Israel: Parlament kippt Wehrpflicht für Ultraorthodoxe

Das israelische Parlament, die Knesset, hat in einer nächtlichen Sitzung die automatische Befreiung von der Wehrpflicht für ultraorthodoxe Tora-Schüler um mindestens sechs Jahre verlängert.

Eine entsprechende Gesetzesänderung wurde in der Nacht zum Dienstag mit 49 gegen 36 Stimmen angenommen, meldete das Internetportal der Knesset, der 120 Abgeordnete angehören. Damit wurde ein zentrales Reformvorhaben der im Frühjahr abgelösten Mitte-Rechts-Regierung nach nur einem Jahr wieder rückgängig gemacht. Die neue Regelung garantiert die vom alten Gesetz auf 2017 begrenzte Wehrpflichtbefreiung für jüdische Religionsschüler nun bis mindestens 2023 und räumt bereits eine mögliche Verlängerung um weitere drei Jahre ein.

Knesset

APA/AFP/GALI TIBBON

Die Knesset kippt die Wehrpflicht für Ultraorthodoxe wieder

Erfolg für ultraorthodoxe Parlamentsfraktionen

Die Änderung ist ein großer Erfolg für die beiden ultraorthodoxen Parlamentsfraktionen, auf deren Unterstützung die regierende Rechts-Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angewiesen ist. Diese verfügt im Parlament nur über eine Stimme Mehrheit.

Etwa zehn Prozent der acht Millionen israelischen Bürger sind strenggläubige Juden. Als ihnen bei der Staatsgründung 1948 zugesichert wurde, dass junge Männer, die zwischen dem 18. und 26. Lebensjahr ganztägig Talmudschulen besuchen, keinen Wehrdienst leisten müssen, betraf dies nur wenige hundert Ultraorthodoxe - heute sind es mehrere zehntausend.

Als ungerecht empfunden

Die Befreiung vom Militärdienst empfinden nicht nur säkulare Israelis als ungerecht. Denn die Wehrpflicht ist mit derzeit 32 Monaten für Männer und zwei Jahren für Frauen lang und aufgrund der regionalen Konflikte mit realen Gefahren verbunden. Zudem bedeutet die geltende Regelung, dass die meisten der ultraorthodoxen Männer keine Berufsausbildung erhalten und auch nach dem Erreichen der Altersgrenze für die Wehrpflicht oft auf Beihilfen zu ihrem Lebensunterhalt angewiesen sind.

Die strenggläubigen Juden hatten massiv gegen die 2014 verabschiedete Reform mobilisiert. Diese war das zentrale Wahlversprechen der liberalen Zukunftspartei, die nach den Neuwahlen im Frühjahr in der Opposition landete. Im März 2014 gingen 300.000 Ultraorthodoxe in Jerusalem gegen die von ihnen als „religiöse Verfolgung“ gebrandmarkte Neuregelung auf die Straße. Jair Lapid, Gründer und Chef der Zukunftspartei rief den Obersten Gerichtshof an und verlangte, die aktuelle Gesetzesänderung für verfassungswidrig zu erklären.

religion.ORF.at/APA/AFP

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