Freiwillige pflegen jüdischen Friedhof in Wien

In Wien ist es seit einigen Jahren Tradition, dass Freiwillige zu Allerheiligen den von den Nationalsozialisten zerstörten jüdischen Friedhof in Währing von Gestrüpp und Müll befreien.

Der Friedhof in Währing wurde an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) zurückgegeben - allerdings fehle es auch aufgrund der groben Schäden bis heute an einem Sanierungskonzept, wie der Historiker Tim Corbett im August gegenüber der APA sagte. Die Initiative wird getragen vom Verein Jüdisches Erbe, dem Grünen-Klub im Rathaus und der Initiative Respekt.

Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in Wien-Währing

ORF/Brigitte Krautgartner

Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in Wien-Währing

„Friedhof wird ein Mahnmal bleiben“

Es sei zweifelhaft, ob er nach 70 Jahren Vernachlässigung überhaupt noch instand zu setzen sei, so der Historiker: „Ich glaube, dieser Friedhof wird ein Mahnmal bleiben - für die Leistungen der jüdischen Gemeinschaft in Wien, die Gräuel des Nationalsozialismus, aber auch die kalkulierte Zurückhaltung der österreichischen Nachkriegsregierung, sich mit der Rolle Österreichs in den Verbrechen der Nazis auseinanderzusetzen.“

Hinweis

Freiwilligentag am Jüdischen Friedhof, am 1.11.2015, 10.00 - 16.00 Uhr, 1190 Wien, Schrottenbachgasse 3. Gartenscheren und Handschuhe, falls vorhanden, mitnehmen. Männer bitte mit Kopfbedeckung!

Während des Zweiten Weltkriegs überlebten die jüdischen Friedhöfe mehr zufällig, zeigte sich der Historiker überzeugt. „Es gab von Anthropologen und anderen Wissenschaftlern der Nazis durchaus Interesse daran, die Grabsteine und die menschlichen Überreste zu bewahren, die Friedhöfe selbst waren ihnen aber egal. Ich bin mir sicher, dass es den Nazis und ihren Helfern - hätten sie mehr Zeit gehabt - gelungen wäre, diese Stätten des jüdischen Erbes aus der Stadt zu entfernen.“

Gräber teils noch immer offen

Vor allem der Währinger Friedhof wurde in Mitleidenschaft gezogen: Die nationalsozialistische Stadtverwaltung erlaubte die Zerstörung von Grabsteinen und die Exhumierung vieler Leichen. Die Gräber stehen teils noch heute offen.

Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof in Wien-Währing

ORF/Brigitte Krautgartner

Nach jüdischem Glauben darf ein Friedhof nicht aufgelassen werden

Insgesamt gibt es in Wien derzeit fünf jüdische Friedhöfe. Der älteste ist jener in der Seegasse, er datiert aus dem frühen 16. Jahrhundert und war bis 1784 in Gebrauch. Danach übernahm der Währinger Friedhof dessen Rolle, hier wurden bis 1879 Juden bestattet. Früher noch außerhalb Wiens gelegen, zählt auch der aus 1873 stammende Floridsdorfer Friedhof zu den Wiener jüdischen Ruhestätten.

Sendungshinweis

„Religion aktuell“ zum Thema vom 29.10.2015 zum Nachhören.

Zusätzlich gibt es zwei jüdische Abteilungen auf dem Zentralfriedhof, die ältere wurde im Jahr 1879 begründet. Nach dem Ersten Weltkrieg, genauer 1916, wurde die neuere Abteilung nahe Tor 4 angelegt: Sie dient heute als Hauptfriedhof der jüdischen Gemeinde und wird von der IKG betreut und verwaltet. Nach jüdischem Glauben darf ein Friedhof nicht aufgelassen werden - selbst wenn er unrettbar zerstört ist (wie es in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg teils der Fall war), sollte er abgesperrt bleiben und als heilige Stätte respektiert werden.

religion.ORF.at/APA

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