Jehovas Zeugen: Zur Taufe ins Stadion

Am Wochenende werden rund 100 Menschen im Wiener Ernst-Happel-Stadion in die Gemeinschaft von Jehovas Zeugen aufgenommen. Bei ihrem jährlichen Sommerkongress werden die Gläubigen in einem eigens dafür aufgestellten Schwimmbecken getauft.

Das größte Stadion Österreichs wird am Freitag wieder zum Schauplatz einer religiösen Großveranstaltung. Auf der Laufbahn des Ernst-Happel-Stadions wird bei dem dreitägigen Kongress von Jehovas Zeugen ein rundes Schwimmbecken auf der Laufbahn stehen.

Menschen unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Alters werden am Samstagmittag in einer Reihe zum Becken schreiten, um sich taufen zu lassen. Rund 8.000 bis 9.000 Menschen werden auf den Rängen des Stadions dabei sein, wenn die Gläubigen in die sogenannte Bruderschaft aufgenommen werden. Die Taufe ist einer der Höhepunkte des Sommerkongresses mit dem diesjährigen Motto „Ahmt Jesus nach“. Auch in Salzburg werden bei dem zeitgleich stattfindenden Kongress im Messezentrum zwischen 20 und 30 Menschen getauft.

„Der wichtigste Tag im Leben“

Durchgeführt wird die Taufe von sogenannten Ältesten. Sie sind ausgewählte Mitglieder der Glaubensgemeinschaft, die die Versammlungen führen und sich um die Gemeinschaft kümmern. Aber sie sind keine Geistlichen von Beruf, sondern Freiwillige, erklärte Hannes Weinberger, Mediensprecher von Jehovas Zeugen, im Gespräch mit religion.ORF.at. Wer getauft ist, hat bei den Zeugen auch die Möglichkeit zu predigen. „Bei uns gibt es die Trennung zwischen Laien und Geistlichen nicht“, so Weinberger.

Taufe im Stadion beim Kongress von Jehovas Zeugen

Jehovas Zeugen Österreich – Pressebüro

Taufe beim Kongress von Jehovas Zeugen im Ernst-Happel-Stadion

Der Taufe gehe eine Ansprache voraus, bei der den Täuflingen noch einmal die biblischen Grundlagen für die Taufe in Erinnerung gerufen werden, sagte Weinberger. Die Taufbewerber, die in einem extra vorbereiteten Areal sitzen, werden dann dazu aufgerufen, zwei Fragen zu beantworten, nämlich ob sie ihre Sünden bereut haben und ob sie sich im Klaren darüber sind, dass sie sich durch die Taufe als Jehovas Zeugen zu erkennen geben. Nachdem diese Fragen mit Ja beantwortet werden, ziehen die Gläubigen Badekleidung an und gehen in einer Reihe zum Becken. Die Taufe sei „für uns Christen“, so Weinberger, „der wichtigste Tag im Leben“.

Langer Weg zur Taufe

Doch bevor jemand in die Religionsgemeinschaft von Jehovas Zeugen aufgenommen wird, muss er oder sie mitunter einen längeren, nicht immer leichten Weg gehen. Es gilt die Bibel zu studieren, zu verstehen und den „hohen moralischen Maßstäben“ der Glaubensgemeinschaft gerecht zu werden, erklärte der Mediensprecher.

Wer etwa raucht, Drogen nimmt oder exzessiv Alkohol konsumiert, muss diese Laster hinter sich lassen, bevor er ein Zeuge werden kann. „Alkohol ist nicht verboten, aber wer sich zwei Mal pro Woche betrinkt“, könne andere Menschen nicht die Grundsätze der Bibel lehren, so Weinberger. Auch wer eine Beziehung führt, ohne mit dem Partner verheiratet zu sein, kann nicht getauft werden. Man müsse solch eine Partnerschaft vorher „legalisieren“, sagte Weinberger.

Bibelkurse und Moral

Wer an den Versammlungen der Zeugen teilnimmt, die wöchentlich in sogenannten Königreichssälen - so bezeichnen die Gläubigen die Räume, in denen Gottesdienste abgehalten werden - stattfinden, werde als Gleichgesinnter befunden und als solcher behandelt. Doch erst durch die Taufe könne man auch Teil der Bruderschaft werden. Und das Wissen über die Bibel ist eine zentrale Voraussetzung für die Aufnahme in diese.

Getaufte Jehovas Zeugin, Ernst-Happel-Stadion

Jehovas Zeugen Österreich – Pressebüro

Eine Frau nach der Taufe

In Bibelkursen, die laut Weinberger weltweit 9,5 Millionen Menschen in 239 Ländern besuchen, werden die Grundsätze der Bibel übermittelt sowie die „Anforderungen, die man als Christ zu erfüllen hat“. Wie lang es dauert, bis man dann wirklich getauft werden kann, ist eine individuelle Angelegenheit. Manche Menschen brauchen ein Jahr, um die Bibel zu studieren, wiederum andere benötigen mehrere. Zudem sei es nicht so leicht, sein Leben zu ändern, sagte so der Sprecher von Jehovas Zeugen.

Gespräche vor der Taufe

Die Menschen, die eine Taufe anstreben, sind einzelnen örtlichen Versammlungen zugeordnet. 300 solcher Gemeinden gibt es laut Weinberger in Österreich, 115.000 weltweit.

Die Versammlungsältesten vergewissern sich bei den Taufbewerbern in einem Gespräch, ob sie ihr Leben wie vorgegeben verändert sowie die Inhalte der Bibel verstanden und verinnerlicht haben. Es sei ein „offenes, ehrliches Gespräch“, niemandem werde hinterherspioniert, aber wer getauft werde, gebe sich als Zeuge zu erkennen, und die seien eben für ihre „hohe Moral“ bekannt, so Weinberger.

Taufe, Jehovas Zeugen

ORF/Martin Cargnelli

Die Täuflinge werden mit dem ganzen Körper untergetaucht

Getauft wird dann nach dem Vorbild von Jesus, der von Johannes dem Täufer im Jordan getauft wurde, indem er - wie in der Bibel beschrieben wird - mit ganzem Körper unter Wasser getaucht wurde. Eine Taufe, wie sie in der römisch-katholischen Kirche vollzogen wird, anerkennen Jehovas Zeugen nicht. „Jemandem Wasser über die Stirn zu leeren, hat mit einer Taufe von früher nichts tun“, sagte Weinberger gegenüber religion.ORF.at. Ein Unterschied zur katholischen Kirche ist auch, dass keine Babys bzw. Kleinkinder getauft werden: Denn sie können weder die Bibel verstehen noch ihren Willen zur Taufe ausdrücken, argumentieren Jehovas Zeugen.

Seit 2009 anerkannt

Aus einer Enttäuschung über die Kirchenlehre entstand der Vorläufer von Jehovas Zeugen zu Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. Der Presbyterianer Charles Taze Russell gründete nach intensiven Bibelstudium die Internationalen Vereinigung „Ernster Bibelforscher“, aus der später Jehovas Zeugen hervorgingen.

In Österreich sind Jehovas Zeugen seit 1911 aktiv, 2009 wurden sie zu einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft. Ihre Mitgliederzahl wird auf 21.000 geschätzt. Sie sind damit die fünftgrößte Religionsgemeinschaft in Österreich. Weltweit gibt es laut Weinberger rund acht Millionen Anhänger. Jehovas Zeugen sind besonders für ihre starke Missionstätigkeit bekannt: Sie gehen von Haus zu Haus, wollen Menschen für ihren Glauben gewinnen, lesen aus der von Jehovas Zeugen herausgegebenen Bibelübersetzung vor und verteilen ihre kostenlose Magazine „Wachtturm“ und „Erwachet“.

Der Kongress

Kongresse wie jene ab Freitag bis Sonntag in Wien und Salzburg und in der darauffolgenden Woche in Innsbruck und Villach finden regelmäßig und weltweit unter demselben Motto statt. Dieses Jahr ist es „Ahmt Jesus nach“. Man wolle gemeinsam betrachten wie man - auf Grundlage der Evangelien - im Alltag nach dem Vorbild Jesu handeln könne, so Weinberger.

Für einige Gläubige sind die Kongresse aber mehr als religiöse und spirituelle Zusammenkünfte. Sie bieten die Möglichkeit, Gott näher zu kommen, sich taufen zu lassen. Sie müssen dafür aber nicht auf den jährlichen Sommerkongress warten. Von Jehovas Zeugen werden auch regelmäßig kleinere Kongresse abgehalten. So kommen etwa fast jede Woche Gläubige in St. Pölten zu einem kleinen Kongress zusammen. Der Veranstaltungsaal wurde dementsprechend adaptiert und mit einem Taufbecken ausgestattet.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

Link: