Kräutler: Romero-Seligsprechung längst überfällig

Am Samstag wird Erzbischof Oscar Romero seliggesprochen, und es ist „höchst an der Zeit, dass es endlich stattfindet“, so der austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler im Kathpress-Interview.

In Lateinamerika werde Romero längst als Heiliger verehrt. Es habe anscheinend eines Papstes aus Lateinamerika bedurft, damit die offizielle Seligsprechung endlich vollzogen werden kann, so der Bischof von Altamira-Xingu in Nordbrasilien.

Die Befreiungstheologie sei nur aus europäischem Unverständnis heraus als marxistisch verleumdet worden, erinnerte Kräutler. Er sei seit fast 50 Jahren in Brasilien, seine Diözese bestehe aus 777 Gemeinden, „und keine einzige davon ist marxistisch angehaucht. Das ist einfach Unsinn“, so Kräutler.

Befreiungstheologie biblisch fundiert

Die Befreiungstheologie sei biblisch fundiert, „Jesus identifiziert sich mit den Armen“. Papst Franziskus habe einfach einen direkten Zugang zur politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation Lateinamerikas, sagte Kräutler. Und der Papst habe deshalb wohl auch mit letzten Voreingenommenheiten gegenüber Erzbischof Romero aufgeräumt.

Der Erzbischof von San Salvador, Oscar Romero, war am 24. März 1980 während eines Gottesdienstes in einer Krankenhauskapelle von Unbekannten erschossen worden. Die Hintergründe sind bis heute nicht vollständig geklärt; die Drahtzieher des Attentats werden jedoch in der Armee vermutet. Romero hatte durch seinen unermüdlichen Einsatz für die Rechte der Armen und Unterdrückten den Hass reaktionärer Kreise auf sich gezogen.

Für Änderungen beim Zölibat

Einmal mehr hob Bischof Kräutler im Kathpress-Gespräch auch die Notwendigkeit von Änderungen bei den Zulassungsbestimmungen zum Priesteramt hervor. Den Zölibat halte er „für eine ganz wichtige Sache“, so Kräutler. „Ich werde den Zölibat immer verteidigen und hochhalten. Er ist eine Gnade.“ Das „Problem“ sei aber die Verbindung der Eucharistiefeier mit dem Zölibat des Priesters.

In der Diözese Xingu stünden ihm für knapp 800 Gemeinden gerade einmal 27 Priester zur Verfügung. Deshalb gebe es in rund 70 Prozent der Gemeinden nur zwei bis vier sonntägliche Eucharistiefeiern pro Jahr. Er sehe das als „unerträglichen Zustand“, sei doch die Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens“, so Kräutler. Die Menschen würden den Bezug und Zugang zur Eucharistie verlieren, "da läuten alle Alarmglocken: „Wer nicht in so einer Situation lebt, kann sich das nicht vorstellen.“

Franziskus habe die Bischöfe deshalb ermutigt, aus ihrer konkreten Situation heraus Vorschläge zu machen. Die brasilianische Bischofskonferenz habe über die Problematik auch bereits beraten, so Kräutler, freilich noch ohne konkretes Ergebnis. Konkrete Vorschläge „muss es aber geben“, zeigte sich der Bischof überzeugt.

„Dezentralisierung nötig“

Eingeräumt werden müsse allerdings, dass die Situation auch in Brasilien sehr unterschiedlich sei. Im Süden des Landes sei die Seelsorge wesentlich einfacher zu organisieren als im Amazonas-Gebiet. „Aber gerade deshalb braucht es mehr Dezentralisierung, um Probleme auch vor Ort lösen zu können“, sagte Kräutler: „Normen sind gut und wichtig, aber es braucht auch Ausnahmen. Den örtlichen Bischöfen muss mehr Vollmacht eingeräumt werden. Es kann nicht alles in Rom entschieden werden, was am Xingu passiert.“

Was für den Zölibat gelte, müsse genauso für den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen gelten. Es brauche eine offene Kirche, die auf die Nöte der Menschen eingehe und die nicht mit pauschalen Antworten hantiere. Der Papst werde sicher keine allgemeinen Leitlinien herausgeben, wonach jeder zur Kommunion gehen dürfe, zeigte sich Kräutler überzeugt. Dennoch sollten den Bischöfen und Priestern im konkreten Fall pastorale Möglichkeiten zur Hand gegeben werden. Er erhoffe sich diesbezüglich von der kommenden vatikanischen Synode zu Ehe und Familie im Herbst wichtige Impulse, so Kräutler: „Wir erhoffen uns schon sehr, dass hier einige Türen in der Kirche geöffnet werden.“

Rücktritt angeboten

Bischof Kräutler lebt und arbeitet seit 1965 in Brasilien. Nach Jahren als Missionar wurde er 1981 Bischof der Diözese Xingu im Amazonasgebiet, die mit rund 350.000 Quadratkilometern rund vier Mal so groß ist wie Österreich. Am 12. Juli des vergangenen Jahres feierte Kräutler seinen 75. Geburtstag und bot Papst Franziskus gemäß dem Kirchenrecht seinen Rücktritt als Bischof an; bislang freilich ohne Antwort aus dem Vatikan.

Er sei auch sicher noch nicht amtsmüde, betonte Kräutler. Die Entscheidung liege freilich ganz beim Papst. Er würde jedenfalls auch seinem Nachfolger nach Kräften zur Seite stehen, wenn dieser das wünsche.

Zu wenige Priester

Ein zentrales Anliegen hat Kräutler aber bereits in Rom deponiert: Die Ausmaße der Diözese Xingu seien aufgrund der demografischen Entwicklung und den dafür zur Verfügung stehenden kirchlichen Ressourcen nicht mehr tragbar. Lebten in seiner Diözese zu seinem Amtsantritt 1980 ca. 100.000 Menschen, von denen 65 Prozent katholisch waren, so sind es inzwischen gut 700.000 (davon wieder 65 Prozent katholisch). Das sei mit so wenigen Priestern nicht mehr zu bewältigen.

Die Diözese müsse dringend in drei eigenständige Einheit aufgeteilt werden, so Kräutler. Diesbezüglich gebe es vonseiten Roms zwar noch keine ihm bekannte Reaktion, aber es gebe Verständnis. „Der Vatikan muss rasch handeln“, so der Bischof.

religion.ORF.at/KAP

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