Opfer der Massaker an Armeniern heiliggesprochen

Die armenische Kirche hat am Donnerstag die Opfer der Massaker an den Armeniern vor hundert Jahren als Märtyrer heiliggesprochen. Es war die bisher größte kollektive Heiligsprechung durch eine christliche Kirche.

„Mehr als eine Million Armenier wurden deportiert, getötet und ermordet, aber sie blieben Christus treu“, sagte das Oberhaupt der christlichen Armenier, Patriarch Karekin II., bei einer Zeremonie vor der Kathedrale in Etschmiadzin. Die Messe endete um 19.15 Uhr Ortszeit. Damit sollte symbolisch an den Beginn der Massaker im Jahr 1915 erinnert werden. Anschließend läuteten in allen Kirchen des Landes sowie in armenischen Gotteshäusern rund um die Welt die Glocken, wie das armenische Fernsehen berichtete. Außerdem wurde der Opfer mit einer Schweigeminute gedacht.

Das Oberhaupt der christlichen Armenier, Patriarch Karekin II., bei der Heiligsprechung armenischer Märtyrer vor der Kathedrale in Etschmiadsin

Reuters/Hrant Khachatryan/PAN Photo

Das Oberhaupt der christlichen Armenier, Patriarch Karekin II., bei der Heiligsprechung

„Ruf nach Wahrheit“

Es war die erste Heiligsprechung in der armenisch-apostolischen Kirche seit dem 18. Jahrhundert. Bisher hatte die Kirche jedes Jahr am 24. April eine Seelenmesse für die Völkermordopfer gefeiert. Am selben Tag besuchte Karekin II. regelmäßig gemeinsam mit den höchsten Repräsentanten des Staates das „Schwalbenfestung“ genannte Genozidmahnmal auf einem Hügel in Eriwan. In einer im Jänner veröffentlichten Enzyklika hatte Karekin II. betont, das Völkermordgedenken solle im Zeichen des „kraftvollen Rufs nach Wahrheit und Gerechtigkeit“ begangen werden, „der nicht zum Schweigen zu bringen“ sei.

Die armenisch-apostolische Kirche ist eine altorientalische Kirche mit weltweit etwa sieben Millionen Gläubigen. Sie ist eigenständig und führt sich auf die Apostel Thaddäus und Bartholomäus zurück, die das Christentum im ersten Jahrhundert nach Armenien gebracht haben sollen.

Anerkennung durch Gauck begrüßt

Nach armenischer Einschätzung starben ab dem 24. April 1915 bei der Verfolgung und Vertreibung der Armenier auf dem Gebiet der heutigen Türkei bis zu 1,5 Millionen Armenier. Betroffen waren zudem Aramäer und Griechen. Armenien begrüßte die Anerkennung des Völkermords vor 100 Jahren im Osmanischen Reich durch den deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Mit diesem Schritt zolle Deutschland den unschuldigen Armeniern Tribut, die damals getötet worden seien, teilte Außenminister Edward Nalbandian am Freitag in Eriwan mit.

Gedenken an die Opfer der Armenien-Massaker in Berlin

APA/EPA/dpa/Britta Pedersen

Gedenken an die Opfer der Massaker in Berlin

Deutschlands Anerkennung der Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern sei auch ein wichtiger Beitrag, um Genozide künftig zu verhindern, sagte er Berichten zufolge. Gauck hatte am Donnerstagabend bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst in Berlin von Völkermord gesprochen. Die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches weist den Vorwurf des Genozids entgegen vielen historischen Belegen zurück.

Zentralrat der Juden: „Verbrechen beim Namen nennen“

Der Zentralrat der Juden (ZdJ) in Deutschland hat eine klare Benennung der Verbrechen an den Armeniern gefordert. „Was vor hundert Jahren im Osmanischen Reich geschehen ist, die Deportation und Ermordung von mehr als einer Million Armenier, war ein Völkermord“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag-Ausgabe). Es sei daher „richtig, dass jetzt nach dem Papst auch der Bundestag dieses schreckliche Verbrechen klar beim Namen nennt“.

Schuster forderte die Regierung in Ankara auf, die Verbrechen im Osmanischen Reich vollständig aufzuarbeiten. „Es ist jetzt an der Zeit, dass sich die Türkei offen und ehrlich mit diesem Kapitel und ihrer Verantwortung für die Vergangenheit auseinandersetzt“, sagte er der Zeitung.

Gedenken Hunderttausender

Hunderttausende Armenier gedachten am Freitag in Eriwan der Gräueltaten gegen ihr Volk, die am 24. April 1915 mit der Verhaftung Intellektueller im damaligen Konstantinopel (heute Istanbul) begannen. Der armenische Präsident Sersch Sargsjan legte am Mahnmal für die Opfer der Gräuel Blumen nieder. „Nichts ist vergessen, nach hundert Jahren erinnern wir uns“, sagte er. An der offiziellen Zeremonie zum Auftakt nahmen auch der französische Präsident Francois Hollande und der russische Staatschef Wladimir Putin sowie Dutzende weitere Politiker aus dem Ausland teil.

Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Hannes Weninger, der ebenfalls an dem zentralen Gedenken in Eriwan von österreichischer Seite teilnahm, erklärte in einer Aussendung: „Österreich verneigt sich vor den Opfern des Völkermordes am armenischen Volk. Wir gedenken jener rund 1,5 Millionen Armenier, die in den Jahren 1915 und 1916 einem der ersten Genozide des 20. Jahrhunderts zum Opfer fielen.“

Gedenken auch in Wien

Im Stephansdom in Wien fand um 17.00 Uhr ein ökumenischer Gedenkgottesdienst mit Kardinal Christoph Schönborn statt, im Resselpark auf dem Karlsplatz am Freitagabend ein „Marsch für Gerechtigkeit“ im Gedenken an den Völkermord, dem auch chaldäische und assyrische Christen zum Opfer fielen - mehr dazu in Armenier-Gedenkmarsch und Pro-Türkei-Demo. Laut der Medienservicestelle Neue Österreicher/innen leben in Österreich mehr als 7.000 Menschen mit armenischen Wurzeln.

Österreich-Ungarn und das Deutsche Kaiserreich waren zu Zeiten des Völkermords im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet. In Berlin und Wien wusste man über die Massaker und Vertreibungen Bescheid, ohne dagegen einzuschreiten. Die Parlamente in Österreich und Deutschland haben sich heuer anlässlich des 100. Jahrestags erstmals dazu durchgerungen, den Völkermord anzuerkennen.

religion.ORF.at/APA/dpa/AFP/KAP

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