Geheime Papst-Tonaufnahme: „Kosten außer Kontrolle“

Die ZIB hat zugespielte, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Originaltöne von Papst Franziskus veröffentlicht, in denen er Misswirtschaft im Vatikan heftig anprangert und die verantwortlichen Kardinäle rügt.

„Diese Papiere fallen unter das Segreto pontificio, die höchste päpstliche Geheimhaltungsstufe.“ Vatikan-Journalist Gianluigi Nuzzi beschreibt in seinem Buch „Alles muss ans Licht“ jenen 3. Juli 2013, an dem Franziskus alle wichtigen Verantwortlichen der Finanz- und Vermögensverwaltung des Vatikan um sich versammelte. Unter ihnen auch der damalige Kardinalstaatssekretär des Staatsskretariats, Tarcisio Bertone.

Die Kardinäle und Verantwortungsträger bekommen in der Szene laut Nuzzi ein geheimes Dossier übermittelt, und Papst Franziskus beginnt mit ruhigen Worten, die zunehmend schärfer werden. Eine Ansprache, die ursprünglich nur für die Ohren der Versammelten bestimmt war, aber dennoch im Geheimen mitgeschnitten wurde. Diese Audioaufnahmen, aus denen Nuzzi in seinem aktuellen Buch zitiert, sind auch dem ORF übermittelt worden.

„Kosten außer Kontrolle“

Die ZIB sendete Papst Franziskus im italienischen Originalton: „Ohne Übertreibung können wir sagen, dass ein Gutteil der Kosten außer Kontrolle ist, das ist eine Tatsache. Wir müssen mit größter Aufmerksamkeit die Rechtsnatur und die Klarheit unserer Verträge überwachen. Und in Verträgen verbergen sich viele Fallen", so der Papst. Unklar sei die „Zahl, der Zustand und die Vermietung unserer Immobilien.“ Besonders gravierend sei jedoch die „fehlende Überwachung unserer Investments“, so das katholische Kirchenoberhaupt.

Deutliche Worte von Papst Franziskus, die den bisherigen Umgang mit Vermögenswerten im Vatikan scharf anprangern und kritisieren. Zu seinem harten Urteil kam der Papst, laut Nuzzi, aufgrund des geheimen Dossiers, das vor allem die Kardinäle Santos Abil y Castello und Giuseppe Versaldi erstellt hatten. Versaldi leitete bis März 2015 die Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vatikan.

Überteuerte Rechnungen und fehlende Transparenz

Franziskus prangert an, dass einfachste wirtschaftliche Überlegungen und Kontrollen im Vatikan nicht funktionieren würden. Aufträge seien ohne Kostenvoranschläge vergeben und anschließend überteuerte Rechnungen bezahlt worden. Firmen seien begünstigt und Mitarbeiter nur „durch Protektion“ beschäftigt worden, so Nuzzi.

„Das Problem des Mangels an Transparenz ist aufrecht. Es gibt Ausgaben, die aus einer Unklarheit unserer Verfahren resultieren. Wenn etwas ohne Kostenvoranschlag, ohne Autorisierung gemacht wurde, zahlt man nicht!“ Insgesamt siebenmal sagt der Papst das in seiner Rede an die Kardinäle. "Ein Bischof hat einmal gesagt: Wenn wir nicht in der Lage sind, unser Geld zu überwachen, das sichtbar ist, wie sollen wir dann die Seelen unserer Gläubigen behüten, die man nicht sieht“, so der Papst weiter.

Forderung nach Transparenz

Der ZIB liegt auch ein Originalton von Kardinal Joachim Meisner, dem Alterzbischof von Köln, vor. Er soll einer der wenigen gewesen sein, die nach den mahnenden Worten des Papstes Öffentlichkeit und Transparenz eingefordert haben: „Was uns heute mangelt, auch in der Öffentlichkeit, ist der Verlust des Vertrauens. Wir haben die sexuellen Missbräuche nicht richtig offen behandelt", und mit dem sei es Geld ähnlich, so der Kardinal. „Hier dürfen wir keine Angst haben, die Dinge offen zu benennen, nicht um anzuklagen, sondern um zu heilen.“ Und dann bemüht der deutsche Kardinal ein Zitat von Lenin: „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser.“

Meisner fordert Transparenz, die nach dem Treffen vom 3. Juli 2013 bisher nur bedingt umgesetzt wurde. Dennoch hat sich seither einiges verändert. Kardinäle mussten ihre Posten abgeben, neue Kontrollgremien wurden geschaffen, und offensichtlich ist ein Machtkampf zwischen Vertuschern und und Anhängern von mehr Transparenz entbrannt. Ein Machtkampf, der nun durch die Weitergabe von geheimen Dokumenten an Autoren und Medienanstalten weiter angeheizt wird.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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