Schönborn und Landau: „Wuzzeln“ in Flüchtlings-WG

Kardinal Christoph Schönborn und Caritas-Präsident Michael Landau haben am Donnerstag ein Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge besucht. Die Herren ließen sich dabei auf ein Match am „Wuzzler“ ein.

Vor gut einem Monat hat die Caritas eine Jugendherberge in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus in die „WG Yunus“ für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge umfunktioniert. Hier haben 45 Buben ein neues Zuhause gefunden. Am Donnerstag wurden sie von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), Kardinal Christoph Schönborn und Caritas-Präsident Michael Landau besucht.

Tischfußball-Match mit Jugendlichen

Schönborn, Häupl und Landau wollten sich einen Eindruck von der „WG Yunus“ verschaffen. Zwei Burschen führten den Besuch durch das Haus und zeigten ihre Zimmer. Abschließend lieferten sich Schönborn und Häupl sogar ein Tischfußball-Match mit den Jugendlichen. Wobei der Kardinal zunächst Schlimmes befürchtete - „Das kann nur schiefgehen“ - sich dann aber doch auf ein Duell mit dem Bürgermeister einließ, das Häupl gewann.

Kardinal Christoph Schönborn, Bürgermeister Michael Häupl und Caritas Direktor Michael Landau im Caritas-Flüchtlingsquartier "Yunus"

Caritas/Stefanie Steindl

Tischfußball gegen Jugendliche im Caritas-Flüchtlingsquartier „Yunus“

Abgesehen vom Spaß gab es aber auch ernste Worte für die anwesenden Medienvertreter. Die drei Verantwortlichen warnten vor einem Scheitern der EU bei der Suche nach einer Lösung in der Flüchtlingsproblematik. Für Landau führt etwa kein Weg vorbei, dass Europa ein Stück weit solidarischer ausgestaltet werden muss: „Klar ist: Es kann nicht sein, dass auf Dauer zehn von 28 Ländern 92 Prozent der Verfahren durchführen.“

Schönborn: „Als Flüchtling nach Österreich gekommen“

Schönborn erinnerte, dass er selbst aus einer Flüchtlingsfamilie aus der früheren Tschechoslowakei kommt: „Ich bin als Baby in den Armen meiner Mutter als Flüchtling nach Österreich gekommen, in einer Zeit, wo wir drei Millionen Flüchtlinge waren am Ende des Krieges. Und wir sind als Menschen aufgenommen worden. Von Menschen, die weiß Gott weniger hatten als wir heute.“ Darum sei er sehr stolz auf „die deutliche Hilfsbereitschaft“ in diesem Land.

Bewohner Hussain, Kardinal Christoph Schönborn, Bürgermeister Michael Häupl und Caritas Direktor Michael Landau im Caritas-Flüchtlingsquartier "Yunus"

APA/Roland Schlager

(V. l. n. r.) Bewohner Hussain, Kardinal Schönborn, Bürgermeister Häupl und Caritas-Direktor Landau im Caritas-Flüchtlingsquartier Yunus

Häupl unterstrich eindringlich, dass „keine versteckten Terroristen“ ins Land kommen würden: „Das sind hilfesuchende junge Leute, die daheim nicht mehr leben können. Die nicht freiwillig davon gelaufen sind. Die würden wahnsinnig gern in ihrer Heimat bleiben.“

Landau: „Es geht auch anders“

„Gastgeber“ Michael Landau sagte, die mit Hilfe der Stadt Wien geschaffene Wohngemeinschaft und alle weiteren Grundversorgungsquartiere, die die Caritas zuletzt in Wien, in Guntramsdorf oder in Horn eröffnet habe, „machen deutlich: Es geht auch anders“. Tausende Helfer und Spender leisteten gemeinsam mit den Behörden und politisch Verantwortlichen, mit Polizei, ÖBB und den Hilfsorganisationen „Großartiges“, lobte der Caritas-Chef. Er dankte Bürgermeister Häupl dafür, dass Wien trotz Arbeitslosigkeit und Flüchtlingsherausforderung in Zeiten von Wahlkämpfen „Haltung bewies“. Das Recht auf Asyl und auf eine menschenwürdige Unterbringung werde aktuell „gelebt - und zwar nicht verhalten, sondern selbstbewusst“. Landau: „Und das ist in Zeiten wie diesen nicht selbstverständlich.“

Erneut sprach er sich für einen nationalen „Schulterschluss“ und gegen eine „Spaltung des Landes“ aus. Für den Caritas-Präsidenten ist klar: „Die Zeit, die vor uns liegt, wird fordernd bleiben.“ In den nächsten Monaten und Jahren sein eine „doppelte Integration“ notwendig - eine von jenen, die in Österreich Schutz finden, aber auch eine weitere von jenen Einheimischen, „die nun fürchten, auf sie könnte vergessen werden“.

„Volljährigkeit mit zwölf Jahren?“

Eine Absage erteilte Landau Bestrebungen, beim Asylthema Standards in der Versorgung und das Alter zur Volljährigkeit zu drücken: „Was kommt als nächstes? Volljährigkeit mit zwölf Jahren?“ In Österreich dürfe es keine Kinder erster, zweiter und dritter Klasse geben. Ein Blick auf die Jugendlichen, die in der „WG Yunus“ wohnen, zeige: „Gerade die Jüngsten brauchen uns am dringendsten. Wer bei Standards in der Grundversorgung und bei Kindern sparen will, riskiert aus einer Quartierskrise von heute eine Integrationskrise von morgen zu machen.“

Kardinal Christoph Schönborn, Bürgermeister Michael Häupl und Caritas Direktor Michael Landau im Caritas-Flüchtlingsquartier "Yunus"

APA/Roland Schlager

Schönborn: „Ich bin als Baby in den Armen meiner Mutter als Flüchtling nach Österreich gekommen.“

Vor „Dramatisierungen“ warnte Kardinal Schönborn. Die Flüchtlingszahlen, die heuer in Europa zu erwarten seien, machten lediglich ein Prozent der europäischen Bevölkerung aus. Und von den weltweit Millionen von Flüchtlingen kämen „ein Promille, vielleicht zwei Promille nach Europa“. Die Lage für die Betroffenen sei vielfach dramatisch, sagte Schönborn, „aber vor allem ist dramatisch, dass es die internationale Staatengemeinschaft nicht zustande bringt, eine Friedenskonferenz für den Nahen Osten zu machen“.

Und einen „Skandal“ nannte es der Wiener Erzbischof, dass in die Krisenregionen weiterhin Waffen geliefert werden, dass weiter „Geschäftemacherei mit dem Tod“ betrieben werde, dass zugleich das Geld für Hilfe in den riesigen Flüchtlingslagern in Jordanien, im Libanon und der Türkei ausgehe - laut Schönborn „Ursache dafür, dass sich Hunderttausende um ihrer Zukunft willen auf den Weg machen“.

Schönborn: Win-win-Situation möglich

Dem gegenüber stehe das Vorbild der Hilfsbereitschaft in Österreich, das ihn bewege und stolz mache. Auch der Kardinal stimmte dem von der Bundesregierung eingesetzten Flüchtlingskoordinator Christian Konrad zu, der gemeint habe: „Es ist zu schaffen, und es muss nicht ein Verlust für Österreich sein. Es kann eine Win-win-Situation sein.“ Besonders dankte Schönborn jenen Wiener Pfarren, die in der Nacht vor seinem Besuch Flüchtlingen 1.175 Notquartiere zur Verfügung stellten und das in zunehmendem Ausmaß weiterhin tun würden.

Die Burschen in der „WG Yunus“ sind zwischen 14 und 18 Jahre alt. Sie stammen aus Afghanistan, Syrien und Somalia. Einer von ihnen ist Ahmad. Er kommt aus Syrien, ist 17 Jahre alt und seit vier Monaten in Österreich. Eigentlich wollte er nach Deutschland, doch als er gesehen hat, wie nett die Menschen in Österreich seien, beschloss er hierzubleiben: „Wien ist sehr schön. Die Leute in Österreich sind sehr nett“, sagte er im Gespräch mit der APA - noch auf Englisch. Deutsch lernt er gerade, denn sein Ziel ist hier zu studieren: „Ich will Ingenieur werden.“

Flucht vor IS

Nach Österreich ist Ahmed über die sogenannte Ostroute gekommen: „Syrien, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich.“ Und er erinnert sich: „In Ungarn und Serbien war die Polizei sehr schlimm.“ Durchgeschlagen hat er sich ganz alleine, seine Familie ist in Rakka geblieben. Geflüchtet ist der 17-Jährige wegen des Krieges und der Bedrohung durch die Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS).

Minderjährige Flüchtlinge am Donnerstag, 13. August 2015, anl. der Eröffnung der "Caritas WG Yunus" in Wien 15

APA/Herbert Pfarrhofer

Struktur und Alltag in der WG

Die anderen Burschen der „WG Yunus“ haben ähnliche Schicksale. „Es gibt Jugendliche, die die Eltern unterwegs verloren haben. Es gibt Jugendliche, die schon im Herkunftsland die Eltern verloren haben - die verstorben sind oder umgebracht worden sind. Es gibt auch Jugendliche, wo es noch Elternteile im Herkunftsland gibt“, erzählte Mirela Meric, die für die WG zuständig ist. Was die Flucht betrifft, so gehen die Heimbewohner unterschiedlich damit um: „Manche reden sehr offen darüber, andere sind sehr verschlossen.“

In der „WG Yunus“ wird versucht, den Jugendlichen Struktur und Alltag zu bieten: Schulbesuche, Deutschkurse, Arzttermine, Behördengänge und Freizeitbetreuung. Jeweils zu zweit teilen sich die Burschen die Zimmer. Zettel an den Türen verraten, wer in den Räumen wohnt. Nettes Detail: Auf den Namensschildern ist immer auch ein lachender Smiley gezeichnet.

religion.ORF.at/APA/KAP

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