Evangelische Kirchen feiern Reformation

Evangelische Christen feiern am 31. Oktober den Beginn der kirchlichen Erneuerung (lateinisch: Reformation) durch Martin Luther (1483-1546) und sie sehen Bildung als Voraussetzung für Wohlstand.

Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther seine 95 Thesen zu Buße und Ablass an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen haben. Der darin kritisierte Sündenerlass gegen Geld sollte die Erneuerung des Petersdoms in Rom finanzieren. Luther sah im Ablasshandel einen Missbrauch und rief zur Rückbesinnung auf die biblischen Grundlagen des Evangeliums auf. Der Theologieprofessor sah seine Thesen als Aufruf zu einem wissenschaftlichen Streitgespräch an und verschickte sie auch an kirchliche und weltliche Würdenträger.

„Bildung Voraussetzung für Wohlstand“

Die Bedeutung der Bildung für die Gesellschaft haben die evangelischen Kirchen in Österreich hervorgehoben. Ebenso wie bereits das ganze Jahr 2015 in der Lutherischen, Reformierten und Methodistischen Kirche im Zeichen der Bildung stand, hatte auch der traditionelle Reformationsempfang am vergangenen Donnerstagabend in Wien diesen Schwerpunkt. In seiner Festrede unterstrich der Demograph Wolfgang Lutz von der Wirtschaftsuniversität Wien den Zusammenhang zwischen Bildung und Wohlstand.

Reformationsempfang 2015

epd/Uschmann

Der Demograph Wolfgang Lutz beschreibt den Zusammenhang zwischen Bildung und Wohlstand.

So würden jene Länder, die eine hohe Alphabetisierungsrate aufweisen, also etwa die Länder Nordeuropas, aber auch Nordamerika, wirtschaftlich besser dastehen. Hingehen gehe es Ländern, in denen Bildung eine untergeordnete Rolle spielt, wirtschaftlich deutlich schlechter, betonte Lutz, der 2010 für seine Arbeit mit dem Wittgensteinpreis ausgezeichnet wurde. „Westliche Länder haben eine hohe Bildungsdividende eingefahren, Asien hat dann nachgezogen.“

In anderen Teilen der Welt seien diese Chancen bis heute ungenutzt gelassen worden, etwa in Afrika. „Viele gehen nicht zur Schule, vor allem nicht Mädchen“, so Lutz. Im globalen Wettbewerb hätten diese Länder kaum Chancen, es gäbe keine Arbeitsplätze. Dies bringe in Folge hohe Kinderzahlen mit sich. „Die Unzufriedenheit, die dadurch entsteht, entlädt sich in sozialen Konflikten und Gewalt, die auch nationale Grenzen übersteigt.“

Vermeintlich religiöse Konflikte ein Bildungsthema

Letztlich ließen sich auch vermeintlich religiöse Konflikte auf das Bildungsthema zurückführen. "Organisationen wie der ‚Islamische Staat‘, Al Quaida oder Boko Haram lehnen Bildung ab. Boko Haram etwa hat Schulen zerstört.

Sie brauchen eine ungebildete Bevölkerung, die sie als Kanonenfutter missbrauchen können", sagt Lutz. Dieser Umstand trenne viel mehr als der behauptete „Kampf der Kulturen“.

„Gute Schulbildung aus religiösen Gründen“

In seinem Vortrag ging Lutz auch auf die Ursachen für die unterschiedlichen Bildungsstände weltweit ein. Während im arabischen Raum die Technologie des Buchdrucks anfangs keine große Resonanz fand, gab es in Europa mit Martin Luther jemanden, der diese neue Möglichkeit im 16. Jahrhundert einer breiten Bevölkerung zugänglich machte. „Luther war es aus religiösen Gründen wichtig, dass alle eine gute Schulbildung erhalten, auch Mädchen und niedrige soziale Schichten.“

Dies habe in Folge auch zum wirtschaftlichen Erfolg dieser Regionen beigetragen. „Insofern muss man auch Max Webers These vom Zusammenspiel von Protestantismus und Kapitalismus relativieren. Moderne Studien zeigen, dass der wirtschaftliche Erfolg der protestantischen Länder, der auch schon um 1900 sichtbar war, mit der hohen Alphabetisierungsrate in protestantischen Ländern zusammenhängt“, bringt es der Bevölkerungswissenschaftler auf den Punkt.

„Bessere Bildung reduziert Bevölkerungswachstum“

Darüber hinaus würde eine Förderung der Bildung auch das Bevölkerungswachstum verlangsamen, was wiederum positive Auswirkungen auf den Klimawandel habe und zu einer nachhaltigeren Entwicklung führen würde.

Förderung von Bildung und Gesundheit müsse eine Priorität für Strategien einer nachhaltigeren Entwicklung haben, forderte Lutz. Dies gelte einerseits für den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, andererseits aber auch für die westeuropäische Gesellschaft. "Der Zusammenhang von Gesundheit und Bildung wird auch in Österreich sichtbar.

Neueste Forschungen zeigen, wie wichtig es ist, dass wir nicht aufhören uns geistig zu betätigen. Solange wir das tun, leben wir - und zwar in guter Gesundheit. Geistige Aktivität hilft uns, für uns selber zu sorgen, aber auch für andere", resümiert Lutz.

Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kirche

Bischof Michael Bünker, Landessuperintendent Thomas Hennefeld und Superintendent Lothar Pöll konnten am Donnerstag im Wiener Odeon-Theater zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kirche begrüßen. Von Seite der Katholischen Kirche nahmen u.a. der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl und der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, am Reformationsempfang teil.

Weitere Gäste aus der Ökumene waren u.a. der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), der altkatholische Bischof John Okoro und der anglikanische Bischofsvikar Patrick Curran. Auch Fuat Sanac, Päsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, nahm teil.

„Very important protestants“

Eine erste Zwischenbilanz zum „Jahr der Bildung“ zog Oberkirchenrat Karl Schiefermair, der in der Kirchenleitung für den Bereich Bildung zuständig ist. Er zeigte sich dankbar für die vielen Initiativen der vergangenen Monate und erinnerte etwa an die Vorlesungsreihe zum Jahr der Bildung, die von der evangelischen-theologischen und der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien veranstaltet wurde sowie an den Bildungssonntag in den Pfarrgemeinden.

Gemeinsam mit Schülerinnen des Bregenzer Gallus-Gymasiums stellte Schiefermair das soganannte „VIP-Projekt“ vor. Im Religionsunterricht haben sich die Schüler unter der Leitung von Sabine Gritzner-Stoffers mit der Lebensgeschichte von „very important protestants“ beschäftigt und diese auf Rollups dargestellt. Österreichweit sind dazu inzwischen 63 Rollups entstanden, die der Klagenfurter Pfarrer Lutz Lehmann grafisch gestaltete.

Diakoniepreis nach Klagenfurt

Der Diakoniepreis ging in diesem Jahr nach Klagenfurt. Arbeitslose Jugendliche, Schulabbrecher und drogensüchtige Jugendliche waren Zielpublikum eines innovativen Sozialprojektes, das die evangelische Pfarrgemeinde Klagenfurt-Johanneskirche gemeinsam mit „Streetwork Klagenfurt“ im Sommer auf die Beine stellte. Im Mittelpunkt standen renovierungsbedürftige Kirchenbänke, die in einer gemeinsamen Aktion restauriert wurden.

Zwei weitere Preise gingen an die Evangelische Pfarrgemeinde A.B. Wien-Döbling, die Flüchtlinge mit Deutschkursen unterstützt, und an die Evangelische Pfarrgemeinde A.B. Wien-Innere Stadt für ihr Engagement im Bereich der Arbeitslosenseelsorge. Der Diakoniepreis ist insgesamt mit 10.000 Euro dotiert und wird seit 16 Jahren von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich gestiftet.

Hus-Gedenken und Reformationsjubiläum

Der Reformationsempfang nahm heuer auch Bezug zum Jan Hus-Gedenkjahr. Vor 600 Jahren wurde der Reformator auf dem Konzil in Konstanz für seine Glaubensüberzeugungen verbrannt. Jan Hus habe unerschrocken seinen Glauben bekannt und das Gesetz Gottes, das in der Bibel festgeschrieben sei, über alle weltliche Gebote gestellt, sagte der Pfarrer der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder, Ondrej Macek.

Präsentiert wurde auf dem Reformationsempfang auch eine Vorschau auf „evangelisch-sein.at“. Unter dieser Internetadresse werden die drei evangelischen Kirchen über ihre Aktivitäten zum Reformationsjubiläum 2017 informieren und unter der Leitlinie „Freiheit und Verantwortung“ thematische Impulse setzen.

religion.ORF.at/epd/KAP/APA

Links: