstes vom Sonntag Auswirkungen auf das türkisch-vatikanische Verhältnis habe, so der Diplomat. Es gebe jedoch auch weiterhin Raum, um „der Diplomatie neuen Atem zu geben“.

Konsequenzen angedroht

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich am Dienstag über die Worte von Papst Franziskus empört gezeigt. Er bezeichnete den Gebrauch des Wortes „Völkermord“ durch Franziskus im Zusammenhang mit den Massenmorden an Armeniern durch das Osmanische Reich als „Unsinn“.

Das Oberhaupt der katholischen Kirche solle einen derartigen Fehler nicht noch einmal machen, hatte der erboste Erdogan am Dienstag in einer Rede vor Geschäftsleuten in Ankara gedroht. Der Hintergrund: Papst Franziskus hatte am Sonntag bei einer Messe im Petersdom von Völkermord gesprochen, um das Vorgehen des Vorgängerstaates der Türkei im Jahr 1915 zu beschreiben.

Nach armenischen Angaben fielen zwischen 1915 und 1916 bis zu 1,5 Millionen Angehörige der Minderheit einem Völkermord zum Opfer. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches weist diesen, auch von Historikern verwendeten Begriff, kategorisch zurück.

Vatikan: „Kein Kommentar“

Der Vatikan will die Reaktionen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Aussagen des Papstes zu den Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich nicht kommentieren. „Wir nehmen die türkischen Reaktionen zur Kenntnis, wir wollen jedoch nicht polemisieren“, betonte der vatikanische Pressesprecher Federico Lombardi auf Anfrage von Journalisten am Mittwoch.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu

APA/EPA/Dumitru Doru

Für den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu wird die Türkei durch den Begriff „Völkermord“ verleumdet.

Nach den Aussagen des Papstes wurde der türkische Botschafter im Vatikan abberufen und der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu stellte weitere Schritte gegen den Vatikan in Aussicht. Diese Schritte würden nach entsprechenden Beratungen öffentlich gemacht, so Cavusoglu bei einem Besuch in der Mongolei, berichtete die Zeitung „Hürriyet Daily News“ am Montag.

„Verleumdung“ durch Papst

Die Bemerkungen des Papstes „seien null und nichtig für das türkische Volk“, so der türkische Außenminister. Der Ausdruck „Völkermord“, hatte Cavusoglu kritisiert, sei ein „rechtlicher Begriff“, der in diesem Fall nicht gedeckt und daher „nichts als Verleumdung“ sei.

Auch der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Mehmet Görmez, hatte Papst Franziskus scharf kritisiert. Es sei „erschütternd, dass politische Lobbys und PR-Firmen ihre Aktivitäten auf religiöse Institutionen ausgedehnt“ hätten, sagte Görmez. Wenn die Gesellschaften anfingen, sich über vergangene Leiden gegenseitig Fragen zu stellen, „dann wird der Vatikan mehr leiden als sonst jemand“, zitierte die APA Görmez.

Frühere Diskussionen

In Italien hatten sich dagegen einige Politiker hinter Papst Franziskus gestellt. Außenminister Paolo Gentiloni wies nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA die „ungerechtfertigten Töne“ aus der Türkei zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass Papst Franziskus die türkische Regierung gegen sich aufbringt. Als Papst Franziskus die Gräueltaten an den Armeniern knapp drei Monate nach seinem Amtsantritt im Juni 2013, schon einmal als „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete, protestierte die Türkei ebenfalls offiziell. Der vatikanische Botschafter wurde danach - wie auch nach der Messe am Sonntag - zu einem Gespräch zitiert.

Beobachter in der Türkei sehen in dem Streit mit dem Vatikan Wahlkampfmunition für die Regierungspartei AKP - die hinter Präsident Recep Tayyip Erdogan steht - für die im Juni stattfindenden Parlamentswahlen.

religion.ORF.at/APA

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