Studie: Kirche als Milliardenunternehmen

Eine aktuelle Studie von Joanneum Research und des Instituts für Höhere Studien (IHS) setzt sich mit dem Wirtschaftsfaktor Kirche auseinander. Sie bildet Einnahmen und Ausgaben ab, versucht aber auch, Leistungen im Sozial- und Kulturbereich in Zahlen zu fassen.

Zentrales Ergebnis: Die römisch-katholische Kirche sorgt für 2,36 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs. Das Ziel der Studie mit dem Titel „Ökonomische Effekte der öffentlichen Leistungen der römisch-katholischen Kirche in Österreich“ ist die „Erhebung der öffentlichen Leistungen der römisch-katholischen Kirche für das Gemeinwesen in Österreich und die Quantifizierung ihrer ökonomischen Effekte nach wissenschaftlich anerkannten Methoden, um eine objektive und transparente Betrachtung zu ermöglichen“, ist in der Einleitung zu lesen.

Auftraggeber sind die Finanzkammerdirektoren der (Erz-)Diözesen und die Superiorenkonferenz. Die Studie bilde die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Ausgabenströme, die im Zuge der öffentlichen Leistungen der römisch-katholischen Kirche entstehen, „in all ihren Facetten und Dimensionen“ ab.

Soziale Leistungen erstmals erfasst

Darüber hinaus sei „erstmals“, wie es heißt, versucht worden, die Vielzahl an öffentlichen Leistungen und Tätigkeiten der Kirche, die schwierig bewertbar sind, zu erfassen. Das betrifft vor allem öffentliche Leistungen im Sozial- und Kulturbereich. Im Durchschnitt würden sich ein Katholik und eine Katholikin zudem 5,1 Stunden im Jahr auf Pfarrgemeindeebene in den verschiedensten Tätigkeitsfeldern ehrenamtlich engagieren. Hochgerechnet auf ganz Österreich entspricht diese Jahresleistung der ehrenamtlich engagierten Personen über 14.000 ganztätig Beschäftigten.

Grafik aus der Studie "Ökonomische Effekte der öffentlichen Leistungen
der römisch-katholischen Kirche in Österreich"

IHS

Aufgewendete Zeit ehrenamtlich engagierter Personen

„123.000 Arbeitsplätze“ durch Kirche

Die Studie ergab weiters, dass die katholische Kirche in Österreich rund „123.000 Arbeitsplätze in Vollzeitäquivalenten sichert und eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 6,65 Mrd. Euro generiert“. „Die durch die Kirche hervorgerufenen fiskalischen Effekte belaufen sich auf 3,35 Milliarden Euro“, heißt es.

Hinweis

Die detaillierte Studie „Ökonomische Effekte der öffentlichen Leistungen der römisch-katholischen Kirche in Österreich“ kann online über die Website der Akademie der Wissenschaften bestellt werden.

Erhoben wurden die Daten für die Erforschung der ehrenamtlichen Tätigkeiten mittels Primärdatenerhebungen in Form von Onlinebefragungen. 265 repräsentative Pfarrgemeinden nahmen daran teil. Dabei wurden die Leistungen sechs Darstellungsbereichen zugeordnet: sakrale Kirche, Soziales, Bildung, Gesundheit und Pflege, Kultur, Kunst und Denkmalpflege sowie Entwicklung, Mission und humanitäre Hilfe. Außerdem wurden Daten der Statistik Austria, Beantwortungen parlamentarischer Anfragen, Jahresberichte kirchlicher Stellen sowie Informationen von Bundesdenkmalamt und Ministerien verwendet. Die Ergebnisse stammen aus dem Jahr 2012.

Der „Engagementbereich Soziales und Bildung“ zum Beispiel umfasst unter anderem „die Tätigkeiten Mitarbeit im pfarrgemeindlichen Besuchsdienst und ehrenamtlicher Seelsorge, Mitarbeit bei der Dreikönigsaktion sowie Mitarbeit in weiteren pfarrweiten Sammelaktionen“. Die Einnahmen- und Ausgabenstruktur betreffend stellten die Pfarren, Diözesen und andere Einrichtungen der römisch-katholischen Kirche, etwa die Caritas, Primärdaten zur Verfügung. Befragt wurden auch die österreichischen Orden.

Durchschnittliches Engagement: 65 Stunden im Jahr

Die Befragung habe gezeigt, dass sich „insgesamt 6,4 Prozent der KatholikInnen auf Pfarrgemeindeebene in den abgefragten Kategorien und Tätigkeitsbereichen ehrenamtlich engagieren (das entspricht über 354.000 Personen)“, so die Studie. Im Durchschnitt engagierten sich diese Personen im Ausmaß von 65 Stunden im Jahr auf Pfarrebene ehrenamtlich. Rund 64 Prozent der ehrenamtlich tätigen Personen sind demnach weiblich. Ein Großteil der aufgewendeten Zeit (42 Prozent) betrifft der Studie zufolge religiöse und pastorale Tätigkeiten. Weitere wesentliche Tätigkeitsfelder sind Soziales und Bildung (20 Prozent) sowie Kultur und Brauchtumspflege (18 Prozent).

Stadtpfarrkirche Hartberg

Christian Öser/ORF.at

Wichtiger Faktor: Kultur und Brauchtumspflege (im Bild: Stadtpfarrkirche Hartberg)

Die Befragung zeigt laut Kurzfassung der Studie, dass sich im Durchschnitt ein Katholik und eine Katholikin 5,1 Stunden im Jahr auf Pfarrgemeindeebene in den verschiedensten Tätigkeitsfeldern ehrenamtlich engagieren. Hochgerechnet auf ganz Österreich ergebe das „ein wöchentliches Arbeitsvolumen von über 570.000 Stunden. Anders ausgedrückt wären zur Deckung der Jahresleistung der ehrenamtlich engagierten Personen über 14.000 ganztätig Beschäftigte notwendig. Wenn man das mittlere Bruttojahreseinkommen einer unselbstständig erwerbstätigen Person annimmt, so würde diese Gesamtleistung einem Wert von zwischen 400 und 540 Mio. Euro entsprechen.“

Feste, Taufen, Erstkommunion

Ebenfalls untersucht hat die Studie die Ausgaben der Kirche für Feste wie Taufen, Erstkommunion etc. und die damit verbundenen Aufwendungen für Verpflegung, Musik und anderes. Hochgerechnet auf ganz Österreich schlagen diese Ausgaben mit mehr als 147 Mio. Euro zu Buche. Die Auslandshilfe im Bereich Entwicklung, Mission und humanitäre Hilfe der römisch-katholischen Kirche liegt laut Studie bei 96 Mio. Euro jährlich.

Ein weiterer Teil der Studie beschäftigt sich mit makroökonomischen Effekten: Wertschöpfung, Beschäftigung und Steuern. „Die durch die Kirche hervorgerufenen fiskalischen Effekte belaufen sich auf 3,35 Mrd. Euro“, lautet das Fazit dieses Teils der Studie. Genau aufgeschlüsselt wird, welcher Anteil daran an Sozialversicherung, Bund und Länder abgeführt wird.

Im Bereich Beschäftigung präsentieren Joanneum Research und IHS Zahlen zu „Vollzeitäquivalenten“, also in Vollzeit Beschäftigten, in Berufen im Gesundheitswesen, in Alters- und Pflegeheimen, Erziehung und Unterricht, religiösen Interessenvertretungen, aber auch „Beherbergung und Gastronomie“, „Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe“ sowie „Einzel- und Großhandel“.

„Jeder 42. Euro im Umfeld kirchlicher Leistungen“

„Jeder 42. Euro wird im Umfeld von kirchlichen Leistungen erwirtschaftet, jeder 27. Arbeitsplatz in Österreich steht im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten“, so IHS-Experte Alexander Schnabl am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, bei der die Studie vorgestellt wurde.

Abschließend wird „im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse die Finanzierungseite der Wirkungsseite aller analysierten Leistungen gegenübergestellt“. Die Datengrundlage zu den Kosten bilden der Studie zufolge „einerseits die Primärdaten zu den Ausgaben der Einrichtungen und Organisationen der römisch-katholischen Kirche sowie andererseits mit Hilfe von Sekundärdaten durchgeführte Berechnungen und Analysen der Finanzierungsstruktur“. Berücksichtigt werden auch Aufwendungen privater Haushalte wie Spenden sowie staatliche Förderungen.

Grafik aus der Studie "Ökonomische Effekte der öffentlichen Leistungen
der römisch-katholischen Kirche in Österreich"

IHS

Kosten-Nutzen-Analyse der Leistungen der römisch-katholischen Kirche

Gewinne überwiegen staatliche Zuschüsse

Unterm Strich stünden die Aufwendungen der Kirche staatlichen Zuschüssen („Nettokosten“) von 130 Mio. Euro gegenüber, endet die Studie. Den Kosten von 5,91 Milliarden Euro stünden 8,49 Milliarden an monetär bewertbarem Nutzen gegenüber.

Die Kosten-Nutzen-Analyse der kirchlichen Leistungen ergebe also „ein deutliches gesamtgesellschaftliches Überwiegen der Nutzenseite“, so Franz Prettenthaler, Forschungsgruppenleiter bei Joanneum Research. Betrachte man die Leistungen der Kirche für die Öffentlichkeit (37.000 betreute Kinder, 71.000 Schülerinnen und Schüler, 47.000 Spitalsbetten und 13.500 denkmalgeschützte Objekte werden aufgeführt), „so erscheinen die 130 Millionen Euro Nettozuschuss der öffentlichen Hand für die gesamten kirchlichen Aktivitäten als vergleichsweise gering“, so Prettenthaler.

religion.ORF.at

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