Pfarren stellen Notquartiere bereit

In zahlreichen Pfarren wurden Notquartiere für Flüchtlinge eingerichtet. Wie viele österreichische Pfarren derzeit Flüchtlinge beherbergen, sei aber nicht abschätzbar. Es fehle derzeit einfach noch entsprechendes Datenmaterial.

Die Vorgabe von Papst Franziskus, dass jede Pfarre eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen solle, sei nicht für jede heimische Pfarre in gleicher Weise zu erfüllen, so der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka.

Lokalaugenschein in Sankt Elisabeth

In der Pfarre Sankt Elisabeth, im vierten Wiener Gemeindebezirk, wurde der Pfarrsaal in den vergangenen zwei Tagen zu einem Notquartier mit 50 Schlafplätzen adaptiert. Pfarrangehörige sind nach einem Dienstplan rund um die Uhr vor Ort, um die Flüchtlinge zu betreuen.

Zu den Betreuungsaufgaben gehört etwa das Anbieten von Speisen und Getränken, sowie die Ausgabe von Hygieneartikeln, wie Nina Sevelda-Platzl vom örtlichen Pfarrgemeinderat erklärt. In den Abendstunden ist ein hauptberuflicher Koch ehrenamtlich im Einsatz, um für die Bewirtung zu sorgen.

Auch eine Ärztin und ein Arzt sind vor Ort um die medizinische Betreuung sicherzustellen. Für die medizinische Erstversorgung wurde der Jungscharraum zur Ordination umfunktioniert. Vor allem Blasen und wunde Füße, sowie Flüssigkeitsmangel seien die häufigsten medizinischen Probleme.

Dusche hinter Tischtennis-Tisch

Auch wenn das Duschen nur improvisiert im Pfarrhof, hinter aufgestellten Tischtennis-Tischen, aus dem Gartenschlauch möglich ist, das Wasser ist warm und es gibt eigene Rasierer und Rasiergel - seit Langem.

Nach dem ersten Erholen nutzen die Flüchtlinge das von der Pfarre bereitgestellte kostenlose WLAN und laden ihre Mobiltelefone an einer der zahlreichen Steckdosen auf. Am Samstag sind die meisten Übernachtungsgäste bereits am frühen Morgen aufgebrochen, um den Zug nach Hamburg zu besteigen.

Vorteil der Nähe zum Hauptbahnhof

Die Nähe der Pfarre Sankt Elisabeth zum Hauptbahnhof sei ein logistischer Vorteil, so Nina Sevelda-Platzl im Gespräch mit religion.ORF.at, denn die Überbelegung am Hauptbahnhof, der nur etwa zehn Gehminuten von der Pfarre Sankt Elisabeth entfernt ist, könne so leicht abgefangen werden. Auch konnte dem Stützpunkt am Hauptbahnhof bereits mit warmem Essen ausgeholfen werden.

Beitrag über Notquartiere in Pfarren: Wien heute; 12.09.2015

Nicht überall jedoch seien die Voraussetzungen für Quartiere gegeben, so Peter Schipka. „Es ist aber jeder Pfarre und ihren Mitgliedern möglich, sich ehrenamtlich zu engagieren in der Betreuung von Menschen, die bei uns Aufnahme gefunden haben“. Auch wenn dieses Engagement dann etwa in der Nachbarpfarre stattfinde.

Alle Pfarren sind aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten

In die gleiche Kerbe schlug dieser Tage auch Schönborn-Pressesprecher Michael Prüller: Dass von den vielen sehr kleinen Pfarren, die es in der Erzdiözese Wien gibt, nicht alle selber Flüchtlinge beherbergen können, sei verständlich.

„Aber es geht darum, dass alle etwas für die Flüchtlinge tun können, und dass dieser Dienst an den Notleidenden zu jenen Aufgaben gehört, die oft in einer größeren Struktur, in einer pfarrübergreifenden Zusammenarbeit, besser bewältigt werden können“, so Prüller in einem auf der Website der Erzdiözese Wien veröffentlichten Interview.

Prüller: „Jede Pfarre soll etwas tun, aber wenn möglich und nötig in sinnvoller Zusammenarbeit mit den Nachbarn - Unterbringung, Versorgung, Betreuung, Integration usw.“ Man müsse zudem auch betonen, dass vor allem größere Pfarren schon jetzt oft mehr als nur eine Flüchtlingsfamilie aufgenommen haben, z.B. die Pfarre Perchtoldsdorf, die in vier Wohnungen 17 Flüchtlinge betreut.

70 Pfarren der Erzdiözese Wien als Quartiergeber

Die Zahl der Menschen, die bis jetzt in der Erzdiözese Wien in kirchlichen Einrichtungen wie Pfarren oder Orden untergebracht sind, beläuft sich laut Auskunft des Wiener Flüchtlingskoordinators Rainald Tippow auf 500.

Dabei handle es sich sowohl um Asylwerber in Grundversorgungsplätzen als auch um anerkannte Flüchtlinge in Integrationswohnungen. In diesen Tagen kämen aber bereits weitere 250 Plätze hinzu. Bislang seien 70 Pfarren in der Erzdiözese Wien als Quartiergeber registriert, so Tippow.

Viele Pfarren bieten derzeit Quartiere an, die auf ihre Eignung geprüft werden. Ansdere Pfarren, die selbst keine Quartiere zur Verfügung haben, mieten aber auch Wohnungen an, in denen Flüchtlinge untergebracht sind, wie beispielsweise in Mödling. Andere Pfarren wiederum stellen zwar keine Quartiere zur Verfügung, unterstützen aber auf andere Weise Flüchtlinge. So stellte beispielsweise die Pfarre St. Johann Nepomuk im 2. Wiener Gemeindebezirk eine große Sammelaktion für Flüchtlinge in Traiskirchen auf die Beine.

Erzdiözese Wien bald bei 1000 Plätzen für Flüchtlinge

Kardinal Christoph Schönborn hatte am 1. September angekündigt, dass die Erzdiözese Wien ihre Kapazitäten zur Aufnahme von Flüchtlingen (Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge) weiter ausbaut und in den kommenden Wochen insgesamt rund 1.000 Flüchtlingen (Asylwerber in Grundversorgung wie auch anerkannte Flüchtlinge) Quartier geben wird.

Flüchtlingskoordinator Tippow: „Wir sind zuversichtlich, diese Zahl bald zu erreichen. Wenn wir das geschafft haben, nehmen wir uns ein weiteres Ziel vor, um einen substanziellen Beitrag der Kirche in der derzeit brennenden Flüchtlingssituation zu leisten.“

Unterbringung rund um den Stephansplatz

Laut Kardinal Schönborn sollen Flüchtlinge auch in den Gebäuden der Erzdiözese rund um den Stephansplatz untergebracht werden. Tippow dazu: „Das wird eine Unterbringung für ein bis zwei Familien sein“. Für ihre Begleitung und Betreuung würden die Dompfarre sowie Mitarbeiter der Erzdiözese Wien zuständig sein. Die Adaptierungsarbeiten für die Unterkunft seien voll im Gang.

An der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge beteiligen sich auch die Orden im Bereich der Erzdiözese. So sind beispielsweise im Kloster St. Gabriel in Maria Enzersdorf mehr als 40 minderjährige und weitere rund 100 erwachsene Flüchtlinge aufgenommen worden. Das Stift Klosterneuburg, das kürzlich die Magdeburgkaserne erworben hat, stellt diese als Quartier für rund 250 Flüchtlinge zur Verfügung.

Aber auch andere Glaubensgemeinschaften tragen zur Unterbringung von Flüchtlingen bei. Notquartiere haben etwa auch die Evangelisch-methodistische Gemeinde in der Sechshauserstrasse im 15. Wiener Gemeindebezirk und die evangelische Pfarrgemeinde Gols im Burgenland eingerichtet.

Martin Cargnelli, religion.ORF.at/KAP/APA

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