Vatikan: „Irrationale Feindseligkeit“ gegen Flüchtlinge

Der Vatikan beklagt eine „irrationale Feindseligkeit“ im Umgang mit Flüchtlingen und verlangt, dass bei der Vergabe von Entwicklungshilfen Aufnahmeländer von Flüchtlingen besonders bedacht werden müssen.

Manche betrachteten Flüchtlinge so, als seien „die Opfer von Gewalt und Missbrauch und Menschenrechtsverletzungen selbst schuld an ihrer Lage“, sagte der Vatikan-Vertreter im Ständigen Ausschuss der UNO-Flüchtlingskommission (UNHCR) in Genf am Mittwoch.

Silvano Tomasi

APA/EPA/Martial Trezzini

Erzbischof Silvano Tomasi

Erzbischof Silvano Tomasi sprach von „beunruhigenden“ Umständen. Nötig seien „außerordentliche Solidarität“, eine großzügigere Wiederansiedlung von Flüchtlingen und eine bessere Aufteilung der Verantwortung.

Eine ausschließlich sicherheitsorientierte Flüchtlingspolitik übersehe, dass Asylsuchende Opfer von Tragödien seien und die Frage des Gemeinwohls über die Grenzen eines einzelnen Staates hinausreiche, so der Vatikan-Diplomat. Tomasi warf der Weltgemeinschaft mangelnden politischen Willen bei der Beendigung von Konflikten und anderer Ursachen von Flucht und Vertreibung vor.

Destabilisierung verhindern

Der Vatikan verlangte, bei der Vergabe internationaler Entwicklungshilfen müssten Aufnahmeländer von Flüchtlingen besonders bedacht werden. Es gelte, eine Destabilisierung der betreffenden Staaten und damit weitere Vertreibungen zu verhindern.

Tomasi wies weiter darauf hin, dass immer mehr Flüchtlinge keinen internationalen Schutz genössen; er bezog sich damit auf jene, die aufgrund der Folgen von Umweltschäden und Klimawandel ihre Heimat verließen. Laut neuesten Angaben des UNHCR leben weltweit derzeit mehr als 60 Millionen Menschen als Flüchtlinge und Vertriebene, die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 2014 kamen jeden Tag durchschnittlich 42.500 hinzu.

EU-Kritik an Ungarns Flüchtlingspolitik

Unterdessen hat die Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Kristalina Georgieva, Ungarn für die Aussetzung des EU-Abkommens zur Rücknahme von Flüchtlingen kritisiert. Das Dublin-Verfahren sei im Interesse aller Staaten eingeführt worden; Vereinbarungen müssten eingehalten werden, sagte Georgieva am Mittwoch in Brüssel. Die EU-Kommission forderte die ungarische Regierung auf, ihre Entscheidung zu erklären.

Das ungarische Innenministerium hatte am Dienstagabend mitgeteilt, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, die aufgrund der Dublin-Regulierung in das Land zurückgeschickt werden. Das Land sei voll, hieß es. Etwa 60.000 illegale Flüchtlinge seien in diesem Jahr über die Grenze gekommen. Viele Flüchtlinge reisten weiter, etwa nach Deutschland und Österreich und würden im Rahmen der Dublin-Verordnung dann wieder nach Ungarn zurückgeschickt. Das Dublin-Abkommen sieht vor, dass Flüchtlinge nur in dem Land einen Asylantrag stellen dürfen, das sie bei ihrer Ankunft in Europa als erstes betreten haben.

Erst vor einer Woche hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban angekündigt, einen vier Meter hohen Zaun an der Grenze zu Serbien bauen zu lassen. Damit sollten Flüchtlingsströme aus Nahost und Afrika von der Einreise nach Ungarn abgehalten werden.

religion.ORF.at/KAP

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