Keine „Stolpersteine“ auf Münchens Straßen

In München werden auch weiterhin keine „Stolpersteine“ an jüdische Holocaust-Opfer und andere Verfolgte des NS-Terrorregimes erinnern. Der Stadtrat entschied sich gegen eine Aufhebung des Verlegeverbots.

Nach monatelangen, teils extrem kontroversen öffentlichen Debatten über die angemessene Form würdigen Gedenkens entschied sich der Stadtrat der bayrischen Hauptstadt am Mittwoch mit der Stimmenmehrheit von CSU und SPD gegen eine Aufhebung des Verbots der Verlegung auf öffentlichen Straßen.

Errinnerungstafeln und zentrales Mahnmal

Nach dem Willen der beiden größten Fraktionen sollen stattdessen Erinnerungstafeln an Hauswänden oder an Stelen vor den ehemaligen Wohnungen an Ermordete und Verfolgte erinnern, sofern das dem Willen der Angehörigen entspricht. Außerdem soll ein zentrales Mahnmal mit den Namen aller NS-Opfer gebaut werden.

Auch die Fraktion der sogenannten „Bürgerliche Mitte“ und zwei Abgeordnete der Grünen stimmten dem von CSU und SPD vorgelegten Antrag auf eine Beibehaltung des „Stolperstein“-Verbots zu. Viele Fraktionen hatten die Abstimmung über das sensible Thema intern freigegeben.

In einer ernsthaften und teils von sehr persönlichen Äußerungen geprägten Debatte betonten Vertreter nahezu aller Fraktionen, es gehe bei der Frage der Aufhebung des „Stolperstein“-Verbots nicht darum, ob München an NS-Opfer erinnere. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, es gehe „nur um das Wie des Gedenkens“.

Diskussion seit Langem

Das Für und Wider der „Stolpersteine“ als eine von mehreren möglichen Formen des Erinnerns an einzelne Schicksale von Verfolgten wird in München seit langem intensiv diskutiert. Die Jüdische Gemeinde von München und Oberbayern um ihre Präsidentin Charlotte Knobloch und viele Angehörige von Holocaust-Opfern lehnen sie vehement ab. Andere Hinterbliebene sowie Vereinigungen von NS-Opfergruppen sind jedoch dafür.

Die von dem Kölner Bildhauer Gunter Demnig entwickelte Idee der „Stolpersteine“ hat sich mittlerweile bereits deutschlandweit verbreitet. Es handelt sich um kleine Messingtafeln mit den Namen von NS-Opfern sowie kurzen Angaben zu ihrem Schicksal. Sie werden vor den Häusern in den Gehweg eingelassen, in denen Verfolgte wohnten. Laut Demnigs Stiftung gibt es „Stolpersteine“ bereits in mehr als 500 deutschen sowie ausländischen Orten.

Messingtafeln sind nicht unumstritten

Demnigs Idee ist aber nicht unumstritten. Dabei spielt unter anderem auch die Frage eine Rolle, wer im Namen der Ermordeten über eine Verlegung entscheiden sollte. Viele Hinterbliebene bezweifeln, dass ihre ermordeten Verwandten einen „Stolperstein“ gewollt hätten. Andere sehen die Art des Gedenkens durch Plaketten, über die Passanten oft achtlos hinweggehen, als demütigend an.

Die Grünen im Stadtrat hatten einen eigenen Antrag zur Abschaffung des „Stolperstein“-Verbots eingebracht, um Angehörigen und Opferverbänden weitere Gedenkoptionen zu öffnen. Dies sah auch ein Kompromissvorschlag der Stadtverwaltung vor. SPD und CSU entschieden sich nach längeren Abwägungen allerdings für den eigenen Antrag.

Der CSU-Stadtrat Marian Offmann, der selbst zahlreiche Angehörige im Holocaust verlor, warb für ein Ende des Streits. „Wir wollen alle das Gleiche.“ Er selbst sei gegen „Stolpersteine“. Er könne nicht entscheiden, ob seine ermordeten Verwandten gewollt hätten, dass ein Schild als Zeichen ihrer Demütigung „in die Straße eingegraben“ werde. Grünen-Fraktionschef Florian Roth warb für eine Freigabe. Es gehe um Wahlfreiheit für jene Angehörigen, die einen „Stolperstein“ wünschten.

relion.ORF.at/AFP

Mehr dazu: