Kardinal Kasper fordert „realistische Theologie der Ehe“

Eine „realistische Theologie der Ehe" müsse das Scheitern ebenso wie die Möglichkeit der Vergebung bedenken“, schreibt er in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“.

Kasper sprach sich in dem am Donnerstag vorab veröffentlichten Artikel erneut für eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion in bestimmten Einzelfällen ausgesprochen. Er plädiert in dem Beitrag dafür, den Betroffenen nach einem Prozess der Buße unter eng umrissenen Voraussetzungen die Möglichkeit zum Kommunionempfang zu geben. Dazu müssten „ein ehrliches Urteil des Betroffenen über seine persönliche Situation“ und ein positives Votum des Beichtvaters vorliegen.

„Kein Bruch mit der Lehre“

Die Aufsicht über den Prozess müsse beim Ortsbischof liegen. Hierbei gehe es nicht um Ausnahmen vom Recht, so Kasper, „sondern um eine angemessene und barmherzige Anwendung des Rechts“. Jede einzelne Situation müsse „verständnisvoll, diskret und taktvoll“ geprüft werden. Es könne nur Einzellösungen geben, „keine allgemeine Lösung des Problems“, heißt es in dem Beitrag mit dem Titel „Nochmals: Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten?“.

Eine „solche Weiterentwicklung der kirchlichen Bußpraxis“ für wiederverheiratete Geschiedene wäre kein „Bruch mit der Lehre und der Praxis der Kirche“, erklärt Kasper offensichtlich mit Blick auf seine Kritiker weiter. Eine recht verstandene „Hermeneutik der Kontinuität“ schließe „praktische Reformen und damit ein Moment der Diskontinuität nicht aus, sondern ein“. Der frühere Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen beruft sich hierbei ausdrücklich auf Benedikt XVI.

Kardinal Walter Kasper

Reuters/Tony Gentile

Kardinal Walter Kasper

Kasper hatte sich bereits im Februar 2014 für eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen in gewissen Einzelfällen vor dem versammelten Kardinalskollegium im Vatikan ausgesprochen. Von den Verteidigern der geltenden offiziellen Praxis war er dafür teils scharf kritisiert, mitunter auch angefeindet worden.

Kasper vertieft Argumentation

Neu gegenüber seiner damaligen Argumentation ist in seinem jüngsten Aufsatz für die von deutschen Jesuiten herausgegebene Monatszeitschrift der ausdrückliche Rückgriff auf das traditionelle katholische Prinzip der Billigkeit, der sogenannten Epikie. Damit knüpft Kasper an sein gemeinsames Hirtenschreiben als Bischof von Rottenburg-Stuttgart mit dem damaligen Mainzer Bischof Karl Lehmann und dem Freiburger Bischof Oskar Saier aus dem Jahr 1993 an. Diese Initiative für eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion scheiterte damals am Einspruch der vatikanischen Glaubenskongregation, die von Kardinal Joseph Ratzinger geleitet wurde.

Ausdrücklich weist Kasper darauf hin, dass er mit seinem neuen Aufsatz nicht der Ordentlichen Bischofssynode im Oktober dieses Jahres vorgreifen könne und wolle. Es gehe ihm darum, die „zahlreichen Missverständnisse“ klarzustellen, die es nach seinem Vortrag vor dem Kardinalskollegium gegeben habe, und seine damaligen Überlegungen weiterzuführen und zu vertiefen.

religion.ORF.at/KAP

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