Was sich alles im Klingelbeutel findet
In ihrer Kirche fänden sich eher selten „Fremdkörper“ in der Kollekte, sagte Edith Schiemel, amtsführende Pfarrerin in der Gustav-Adolf-Kirche der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. in Wien-Gumpendorf, zu religion.ORF.at. Aber ein paar ungewöhnliche Stücke haben sich über die Jahre doch angesammelt: Neben einem Plastikknopf, verschiedenen Münzen in Fremdwährungen und einem Glücksschweinchen, wie man sie zu Neujahr verteilt, fand sich eines Tages auch der Kronenkorken einer Bierflasche im Sammelkörbchen.
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„So etwas passiert wohl unabsichtlich, das ist nicht provokativ gemeint“, sagte Schiemel. Vermutlich seien manche unregelmäßige Kirchenbesucher von der Kollekte einfach „überrascht“ worden, etwa bei Trauungen und Taufen. Dann werfe man unter Umständen einfach irgendetwas aus der Geldbörse in den Korb.
Körbchen ersetzten Klingelbeutel
Traditionelle Klingelbeutel sind in österreichischen evangelischen Kirchen selten geworden, meist sind es Gabenkörbe. Das rühre vielleicht vom Wunsch nach Abgrenzung zur katholischen Kirche, so die evangelische Pfarrerin. Doch auch in römisch-katholischen Gemeinden wurde der traditionelle Klingelbeutel in letzter Zeit vorwiegend durch Körbchen ersetzt. In der Lutherischen Stadtkirche in der Dorotheergasse in Wien gibt es davon gleich mehrere.
Klingelbeutel
Ein Klingelbeutel ist ursprünglich ein an einer Stange angebrachter Beutel, oft aus Samt, zum Einsammeln der Kollekte während des Gottesdienstes. Heutzutage sieht man echte Klingelbeutel nur noch selten, sie sind vielfach durch Körbchen ersetzt.
Bei großen Gottesdiensten wie am Karfreitag, am Reformationstag und zu Weihnachten, wenn die Kirche voll ist, kämen schon bis zu sechs davon zum Einsatz, sagte die Gemeindevertreterin der Stadtkirche, Hannelore Köhler, zu religion.ORF.at. Darin kann sich dann schon einmal etwas Merkwürdiges befinden: Vor allem sind es viele Münzen aus anderen Ländern, auch österreichische Groschen aus der Schilling-Ära sind dabei. Aber auch Plastikjetons für Einkaufswagerln und gleich zwei Gitarrenplektren aus Kunststoff gibt das Archiv her - und ein ganzes Häufchen Büroklammern. Die Fremdwährungen seien seit Einführung des Euro natürlich stark zurückgegangen, so die Gemeindevertreterin.
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Meistens jedoch gelange genau das in die Sammelkörbchen, was hineingehört, nämlich Geld, sagte Köhler. Die Verwaltung der Spenden obliege den Gemeindevertretern und den Presbytern, so Pfarrer Wilfried Fussenegger, Pfarrer in der Lutherischen Stadtkirche: „Der Pfarrer hat damit eigentlich nichts zu tun.“ In der Gustav-Adolf-Kirche stellt sich die Pfarrerin selbst auch nur selten mit dem Kollektenkörbchen hin, das gebe es lediglich bei Taufen, so Pfarrerin Schiemel.
„Bewachte“ Körbchen bringen mehr
Es mache allerdings einen großen Unterschied, ob das Körbchen von einer Person gehalten wird oder ob es einfach dasteht, sagte Pfarrer Fussenegger: Die „unbewachten“ Körbe enthalten nur etwa ein Drittel im Vergleich zu solchen, die Mitglieder der Gemeinde, meist die Küsterin oder der Küster, halten. Ohne jemanden, der dabeisteht und mehr oder weniger zusieht, „vergessen“ manche Gläubige wohl darauf zu spenden.
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Außerdem gab es auch schon Diebstähle: Einmal habe sich jemand noch während des Gottesdienstes aus der Kollekte bedient, während die Pfarrerin dabei zusehen und weiterpredigen musste, wie Gemeindevertreterin Köhler erzählte. Den alten, hölzernen Opferstock aus der in der Renaissancezeit gebauten Kirche musste man aus der Kirche entfernen, nachdem er aufgebrochen worden war.
Sozialer Druck gegen Geiz
In der katholischen Kirche hat man ganz ähnliche Erfahrungen gemacht: Von Fremdwährungen wie etwa rumänischen Lei und Plastikchips für Supermarktwagerln berichtete der Kirchenrektor der Annakirche, Pater Maximilian Hofinger. In der prachtvollen Barockkirche in der Wiener Innenstadt verwendet man auch keinen echten Klingelbeutel mehr - „leider“, so Hofinger.
Auch hier kommen Körbchen zum Einsatz. Anders jedoch als in der evangelischen Kirche wird die Kollekte hier während des Gottesdienstes eingesammelt. Gemeindemitglieder, meist der Mesner und einige Helfer, bringen die Körbchen, die Gläubigen reichen sie selbst weiter. Möglich, dass das den Druck auf die Kirchenbesucher erhöht, nicht zu „sparsam“ zu sein.
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Opferstöcke mit Widmung
Was man schon noch habe, seien „edle Opferstöcke“, so Hofinger zu religion.ORF.at. Diese sind zum Beispiel dem heiligen Antonius, der für viele Gläubige für das Wiederauffinden verlorener Gegenstände zuständig ist, oder der heiligen Elisabeth, einer Schutzheiligen für Arme, gewidmet. Auch die evangelischen Kirchen haben grundsätzlich Opferstöcke; die beiden in der Stadtkirche sind jedoch nicht mehr in Gebrauch. In einem unscheinbaren, gemauerten Opferstock im Kirchenhof fand sich bei genauerem Nachsehen allerdings kürzlich noch eine Münze.
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Das gesammelte Geld kommt verschiedenen Zwecken zugute. Pfarrerin Schiemel gab als ein Beispiel, wofür der Inhalt des „Klingelbeutels“ ausgegeben wird, die Reparatur des Blitzschutzes an der Kirche an. Neben solchen Anschaffungen gibt es jährlich mehrere von der Kirche vorgegebene Pflichtkollekten, die zum Beispiel an die Diakonie weitergeleitet werden. Die Kerngemeinde verstehe sehr wohl, dass man die Spenden brauche, sowohl für verschiedene karitative Zwecke als auch für dringend nötige Anschaffungen in der Gemeinde, etwa einen neuen Computer, so Pfarrer Fussenegger.
Das ist in der katholischen Kirche ähnlich: Neben Pflichtsammlungen wie dem „Peterspfennig“, der nach Rom abgeführt werden muss, gibt es etwa bestimmte Kollekten, die der Mission oder der Caritas zukommen, so Pater Hofinger von der Annakirche. Ansonsten finanzieren die Gläubigen mit ihren Spenden ganz profane Bedürfnisse ihrer Pfarre wie Licht, Heizung, Kerzen und die Bezahlung des Organisten.
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Eher keine „elektronische Kollekte“
Ob man sich vorstellen könne, die Spenden eines Tages auch mittels Kreditkartenzahlung oder gar per Handy-Apps einzuheben? „Das wäre für viele ärgerlich“, vermutet Fussenegger, auch wenn damit eine mögliche Ausrede („kein Geld dabei“) ausscheiden würde. Gerade in innerstädtische Kirchen wie die Lutherische Stadtkirche kommen viele Touristen, die oft nicht das passende Bargeld dabeihaben. Manche wollen auch lieber anonym spenden, dafür wäre die „elektronische Kollekte“ eine denkbare Lösung.
Alles in allem ist man zufrieden mit dem Erlös aus der Spendensammlung. Ihre Kollekten seien „ziemlich groß“, so Schiemel. Hofinger sagte zu religion.ORF.at, er sei seinen Gemeindemitgliedern dankbar, „dass sie nicht knickrig sind“. Für Pfarrer Fussenegger gilt in Sachen Spenden grundsätzlich: „Jeder gibt, was er will.“
Johanna Grillmayer, religion.ORF.at