„Muslimische Stimmen“ gegen Gewalt an Frauen

An den „16 Tagen gegen Gewalt an Frauen“ sollte überprüft werden, wo Präventionsarbeit intensiviert werden könne, so die Medienreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), Carla Amina Baghajati.

Präventionsarbeit gegen Gewalt sei immer auch Bildung in Richtung mehr Geschlechtergerechtigkeit, wie Baghajati in einer Aussendung vom Mittwoch schrieb. „Muslimische Stimmen sind hier mehrfach wichtig“, so die IGGiÖ-Referentin. Denn gerade wenn es um den Islam gehe, würden Frauen in der Außensicht immer wieder als passive „Opfer“ gesehen. Aus dieser Zuschreibung versuchten Musliminnen zunehmend auszubrechen, so Baghajati.

Auslegungstraditionen kritisch durchleuchten

Durch ihre gesellschaftliche Teilhabe wollten Frauen verstärkt als eigenständig und aktiv Handelnde wahrgenommen werden. Baghajati betont den innermuslimischen Diskurs zu dem Thema. „Man kann nicht dabei stehen bleiben, frauenfeindliche Tendenzen und Gewaltphänomene wie Zwangsheirat oder Ehrenmord der ‚kulturellen Tradition‘ anzulasten, um damit die Rolle der Religion auszublenden“, so Baghajati. Einerseits seien gewisse Auslegungstraditionen kritisch zu durchleuchten, andererseits „liegen im Islam selbst wichtige Argumente für die Gleichberechtigung von Mann und Frau“. Diese würden sich zunehmend, gerade in der Überwindung sogenannter „harmful traditions“, bewähren.

Baghajatis Aussendung kommt nicht von ungefähr: In der Dienstag-Ausgabe des „Neuen Volksblatts“ hatte der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinde (IRG) in Oberösterreich und islamische Religionslehrer Murat Baser mit seiner Aussage zu den „psychisch und physisch schwachen Frauen“ aufhorchen lassen - mehr dazu in Muslimevertreter in OÖ: „Frauen psychisch schwach“. Baser erklärte am Mittwoch, es seien in dem Artikel persönliche Meinung und Interpretationen des Koran vermischt worden. Zudem habe er „in vier Jahren als IRG-Vorsitzender, in 14 Jahren als Lehrer und in meinem Leben in Österreich“ noch nie Anlass gegeben, an seiner Gesetzestreue oder seiner Zustimmung zur Verfassung zu zweifeln.

Aus „Schutz“ wird schnell Bevormundung

Solange Frauen als das „schwache Geschlecht“ betrachtet würden, bestehe hier eine Wurzel für mangelnde Chancengleichheit, so Baghajati weiter in der Aussendung. Frauen systematisch klein zu halten, hemme nicht nur Entfaltungsmöglichkeiten. Angeblicher „Schutz“ könne schnell in Bevormundung umschlagen, wenn etwa selbstherrlich von männlicher Seite angenommen werde, eine Frau sei am besten behütet zu Hause aufgehoben und solle sich doch nicht der Mühe unterziehen müssen berufstätig zu sein.

Oder sie müsse sich den Härten der politischen Auseinandersetzung nicht aussetzen, „weil die von Natur aus kämpferischen Männer dies für sie schon übernehmen könnten“. Gewalt beginne bereits bei dieser Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen und Mädchen zu ihrem angeblich eigenen Besten, so die Medienreferentin. Derartige Denkmuster fänden sich Baghajatis zufolge aber „unabhängig von Religionszugehörigkeit oder Herkunft“.

„Sie sind auch hierzulande noch nicht vollständig überwunden. Daher bietet das gemeinsame Einstehen für Geschlechtergerechtigkeit in der Vielfalt der religiösen und weltanschaulichen Hintergründe nicht nur eine Belebung des alten Slogans von der ‚Frauensolidarität‘“, so die Aussendung weiter. Engagement gegen Gewalt sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Angesichts von Sorgen um eine gemeinsame, tragfähige Wertebasis, die durch die Flüchtlingsthematik jüngst verstärkt wurde, ist dieser gemeinsame Einsatz ein wichtiges Mittel gegen Populisten, die Identität am liebsten durch Abgrenzung oder Feindbilder zu erreichen suchen“, schrieb Baghajati.

religion.ORF.at

Link: