Neuer Vorsitzender für Freikirchen in Österreich

Pastor Edwin Jung folgt Walter Klimt als Vorsitzender der Freikirchen in Österreich. Er will den Religionsunterricht des Kirchenbundes weiter ausbauen und sich am 500. Reformationsjubiläum 2017 beteiligen.

Herr Jung, seit Mitte September sind Sie der neu gewählte Vorsitzende und Sprecher von Freikirchen in Österreich. Wie schwer ist es, mit einer Stimme für alle zu sprechen?

Eine Kirche, die aus fünf unterschiedlichen Bünden besteht, ist in Österreich ohnehin einzigartig. Als wir 2010 zum ersten Mal zusammentrafen, hatten wir das gemeinsame Ziel, eine Kirche zu gründen. Seitdem sind wir auf einem sehr guten Weg, und ich bin froh, dass es bis jetzt ein schönes Miteinander war.

Gibt es bei wichtigen Fragen oder bestimmten Themen Konfliktpotenzial?

Edwin Jung

Edwin Jung

Edwin Jung

Nach dem Theologiestudium in Deutschland wurde Edwin Jung zunächst Jugendpastor, dann leitender Pastor in der Freien Christengemeinde - Pfingstgemeinde. Heute ist er deren Vorsitzender.

Jung ist leitender Pastor der Freien Christengemeinde Braunau und Ratsmitglied der Österreichischen Evangelischen Allianz. Seit September hat er den Vorsitz des Rates der Freikirchen in Österreich inne. Er lebt in Bürmoos bei Salzburg.

Der größte Brocken, den wir in den letzten beiden Jahren lösen mussten, war der Religionsunterricht. Glücklicherweise waren wir bei diesem Thema voll auf einer Linie, und es gab kaum Probleme. Wir wissen natürlich, dass die Traditionen der freikirchlichen Bünde unterschiedlich sind und Potenzial für Spannungen vorhanden ist. Diese finden aber eher hin und wieder auf lokaler Ebene statt und weniger in der Kirchenleitung.

Welche Ziele und Vorsätze verfolgen Sie als neuer Vorsitzender und Sprecher der Freikirchen in Österreich?

Einerseits möchte ich die angefangenen Projekte wie beispielsweise den Religionsunterricht für Schülerinnen und Schüler ausbauen und in dieser Hinsicht etwas weiterbewegen. Derzeit ist unser wichtigstes Anliegen im Bereich des Religionsunterrichtes die Finanzierung der Fachinspektoren, da wir für über 1200 Schüler an 230 Standorten österreichweit nur eine halbe Stelle für Fachinspektoren bekommen haben, jedoch vier Fachinspektoren brauchen und diese mit den, uns zur Verfügung stehenden, Mitteln kaum bezahlen können.

Andererseits laufen die Vorbereitungen für ein Projekt anlässlich des 500. Reformationsjubiläums 2017, bei dem wir uns als Freikirche Österreich engagieren. Darüber hinaus möchte ich auch die Beziehungen zu anderen Religionsgemeinschaften vertiefen, um eine gemeinsame Stimme für Religionsfreiheit und christlich-biblische Werte zu sein.

Auf die Bibel berufen Sie sich ja auch beim Thema Homosexualität, nicht ohne Widerspruch aus der Gesellschaft und anderen Kirchen.

Homosexualität ist nicht die Lebensweise, die uns in der Bibel vorgegeben ist. Da sind wir uns als Freikirchen einig und vermutlich auch auf der Linie der katholischen Kirche. Wir möchten allerdings stark betonen, dass wir keinen Menschen verurteilen, sondern als Menschen respektieren.

Welche Befürchtungen stecken dahinter, wenn Homosexualität von Menschen gelebt wird?

Es geht hier nicht um Befürchtungen, sondern darum, dass Gott in der Beziehung mit uns Menschen eine gewisse Moral fordert. Er verbietet diese Lebensweise aus Gründen, die wir vielleicht nicht verstehen, als Schöpfer jedoch weiß er genau, was für den Menschen gut ist.

Freikirchen in Österreich

Seit August 2013 sind die Freikirchen in Österreich eine gesetzlich anerkannte Kirche. Sie umfassen alle Kirchengemeinden, die dem Bund der Baptistengemeinden in Österreich, dem Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich, den Elaia Christengemeinden, der Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde in Österreich und der Mennonitischen Freikirche Österreich angehören.

Ansprechpartner gegenüber Öffentlichkeit, Staat und anderen Kirchen ist der Rat der „Freikirchen in Österreich“. Vorsitzender dieses Rates ist Edwin Jung, der dieses Amt soeben von Walter Klimt übernommen hat.

Moral und Normen: Sind Religion und Kirche für Jugendliche heute noch Thema?

Wir wollen, dass unsere Jugendlichen ihren Glauben lebendig und authentisch leben. Aus diesem Grund gibt es in unseren Kirchen viele Veranstaltungen für Jugendliche, und wir versuchen sie stark in die Gottesdienste zu integrieren. Wir glauben und erleben das übernatürliche Wirken Gottes in unseren Gemeinden, und das zieht junge Menschen an. Das ist ein Schlüssel dafür, dass junge Menschen offen für den Glauben werden. Unsere Gottesdienste werden von vielen jungen Leuten besucht.

Wie entwickeln sich die Freikirchen in Österreich?

Es ist definitiv ein Wachstum zu spüren, wobei es natürlich Unterschiede zwischen älteren Gemeinden und eher jüngeren Gemeinden, bei denen der Mitgliederzuwachs größer ist, gibt. Ebenfalls spürbar ist der Anstieg des Anteils an Migrantinnen und Migranten, der in manchen Gemeinden schon fast 50 Prozent beträgt. Generell ist die Tendenz zurzeit wirklich steigend, und das macht mir große Freude.

Das Thema Asyl ist in Österreich momentan sehr präsent. Wie engagiert sind die Freikirchen in Österreich in dieser Thematik?

Ich kann diese Frage nicht flächendeckend für alle 170 bis 180 Gemeinden beantworten, aber die Grundstimmung in unseren Kirchen ist positiv und offen. Es ist natürlich klar, dass wir nicht jeden Flüchtling aufnehmen können, aber vor allem Kriegs- und Religionsflüchtlinge wollen wir mit unseren Ressourcen unterstützen und so unseren christlichen Auftrag erfüllen. Etliche Gemeinden engagieren sich stark in der Flüchtlingsarbeit.

Differenzieren Sie bei Flüchtlingen zwischen Christen und Muslimen?

Generell unterscheiden wir nicht zwischen Christen und Nicht-Christen, da jeder Mensch gleich behandelt werden soll und unsere Hilfe verdient. Das Augenmerk liegt aber natürlich auf Christen, die aus Verfolgungsgründen zu uns kommen.

Marcus Marschalek, Anna Stahleder, religion.ORF.at