Film: Gewalt gegen „Aufmüpfige“ in kirchlichen Heimen

„Von jetzt an kein Zurück“ schildert anhand einer Liebesgeschichte zweier Jugendlicher die Vorkommnisse in katholischen und evangelischen Erziehungseinrichtungen im Deutschland der 1960er-Jahre.

Bigotterie, Spießigkeit und Frauenfeindlichkeit auf der einen Seite, unaufgearbeitete Traumata aus dem Weltkrieg auf der anderen - Martin und Ruby haben es nicht leicht im Deutschland des Jahres 1967. Doch sie haben einander. Eine Teenagerliebe, die - so scheint es - nichts und niemand zerstören kann. Nicht Pläne, sondern Träume sind es, die die beiden teilen: eine Band mit Ruby als Sängerin.

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Erfüllte Zeit, Sonntag, 28.6.2015, 7.05 Uhr, Ö1

Doch soweit kommt es nicht. Als die beiden ausreißen und mit dem geliehenen Moped einen Unfall haben, schaltet sich die Jugendfürsorge ein. Martin kommt nach Freistatt, in ein berüchtigtes Erziehungsheim für Burschen, in Trägerschaft der evangelischen Diakonie. Ruby wird in einem Kloster der barmherzigen Schwestern untergebracht.

Szene aus dem Film "Von jetzt an kein Zurück"

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Anton Spieker als Martin und Victoria Schulz als Ruby

Hartes Leben als Erziehungsmaßnahme

Ruby, die jetzt wieder züchtig „Rosemarie“ genannt wird, ist zutiefst unglücklich in ihrer neuen Umgebung. Als einzigen Lichtblick gibt es eine neue Freundin, ebenfalls ein „gefallenes Mädchen“. Martin leidet unter der Gewalt der Burschen im Heim. Tagsüber wird außerdem harte Arbeit verrichtet: Torfstechen im Moor. Für ihn stellt Tagebuchschreiben ein wichtiges Ventil dar, und er bleibt aufmüpfig.

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„Von jetzt an kein Zurück“ läuft derzeit in österreichischen Kinos

Für Drehbuch und Regie des hauptsächlich in Schwarz-Weiß gehaltenen Films zeichnet Christian Frosch verantwortlich. Er ist 1966 im niederösterreichischen Waidhofen an der Thaya geboren und hat sieben Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Einen großen Teil dieser Zeit verwendete er für Recherchen - nachdem er, zunächst ohne sein Zutun, mit dem Thema konfrontiert wurde.

Regisseur: „Die Realität war schlimmer“

„Ich habe jemanden getroffen, der in so einem Heim war, und der mir bei einer nächtlichen Begegnung seine Geschichte erzählt hat“, berichtet Frosch, „für mich war das die Initialzündung.“ Bis dahin habe er sich mit dem Thema – den üblen Verhältnissen in kirchlichen Erziehungseinrichtungen von damals – nicht beschäftigt. Und so galt es zunächst, die Geschichte auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Zig Interviews hat der Filmemacher im jahrelanger Vorbereitungsarbeit geführt, mit ehemaligen Zöglingen ebenso wie mit ehemaligen Erzieherinnen und Erziehern.

Szene aus dem Film "Von jetzt an kein Zurück"

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Ursula Ofner als Rubys Mutter, Ben Becker als ihr Vater

Was er da gehört habe, sei schlimmer als das, was der Film zeige, so Frosch, der seine Charaktere sehr vielschichtig zeichnet. Denn, so sagt er, die Erziehenden von damals seien durch das System genauso traumatisiert wie die Jugendlichen.

„Von jetzt an kein Zurück“ ist harte Kinokost und gerade deshalb ein wichtiger Film. Kann er doch einen Beitrag zur Aufarbeitung eines Tabu-Themas leisten: der früher ganz normalen Alltagsgewalt in katholischen und evangelischen Erziehungseinrichtungen. „Auch jenseits der öffentlichkeitswirksamen Missbrauchsskandale gibt es da noch viel Unausgesprochenes“, resümiert Regisseur Frosch.

Brigitte Krautgartner und Nina Goldmann, religion.ORF.at

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