Kritik aus Österreich an „Sklavenarbeit“ in Indien

Die Katholische Frauenbewegung und die „Clean Clothes“-Kampagne machen auf eine häufige Form der Ausbeutung von Mädchen und jungen Frauen in Indien aufmerksam.

Sie werden mit dem Versprechen, sich eine Mitgift erarbeiten zu können, in sklavenähnliche Beschäftigungsverhältnisse in der Bekleidungsindustrie gelockt. Im indischen Bundesstaat Tamil Nadu habe Arbeitsminister P. Mohan 35.000 Protestunterschriften aus Österreich entgegengenommen, so die Katholische Frauenbewegung (kfbö) am Mittwoch in einer Aussendung. Die Petition richtet sich gegen die „Sumangali-Scheme“ genannte Arbeitsverträge.

Anstatt, wie versprochen, eine Mitgift und damit den Status einer „Sumangali“, einer „glücklichen Braut“ oder „glücklich verheirateten Frau“, erwirtschaften zu können, würden die Arbeiterinnen in Baumwollspinnereien ausgebeutet. Beim Start der Unterschriftensammlung vor einem Jahr seien rund 200.000 Frauen und Mädchen in Südindien Opfer dieser Praxis gewesen.

Demütigungen und Gewalt

„Die Betroffenen arbeiten, ständig überwacht, sieben Tage die Woche in Zwölf-Stunden-Schichten, werden gering bis gar nicht entlohnt, nur notdürftig medizinisch versorgt, sind Demütigungen und Gewalt ausgesetzt“, schilderten die Initiatorinnen des Protests in einer Aussendung. „Mit den Garnen aus den Spinnereien, in denen die Mädchen und Frauen schuften, wird eine Vielzahl von Modelabels auf dem europäischen und internationalen Bekleidungsmarkt versorgt.“ Zu den geforderten Verbesserungen zählen die Anstellung von Mädchen als Lehrlinge, dass Arbeiterinnen über 18 Jahre in geregelte Anstellungsverhältnisse übernommen werden und Kinderarbeit verhindert wird.

Übergabe einer Petition gegen Ausbeutung in Südindien (Tamil Nadu)

Vaan Muhil

Übergabe der Petition gegen Ausbeutung in Südindien (Tamil Nadu)

In der Bekleidungsindustrie, auch der österreichischen, orten die Aktivisten kein Interesse, „solche Formen extremer Ausbeutung zu verhindern“: Unternehmen würden sich auf Verhaltenskodizes für ihre Endproduktionsstätten berufen, Zulieferer würden aber nicht kontrolliert. Den Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort sei die Unterstützung aus Österreich im Kampf gegen die weiterhin erbärmlichen Arbeitsbedingungen in Baumwollspinnereien „eine große Hilfe“, auch in der Bewusstseins-und Öffentlichkeitsarbeit, hieß es. Die kfbö hatte die Unterschriften im Rahmen der „Aktion Familienfasttag“ gemeinsam mit Partnerorganisationen im Vorjahr gesammelt.

Anliegen „positiv“ aufgenommen

Mobilisiert hatten für die Petition neben der Aktion Familienfasttag auch die „Clean Clothes“-Kampagne, der Gewerkschaftsbund, die Katholische ArbeitnehmerInnenbewegung sowie die NGOs Frauensolidarität, Dreikönigsaktion, Welthaus Graz und Linz.

Bei der Übergabe am 7. April sei ein ausführliches Gespräch mit Arbeitsminister Mohan gelungen, berichtete der Leiter der Menschenrechtsaktivist Arockiasamy Britto, dessen NGO Vaan Muhil ein Partner der kfbö ist. Sämtliche vorgebrachten Anliegen seien von dem Politiker „positiv“ aufgenommen worden, er habe allerdings zu bedenken gegeben, dass der Regierung ein Einschreiten durch die Bereitwilligkeit vieler Eltern, ihre Töchter in die Fabriken zu schicken, erschwert werde. Brittos Angaben zufolge habe jedoch eine deutlich registrierbare, kritische Berichterstattung über die Unterschriftenübergabe durch die Medien vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung in Tamil Nadu geleistet.

Österreich in Ausbeutung verwickelt

Die über allen Erwartungen liegende hohe Beteiligung an der Petition habe gezeigt, „dass es der österreichischen Bevölkerung ein Anliegen ist, Kleidung zu kaufen, die nicht auf unfairen Arbeitsbedingungen von Arbeitern im Süden basiert“, erklärte Veronika Pernsteiner von der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.

Dennoch fehle es in Österreichs Bekleidungsbranche weiterhin völlig an Bewusstsein für extreme Ausbeutung in der Produktion sowie auch an Interesse an deren Verhinderung, hatte die „Clean Clothes“-Kampagne in einer Umfrage zeitgleich zur Petition aufgezeigt. Falls sie überhaupt reagierten, hätten die befragten Unternehmen - darunter Eisbär, Huber, Northland, Palmers, Schneiders, Sportalm, Tostmann, Trikot Jones, Triumph und Wolford - lediglich auf Verhaltenskodizes für die Endproduktion verwiesen, während weitere Zulieferer nicht kontrolliert werden.

Sklavenartige Bedingungen

Ernüchternd war zudem ein im Herbst 2014 veröffentlichter niederländischer Report, für den 150 Textilarbeiterinnen in fünf Spinnereien intensiv befragt worden waren: Nach wie vor würden Mädchen und junge Frauen aus armen Dörfern mit falschen Versprechungen in die Spinnereien gelockt und dort unter sklavenartigen Bedingungen gehalten. Die Situation der Beschäftigten habe sich demnach seit Beginn der Petition nicht merkbar verbessert. Die untersuchten Spinnereien beliefern laut dem Bericht Unternehmen wie C&A, Mothercare, HanesBrands, Sainsbury’s und Primark.

Die Exportdaten-Überprüfung zeigte überdies eine direkte Verbindung zwischen den untersuchten Spinnereien und drei ausländischen Banken, darunter neben der britischen Standard Chartered Bank und der Bank of Tokyo Mitsubishi auch Raiffeisen. Alle drei Banken sind Finanzdienstleister der Spinnereien und ihrer Kunden. Alle Beteiligten an den globalen Lieferketten sollten mehr auf Transparenz achten und sich für eine Aufdeckung und Einklagung von Menschenrechtsverletzungen engagieren, so der Aufruf der Berichtautoren - vor allem durch Sicherstellung der Arbeit von Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft.

religion.ORF.at/APA/KAP

Links: