Experte: Nur aufgeklärter Islam hat Zukunft

Der muslimische Religionspädagoge Ednan Aslan sagte bei einer Diskussion am Dienstag, die Entwicklung des Islam hin zu einer Friedensreligion könne nur von Europa ausgehen, Integration der Muslime sei jedoch Vorbedingung.

Die Entwicklung eines aufgeklärten Islam „europäischer Prägung“ sei entscheidend für dessen weitweite Zukunft, betonte Aslan am Dienstagabend bei einer Diskussion der Tageszeitung „Kurier“ im Wiener Raiffeisenforum. An der Diskussion nahmen auch der Heiligenkreuzer Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck und Buchautor Andreas Salcher teil. Muslime seien im 12. Jahrhundert aufgeklärter als jetzt gewesen, erklärte Aslan. Den heutigen Fundamentalisten islamischer Ländern attestierte er, durchaus gebildete Menschen zu sein. Durch die enge Verknüpfung von Staat und Religion fehle vielerorts aber die Freiheit, Religion neu zu prägen.

Ednan Aslan

ORF

Ednan Aslan

Knackpunkt Demokratie und Religion

In islamischen Ländern sei eine Religionsreform unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum vorstellbar, denn auf den Universitäten werde die Lehre aus dem 8. und 9. Jahrhundert vermittelt, „die fundamentalistisch prägt“, so Aslan. Aufgrund politisch mächtiger Gegenkräfte seien Reformen vielerorts nicht möglich. Ein Beispiel dafür ist für den islamischen Theologen sein Heimatland Türkei: Nach ursprünglich großen Hoffnungen sei hier nun eine „Rückwärtsbewegung“ zu erkennen, „die Religion setzt die Demokratie unter Druck“. Eine Weiterentwicklung des Islams sei hingegen nur dort möglich, wo er selbst herausgefordert werde.

Derzeit führen die Muslime laut dem Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Wien einen innerislamischen Krieg und „zerstören sich selbst“. Um dem Islam eine Chance auf Zukunft zu geben und um zu einer Friedensreligion zu werden, sei ein von den Muslimen selbst ausgehender Wandel erforderlich; diese müssten dafür aber in die europäische Gesellschaft eingebunden werden. Als Beispiele für nötige Integrationsschritte nannte Aslan die Ausbildung von Imamen in Österreich, die im Herbst 2016 starten soll, sowie die Wahrnehmung von Frauen auch ohne Kopftuch als Musliminnen.

Andreas Salcher

APA/Salcher

Andreas Salcher

Mit Bildung gegen Fundamentalismen

Aufklärer und Fundamentalisten gebe es sowohl im Christentum als auch im Islam, stellte der Gründer der „Sir-Karl-Popper-Schule“ und Autor des Buches „Alles oder nichts: Der große Wurf der Päpste“, Andreas Salcher fest. „Der Gedanke ‚Ich habe die alleinige Wahrheit‘ bringt Krieg, Tod und Blut.“ Die katholische Kirche habe diese Phase schon überwunden, während der Islam hier noch mittendrin stecke, so Salcher.

Gleichzeitig könnten jedoch auch Radikalatheisten „genauso fundamentalistisch sein“, warnte der Buchautor. Bildung - besonders für Frauen - sei für die Aufklärung ein ebenso entscheidender Faktor wie die technische Revolution: Dass Fundamentalisten ein Meinungsmonopol einnehmen, sei durch Bildung nicht mehr so einfach wie früher.

Heiligenkreuzer Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck

APA/ORF/Günther Pichlkostner

Gregor Henckel-Donnersmarck

Weiterbildung für alle Religionen

Der Heiligenkreuzer Altabt Henckel-Donnersmarck warnte davor, beim Islam grundsätzlich von Fundamentalismus zu sprechen, und rief zu verstärktem interreligiösen Dialog auf. Ein „interessiertes Miteinander“ komme allen Religionen zugute, so der Ordensmann. Nötig sei vor allem ein „Dialog des täglichen Lebens“ und menschliche Begegnung. Man solle dem anderen den eigenen Glauben zeigen, „in Liebe, aber mit Vernunft und Respekt gegenüber dem anderen Glauben“, sagte der Altabt. Von der Art und Weise, wie Muslime ihren Glauben leben, könnten durchaus auch Christen etwas lernen.

Auch Henckel-Donnersmarck sprach sich für einen durch Aufklärung geläuterten Islam im Sinne einer stärkeren Trennung von Staat und Religion sowie für die Ausbildung eines europäischen Islam aus. Eine Weiterentwicklung hätten jedoch alle Religionen nötig.

religion.ORF.at/KAP

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