Vatikan will kein „Hickhack“ mit Erdogan

Der Vatikan will sich nach Worten seines Sprechers Federico Lombardi nicht auf ein „Hickhack“ mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einlassen. Papst Franziskus hatte die Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet.

„Wenn es von türkischer Seite Reaktionen gab, nehmen wir das zur Kenntnis“, sagte Lombardi mit Blick auf die Papst-Schelte durch Erdogan am Mittwoch vor Journalisten im Vatikan - mehr dazu in Erdogan: Papst redet „Unsinn“ in Armenierfrage. Man werde aber „aus der Sache keinen Streitfall“ machen, so der Jesuit. Lombardi bekräftigte am Mittwoch, man werde inhaltlich nicht zurückrudern. Der Vatikan habe in dieser Frage „eine sehr präzise und konsequente Linie“. Im Übrigen sei „sonnenklar“, dass Franziskus lediglich einen früheren vatikanischen Sprachgebrauch aufgegriffen habe.

So habe Franziskus in seiner Predigt am Sonntag ausdrücklich auf eine gemeinsame Erklärung seines Vorgängers Johannes Paul II. (1978-2005) und des armenischen Kirchenoberhaupts Karekin II. bezogen, die ebenfalls den Begriff Völkermord benutze. Zudem habe Franziskus positiv auf „den Wunsch nach Versöhnung und Dialog zwischen dem türkischen und dem armenischen Volk“ verwiesen, so der Sprecher.

Papst Franziskus feiert eine Messe mit dem armenischen Kirchenoberhaupt Karekin II. im Vatikan

APA/EPA/ANSA/Giorgio Onorati

Papst Franziskus feiert eine Messe mit dem armenischen Kirchenoberhaupt Karekin II. im Vatikan (12. April)

Historikerkommission „interessant“

Als „interessant“ bezeichnete Lombardi einen Hinweis Erdogans, eine gemeinsame Historikerkommission zum Schicksal der Armenier einsetzen zu wollen. Dazu habe womöglich die Predigt des Papstes „einen zusätzlichen starken Impuls gegeben“, so der Vatikansprecher.

Das EU-Parlament hat die Türkei aufgefordert, den Völkermord an Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich anzuerkennen. Die Entschließung wurde am Mittwoch in Brüssel verabschiedet. Die EU-Abgeordneten fordern, „den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen und so den Weg für eine wirkliche Aussöhnung der Türken und der Armenier zu ebnen“. In der Resolution wird die Türkei auch aufgefordert, „das Gedenken an den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern zum Anlass zu nehmen, ihre Bemühungen, einschließlich der Gewährung des Zugangs zu den Archiven, fortzusetzen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen“.

Erfolgreiche Aussöhnungen als Vorbild

Armenien und die Türkei werden vom EU-Parlament aufgefordert, „sich Beispiele für eine erfolgreiche Aussöhnung europäischer Nationen zum Vorbild zu nehmen und eine Agenda in den Mittelpunkt zu rücken, bei der die Zusammenarbeit der Völker an erster Stelle steht“.

Beide Länder sollten ohne Vorbedingungen ihre 2009 vereinbarten Protokolle über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ratifizieren und umsetzen, die Grenze öffnen und ihre Beziehungen insbesondere im Hinblick auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die wirtschaftliche Integration aktiv verbessern, verlangten die EU-Abgeordneten.

Erdogan vs. Papst

Das EU-Parlament erinnerte daran, „dass immer mehr (EU-)Mitgliedsstaaten, einschließlich ihrer Parlamente, den im Osmanischen Reich begangenen Völkermord an den Armeniern anerkennen“. Das EU-Kandidatenland Türkei hat sich entgegen der Meinung zahlreicher Historiker bisher geweigert, die Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als „Völkermord“ anzuerkennen. Am vergangenen Sonntag hatte Papst Franziskus die Gräueltaten als „ersten Völkermord im 20. Jahrhundert“ eingeordnet. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Papst am Dienstag davor gewarnt, einen solchen „Unsinn“ zu wiederholen.

Zuvor hatte die EU-Kommission die Türkei und Armenien zu weiteren Schritten in Richtung Versöhnung aufgefordert. Versöhnung ist eine zentrale Grundlage des europäischen Projekts und der europäischen Werte, betonte die EU-Behörde. Bereits 1987 hat das Europäische Parlament den Völkermord an den Armeniern anerkannt.

Gedenktag der Vertreibungen

Armenier in der ganzen Welt erinnern am 24. April an den Jahrestag des Beginns der Vertreibungen. Bei etwa zwei Jahre dauernden Deportationen und Massakern starben laut armenischen Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Menschen, für sie ist es ein „Völkermord“. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches geht von deutlich weniger Opfern aus. Die osmanische Führung warf den christlichen Armeniern vor, mit dem Weltkriegsgegner Russland zusammenzuarbeiten.

religion.ORF.at/APA/KAP

Mehr dazu: