ORF-Korrespondentin: „Der Papst ist politisch“

Der Papst habe in den vergangenen zwei Jahren bereits „einiges verändert“, hat die Rom-Korrespondentin des ORF, Mathilde Schwabeneder, am Mittwoch bei der Gesprächsreihe „Beim Erzbischof zu Gast“ gesagt.

Schwabeneder war die erste Eingeladene zu Erzbischof Franz Lackners Gesprächsreihe im Salzburger Bischofshaus. Die Journalistin verwies auf Aussagen des Amazonas-Bischofs Erwin Kräutler, der es nach einer Privataudienz bei Papst Franziskus als Novum für den Vatikan bezeichnet hatte, „dass man offene Türen hat und angehört wird“.

Gute Atmosphäre

Erzbischof Lackner sagte, dass es „atmosphärisch wirklich ganz leicht“ sei, in Gegenwart des Papstes „das zu sagen, was man sagen möchte - dass man nicht fünf Mauern überspringen muss, und dann noch hechelnd eine Frage zustande bringt“, so der Salzburger Erzbischof.

ORF-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder

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Mathilde Schwabeneder berichtet seit 2007 für den ORF aus Rom.

Der Papst fordere in politischen Belangen die freie Rede ein, sagte Schwabeneder: Etwa in der Armenien-Frage, bei der Franziskus die Tragödie vor 100 Jahren am Wochenende auch offiziell als „Völkermord“ bezeichnet und damit den Unmut der Türkei auf sich gezogen habe, bekenne er sich klar dazu, „Dinge nicht zu verschweigen, die evident sind“.

„Insider mit Papst-Linie wenig am Hut“

Laut der ORF-Korrespondentin sei der Papst deshalb „im guten Sinn des Wortes politisch, auch wenn er sich nicht tagespolitisch äußert“. Auf alle in der Kurie habe die neue Offenheit laut Schwabeneder jedoch nicht abgefärbt, denn „es gibt sicher einen harten Sockel an Vatikan-Insidern, die mit dieser Linie des Papstes wenig am Hut haben“.

Dies sei nur „verständlich“, habe Franziskus doch „viel umgerührt“, angefangen von der Entscheidung, im Gästehaus Santa Marta statt im Apostolischen Palast zu wohnen. „Er hätte gern alles vom Gästehaus aus gemacht, doch das ging dann nicht“, so die Journalistin.

Papst als Genießer

Es sei nur für Journalisten „köstlich anzuhören, wie Papst Franziskus formuliert“, erklärte Schwabeneder. Man merke dem Papst an, „dass er das Leben mit all seinen Sonnen- und Schattenseiten gut kennt“.

Inhaltlich sah die Vatikanexpertin den Papst als Botschafter „gegen die größer werdende Schere zwischen Arm und Reich“, dem es tatsächlich um eine Kirche der Armen und eine Kirche für die Armen gehe, wie er selbst oft erkläre. Die angekündigten Reformen seien mit großen Erwartungen verbunden, nachdem etwa bei der Familiensynode erstmals auch Abstimmungsergebnisse veröffentlicht worden seien. „Umso mehr Enttäuschungen sind programmiert, wenn nichts verändert wird“, so Schwabeneder.

religion.ORF.at/KAP