Vatikan: Empörung über „neuen Fall ‚Vatileaks‘“

Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, hat empört auf Medienberichte über einen Beschwerdebrief von 13 Kardinälen an Papst Franziskus reagiert.

„Es ist skandalös, dass ein Privatbrief an den Pontifex veröffentlicht wird. Das ist ein neuer Fall ‚Vatileaks‘“, sagte Müller im Interview mit der Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Dienstag-Ausgabe). Im Brief sollen sich die Kardinäle darüber beschwert haben, dass der Ausgang der laufenden Bischofssynode über die Familie möglicherweise nicht offen sei.

Zahlreiche Synodenteilnehmer hätten den Eindruck, dass die neue Arbeitsweise der Synode erdacht worden sei, „um vorherbestimmte Ergebnisse in wichtigen kontroversen Fragen zu erleichtern“, heißt es in dem Schreiben, das die italienische Zeitschrift „L’Espresso“ am Montag auf ihrer Internetseite im Wortlaut veröffentlichte. Der Brief war den Angaben zufolge zu Beginn der Synode am vergangenen Montag dem Papst durch Kardinal George Pell zugeleitet worden.

„Skandal“

„Ich sage nicht, ob ich den Brief unterzeichnet habe oder nicht. Der Skandal ist, dass Schreiben an den Papst Privatbesitz des Pontifex sind, niemand darf diese veröffentlichen. Ich begreife nicht, wie das vorkommen kann. Wer das getan hat, muss sich verantworten. Die klare Absicht dieser Veröffentlichung ist, Spannungen und Streit zu schüren, das ist offenkundig“, sagte Müller. Er rief die Synodenväter auf, sich Verschwörungstheorien nicht hinzugeben.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller

APA/EPA/Fabio Frustaci

Empört: Kardinal Gerhard Ludwig Müller

Zu den Unterzeichnern des Schreibens zählen laut „L’Espresso“ die Kurienkardinäle George Pell und Robert Sarah, der New Yorker Kardinal Timothy Dolan sowie die Kardinäle Angelo Scola und Andre Vingt-Trois aus Mailand und Paris sowie der Südafrikaner Wilfrid Fox Napier. Pell erklärte, dass der veröffentlichte Inhalt des Schreibens falsch sein. „Ein Großteil des Textes stimmt nicht. Ich begreife nicht, warum das geschehen ist und wer das Schreiben so veröffentlicht hat“, sagte Pell der Tageszeitung „La Repubblica“.

Abgestrafter Vatikan-Experte kommentierte

„L’Espresso“ hatte am Montag den angeblichen Wortlaut des Schreibens zusammen mit einem Kommentar von Sandro Magister, dem Vatikan-Experten der Zeitschrift, veröffentlicht. Magister hatte im Juni den Text der Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus unter Brechung der Sperrfrist und in einer zwischenzeitlich überarbeiteten Fassung veröffentlicht. Dafür entzog ihm Vatikan-Pressesprecher P. Federico Lombardi die Akkreditierung auf unbestimmte Zeit.

Ein Kollege Magisters bei der Tageszeitung „La Repubblica“, die zum gleichen Verlag gehört, erhielt zur Strafe keinen Platz im Sitzkontingent der Journalisten beim Papst-Flug nach Kuba und in die USA im September.

Uneinigkeit über Wiederverheiratete

Pell bestritt nicht, dass er dem Papst geschrieben habe. Er dementierte jedoch, dass der Inhalt des Briefes jener sei, der an die Öffentlichkeit gelangt ist. „Unter den Synodenvätern herrscht Übereinstimmung über die Mehrheit der Themen. Es bestehen Divergenzen nur über die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene. Eine Minderheit will die Regel ändern. Meiner Ansicht nach gibt es jedoch nicht die Möglichkeit, diesbezüglich die Lehre zu ändern“, so Pell.

Bischofssynode in der Synodenhalle im Vatikan

APA/EPA/ANSA/Ettore Ferrari

Ein Scheitern der Bischofssynode wird von einem Experten nicht ausgeschlossen

Die Kardinäle kritisierten laut L’Espresso das Arbeitspapier der Bischofssynode, das den inhaltlichen Leitfaden für die Beratungen bildet. Es könne nicht „angemessen als Leitfaden“ oder als „Grundlage für ein Abschlussdokument“ dienen, heißt es in dem Schreiben. Einige Teile bedürften einer grundlegenden Überarbeitung. Außerdem beanstandeten sie die Zusammensetzung der Kommission zur Erstellung des Abschlussdokuments. Die Mitglieder seien nicht gewählt, sondern ernannt worden.

Weiter äußern sich die Kardinäle „besorgt“ darüber, dass die Bischofssynode „von der theologischen und die Lehre betreffenden Frage des Kommunionempfangs für wiederverheirateten Geschiedene“ dominiert sei.

„Bischofssynode kann scheitern“

Der Jesuit und Vatikan-Kenner Eberhard von Gemmingen hält einstweilen ein Scheitern der derzeit in Rom tagenden Bischofssynode für möglich. „Ich schließe nicht aus, dass über die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen gar nichts rauskommt; kein Satz“, sagte der ehemalige Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan dem „Münchner Merkur“ (Dienstag-Ausgabe).

Von Gemmingen schlug vor, eine kirchliche Erklärung für alle Gläubigen vorzubereiten, die etwa so lauten könne: „Wenn bei der Synode nicht das herauskommt, was Sie sich erhofft haben, bitte nicht aus der Kirche austreten, bitte nicht verzweifeln. Wir sind noch nicht am Ende der Geschichte, wir müssen noch lernen.“

Die Synode zum Thema Ehe und Familie tagt noch bis zum 25. Oktober. Viele Katholiken in Deutschland hoffen, dass wiederverheiratete Geschiedene künftig nicht mehr von der Kommunion ausgeschlossen werden.

religion.ORF.at/APA/dpa/KAP

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