„Hartnäckiger Ketzer“: 600. Todestag von Jan Hus

Vor 600 Jahren wurde während des Konzils von Konstanz (1414 bis 1418) der tschechische Reformator Jan Hus als „hartnäckiger Ketzer“ vor den Toren der Stadt auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

In Prag haben am Sonntag die Feierlichkeiten zum Gedenken an den Märtyrertod des Vorreformators Jan Hus (1370 bis 1415) begonnen. Den Auftakt bildete am Abend ein Konzert der Mährischen Philharmonie Olomouc (Olmütz) auf dem Altstädter Ring, wo das berühmteste Hus-Denkmal Tschechiens steht. Mit einer Ausstellung, einem Festumzug durch die Prager Altstadt und einer Gedenkmesse begeht die tschechische Republik den Jahrestag des Reformators.

Wegbereiter der Reformation

Hus gilt als ein Wegbereiter der Reformationsbewegung. Er hatte sich gegen weltliche Macht und Reichtum der Kirche gewandt und die Doppelmoral vieler Priester scharf kritisiert. Hus erklärte, nicht der Papst, sondern Christus sei das Haupt der Kirche. Die höchste Autorität sah er in der Bibel, dem Gewissen des Einzelnen maß er einen hohen Stellenwert bei. Im tschechischen Sprachraum ist Jan Hus bis heute eine identitätsstiftende Figur - nicht zuletzt deshalb, weil er auf das Tschechische ähnlich sprachbildend wirkte wie Martin Luther (1483 bis 1546) auf das Deutsche. Der 1919 gegründeten Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche gehören heute rund 50.000 Menschen an.

Bildnis Jan Hus 1562 von Johann Agricola, (gest. 1590)

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Bildnis Jan Hus, 1562, von Johann Agricola

Geboren wurde Jan Hus (auch Johannes Hus) um 1370 als Sohn eines Fuhrmanns in Husinec (Bezirk Prachatice) in Tschechien. Die nach ihm benannte Bewegung der Hussiten geht zum Teil auf sein Wirken zurück. Nach dem Besuch der Lateinschule begann Jan Hus 1390 ein Theologiestudium an der Prager Universität, 1396 erhielt er den Grad des Magister Artium. 1400 wurde er zum Priester geweiht und begann mit theologischen Vorlesungen. Ein Jahr später wurde er als Professor für Theologie zum Dekan der Universität ernannt.

Predigten auf Tschechisch

Da die Tschechen den größten Anteil der Studenten stellten, äußerte Hus Kritik an der einheitlichen Universitätssprache Deutsch - seine Predigten hielt er auf Tschechisch. Seine theologischen Überzeugungen näherten sich denen des englischen Bibelübersetzers John Wyclif an. Wie dieser trat er für die Autorität des Gewissens ein, predigte eine individuelle, von der Bibel motivierte Christus-Frömmigkeit und kritisierte weltlichen Besitz und Simonie der Kirche. Dabei vermischte er seine theologischen Aussagen mit tschechisch-nationalen Ideen. Er erreichte mit seinen Predigten in der Prager Bethlehemskapelle große Teile der Bevölkerung.

Böhmen war zur Zeit Jan Hus’ das einzige Königreich im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, mit Prag als kaiserlicher Residenzstadt. Die Bevölkerungsmehrheit in Böhmen stellten die Tschechen, die sogenannten Deutschböhmen machten aber einen großen Teil der Oberschicht aus. Viele hohe Kirchenämter hatten Deutsche inne. Hus’ Predigten gegen Missstände im Klerus zielten also vor allem auf die Deutschen ab.

Jan Hus auf dem Scheiterhaufen (Spiezer Chronik, 1485)

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Jan Hus auf dem Scheiterhaufen (Spiezer Chronik, 1485)

Verbannung und Amtsverlust

1403 verwarf die deutsche Mehrheit an der Prager Universität das Gedankengut von Wyclif und Hus. Über Hus’ Predigten gingen beim Bischof Beschwerden ein, er konnte sein Priesteramt nicht mehr ausüben. 1410 verlor Hus sein Amt als Professor und wurde aus Prag verbannt. Mit Unterstützung aus dem Volk konnte er seine Predigten zwar noch fortsetzen, floh aber 1412 aus Prag und war danach als Wanderprediger unterwegs. 1413 verfasste Hus sein Hauptwerk „De Ecclesia“, in dem er die Fehler der Kirche anprangerte und dekretierte, dass nur Christus allein das Oberhaupt der Kirche sein könne.

Der Verrat vor dem Konzil zu Konstanz

1414 fand auf Anregung des römisch-deutschen Königs Sigismund von Luxemburg das Konzil von Konstanz statt, um die Einheit der Kirche und des Reiches zu bewahren. Dem Reformator Hus hatte der König freies Geleit zugesagt. Trotzdem wurde Hus am 28. November 1414 in Konstanz verhaftet. Sigismund gab sich darüber erzürnt, half dem Reformator aber auch nicht.

Hus wurde unter furchtbaren Bedingungen an verschiedenen Orten eingesperrt und gefoltert. Trotz mehrerer „Verhöre“ verweigerte er einen Widerruf seiner Lehren und verlangte stattdessen deren Widerlegung. Am 15. Juni wurde Hus als Häretiker verurteilt und schließlich, unter den Augen des Königs, am 6. Juli 1415 zusammen mit seinen Schriften verbrannt. Seine Asche wurde in den Rhein gestreut.

Jan Hus

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Jan Hus verteidigt sich vor dem Konzil in Konstanz (Gemälde von Vaclav Brosik, 1883)

Märtyrer und Symbolfigur

Der Feuertod des Reformators führte in Böhmen zu einem Volksaufstand. Schon 1417 setzte die Reformbewegung dort wesentliche Forderungen (Predigtfreiheit, evangelische Armut der Priester, Kommunion in beiderlei Gestalt) durch, die dann schriftlich in den Prager Artikeln von 1420 niedergelegt wurden.

Was Hus’ Gegner befürchtet hatten, trat nach seinem Tod ein: Er avancierte zum Märtyrer und zu einer Symbolfigur der Tschechen. Als der „Mörder Sigismund“ nach dem Tod seines Halbbruders Wenzel 1419 die böhmische Krone beanspruchte, machten die Anhänger von Hus, die Hussiten, ihrem Hass in einer Erhebung gegen die Deutschen in Böhmen Luft. Es kam 1419 zum Ersten Prager Fenstersturz: Deutsche Ratsherren wurden aus den Fenstern des Prager Altstädter Rathauses auf die Straße geworfen (in der Nähe auf dem Altstädter Ring steht heute ein Hus-Denkmal).

15 Jahre Hussitenkriege

Es folgten die rund 15 Jahre dauernden Hussitenkriege, in denen fünf von König und Kaiser Sigismund und vom Papst aufgebotene Kreuzheere von den Hussiten besiegt wurden. Schließlich spalteten sich die Hussiten in religiöser Hinsicht in die eher gemäßigten Utraquisten (von „Sub utraque specie“ - Kommunion in beiderlei Gestalt, also Brot und Wein) und die radikalen Taboriten, benannt nach der südböhmischen Festungsstadt Tabor. 1433 erfolgte in den Prager Kompakten ein Ausgleich mit den Utraquisten, die über die Taboriten 1434 in der Schlacht von Lipan (östlich von Prag) siegten und auf dem Landtag von Iglau (heute Jihlava) Sigismund als König von Böhmen anerkannten.

Die meisten Utraquisten wandten sich im 16. Jahrhundert den Protestanten zu (deren Lehren hussitisches Gedankengut enthielten), ein Teil ging mit den Taboriten in den Böhmischen Brüdern auf, wenige konvertierten zum Katholizismus. Nachwirkungen des Hussitentums spielten auch eine Rolle bei der Erhebung der Böhmischen Protestanten gegen die Katholischen Habsburger 1618 beim Zweiten Prager Fenstersturz, dem Auftakt zum Dreißigjährigen Krieg (zwei kaiserliche Räte und ihr Sekretär wurden am 23. Mai 1618 aus einem Fenster der Burg auf dem Hradschin geworfen, kamen aber mit dem Leben davon).

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts vereinnahmten alle politischen Systeme Jan Hus als Nationalhelden. Die erste Tschechische Republik verehrte ihn als Vorläufer der nationalen Einigung. Wegen der Gründung einer romfreien tschechischen Kirche und der Erhebung des Hus-Tages (6. Juli) zum Nationalfeiertag in den 1920er Jahren kam es zu einem langjährigen Konflikt zwischen der Prager Regierung und dem Vatikan. Für die Kommunisten nach 1945 war Hus ein Sozialrevolutionär. Mitte Juni 2015 äußerte Papst Franziskus sein „tiefes Bedauern über den grausamen Tod“ des böhmischen Reformators und rief zu einer Neubewertung des Falls auf. Hus, der lange Zeit „Streitobjekt“ unter den Christen gewesen sei, sei heute „Anlass des Dialogs“ geworden, sagte Franziskus.

religion.ORF.at/KAP/APA

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